Berliner Wirtschaft Mai 2025

Wir brauchen eine andere Einstellung zur Arbeit Es geht nicht nur um eine ideale Work-Life-Balance, sondern darum, eine Aufgabe als erfüllend erleben zu können Die Zoologischen Gärten Berlin spüren – wie viele Unternehmen – die Herausforderungen des deutschen Arbeitsmarkts. Der Fachkräftemangel ist längst kein abstraktes Problem mehr, sondern beeinflusst unseren Alltag spürbar. Als einer der größten Zoobetriebe weltweit mit rund 600 Mitarbeitenden in über 70 Berufsfeldern tragen wir die Verantwortung, faire und wettbewerbsfähige Arbeitsbedingungen zu schaffen. Die Anpassung der Löhne war daher ein notwendiger Schritt – jedoch mit erheblichem finanziellem Aufwand verbunden. Unsere Tiere und Gäste sind physisch vor Ort, wodurch mobile Arbeitsmodelle kaum umsetzbar sind. Verlässlichkeit und intrinsische Motivation bleiben essenzielle Pfeiler – sowohl im operativen Zoobetrieb als auch aus ökonomischer Sicht. Der Fachkräftemangel hat das Machtgefüge am Arbeitsmarkt verändert: Wo früher Arbeitgeber die Bedingungen bestimmten, stehen heute zunehmend die Bedürfnisse der Arbeitnehmer im Fokus. Das ist eine positive Entwicklung, denn optimierte Arbeitsbedingungen und eine nachhaltige Beschäftigungsfähigkeit sind wichtige Ziele. Gleichzeitig führt dieses gestiegene Selbstbewusstsein der Arbeitnehmer zu neuen, nicht immer realisierbaren Erwartungen an die Arbeitswelt. Die gesellschaftliche Debatte sollte sich daher nicht nur um eine ideale Work-Life-Balance drehen, sondern auch die Frage einbeziehen, wie wir Arbeit wieder als erfüllend erleben können. Arbeit ist entgegen vieler Meinungen ein gesundheitserhaltender Faktor. Ein Blick über den deutschen Tellerrand bestätigt: Unsere Einstellung zur Arbeit braucht einen Wandel. Nach intensiven Jahren der Modernisie- rung – mit Projekten wie Panda Garden, Regenwaldhaus, Himalaya, Savanne oder Nashorn- Pagode – hat uns die jüngste Krisenlage gelehrt, das Tempo zu drosseln. Pandemie, Kosten- explosionen und seuchenbedingte Schließungen zwangen uns, Perfektion durch Realismus zu ersetzen. Manchmal ist ein Schritt zurück notwendig, um den Wert kleiner Fortschritte wieder schätzen zu lernen. Trotz aller Herausforderungen – Pandemie, Krieg, Inflation – konnten wir unsere Besucherzahlen stabil halten und erhielten in Umfragen Bestnoten von unseren Gästen (Zoo 1,5 / Tierpark 1,4). Diese positive Resonanz bestätigt die hohe Identifikation unseres Teams mit seiner Aufgabe. Denn wenn andere freihaben, beginnt bei uns die Hochsaison. Wir sind da – für die Tiere und für die Menschen. In dieser tief empfundenen Sinnhaftigkeit sehe ich den Schlüssel zur ausgeprägten Arbeitsmoral unserer Mitarbeitenden. Vielleicht können unsere Erfahrungen auch anderen als Orientierung dienen: Sinnstiftung, Teamgeist und Anpassungsfähigkeit sind Stärken, auf die man bauen kann. ■ Meinung In der Kolumne „Auf den Punkt“ positionieren sich im monatlichen Wechsel Mitglieder des Präsidiums zu wirtschaftspolitischen Fragestellungen aus ihrer persönlichen Sicht. präsidiumsmitglieder beziehen stellung Dr. Andreas Knieriem ist Vorstand der Zoologischer Garten Berlin AG und Mitglied im Präsidium der IHK Berlin FOTO: AMIN AKHTAR Auf den Punkt | 13 Berliner Wirtschaft 05 | 2025

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