Berliner Wirtschaft Juni 2021
FOTO: CHRISTIAN KIELMANN Mehr testen gegen das „Bildungsvirus“ Die Pandemie hat sehr deutlich gemacht, dass Berlin ein Umdenken in der Bildungspolitik braucht: Was nötig ist, um Spätfolgen für den Fachkräftenachwuchs zu mildern D ieCorona-Pandemieunddie Steuerung der Bildungspolitik in dieser Phase hat die Aussicht des Mittelstandes auf den Fachkräftenachwuchs nicht verbes- sert. Fakt ist, dass das nahezu nicht vorhan- dene Betreuungswahlrecht der Eltern für ihre Kinder in der Kombination von Home-Office und Home-Schooling zu einer enormen Belas- tung geführt hat. Fakt ist weiterhin, dass der Bildungsstand einer gesamten „Bildungsge- neration“ nach der Pandemie stark vom Kri- senmanagement der einzelnen Schule, der Innovationsfreudigkeit einzel- ner Fachlehrer und nicht zuletzt von pädagogischen Fähigkeiten einzelner Eltern abhängen wird. Bundesländer, die zeitig erkannt haben, was die Stunde schlägt, und während der Pan- demie überlegter, konsequen- ter und vor allem koordinier- ter als Berlin vorgegangen sind, haben nicht nur ihre Unternehmen und deren Mitarbeiter entlastet, son- dern auch den Effekt auf die zukünftige Fachkräfteversor- gung gemildert. Investitionen in Digitalisierung inklusive Fortbil- dung der Lehrer zu digitalen Lerninhal- ten haben sich für fortschrittliche Bil- dungsverwaltungen an diesen Standor- ten ausgezahlt. Jahrgangsübergreifende Vergleichs- arbeiten ermöglichen Vergleiche zwi- schen Jahrgängen und Regionen. Ohne Frage werden diese Defizite gegenüber ande- ren Jahrgängen zeigen. Wie stark diese aus- fallen, hängt wesentlich von der Bildungspo- litik der letzten Monate ab. Was jetzt jedoch noch nicht offenbar wird, sind die Spätfolgen – die Knicke in Bildungsbiografien wegen des veränderten Lernverhaltens, Probleme beim Übergang zu weiterführenden Schulen oder der Leistungsabfall in höheren Klassenstufen aufgrund von Lernlücken durch zu freie Aus- legung des Rahmenlehrplans. „Mehr testen“ gilt als wichtiges Instru- ment, um das Coronavirus zu besiegen. Auch im Kampf gegen das Bildungsvirus kann das einWeg sein. Nur wenn regelmäßig und unab- hängig – also zentralisiert in Aufgabenstellung und Bewertung – der Bildungsstand unserer Kinder getestet wird, können Bildungs- wie Betreuungslücken erkannt und „behandelt“ werden. Hierzu gehört dann neben der Lehrer- fortbildung auch ein vielfältigeres Lernangebot. Nur wer sein Bildungsdefizit mit zusätzlichen Lernangeboten – zumBeispiel in den Ferien – „kuriert“, kann Einfluss auf seine Bildungsbio- grafie nehmen. Die Digitalisierung hilft auch hier, ressourceneffiziente Formate und Ange- bote zu entwickeln. Nicht zuletzt ermöglicht ein Umdenken in der Bildungspolitik auch eine Flexibilisie- rung der Regelbeschulung. Wenn nicht mehr reine Präsenz, sondern das Erreichen von Lern- zielen die oberste Schülerpflicht ist, ergeben sich neue Möglichkeiten der Berufsvorberei- tung, der Sprachausbildung, der Vermittlung von Querschnittswissen und damit auch der Fachkräfteentwicklung unserer Region. ■ Kompetenzteam Wenn Sie sich für unsere Arbeit interessieren, nehmen Sie gern Kontakt zu uns auf unter: ihk-berlin.de/kompetenzteam Sebastian Stietzel Vorsitzender des IHK-Kompetenz teams Mittelstand und Geschäftsführer der Marktflagge GmbH, Management & Investments AGENDA | Mittelstandskolumne
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