Berliner Wirtschaft Mai 2023

voll, bereits in einem sehr frühen Stadium externe rechtliche Beratung in Anspruch zu nehmen. Ein wesentlicher Baustein ist auch die richtige Kommunikation. Daher ist ein arbeitsrechtlicher Ablauf- und Kommunikationsfahrplan sehr hilfreich. Bei der internen Kommunikation geht es vor allem darum, wie der Arbeitgeber die Mitarbeitenden und – sofern vorhanden – den Betriebsrat informiert und einbindet. Eine nachvollziehbare und stringente Storyline der geplanten Personalabbaumaßnahme ist dabei wichtig. Insbesondere muss bei den verbleibenden Mitarbeitern der Survivor-Effekt berücksichtigt werden: Wer nach einer größeren Entlassungswelle im Unternehmen verbleibt, der fühlt sich so, als sei der Schuss nur knapp an ihm vorbeigegangen. Alle Verbleibenden stellen sich zwangsläufig die Frage, wieso es nicht sie getroffen hat beziehungsweise wer wohl als Nächstes drankomme. Laut Arbeitspsychologe Dr. Markus Dobler muss der Arbeitgeber daher drei Fragen adressieren: → Wieso gerade diese Mitarbeiter aus dem Team/Bereich? → Wieso gerade diese Anzahl und nicht weniger oder mehr? → Was hat das Unternehmen nun konkret davon, dass diese Maßnahme stattgefunden hat? Also: Was ist nun anders? Vertrauen der Angestellten erhalten Das Unternehmen muss das Vertrauen der Angestellten erhalten, ihnen deutlich machen, dass in absehbarer Zeit keine weitere Entlassungswelle folgt. Andernfalls besteht die Gefahr, dass auf die Entlassungswelle eine Kündigungswelle folgt, also viele Mitarbeitenden sich lieber selbst etwas Neues suchen. Das ist für Unternehmen in Zeiten des Arbeitskräftemangels fatal, da sich erfahrungsgemäß genau die falschen verabschieden. Bei der externen Kommunikation muss darauf geachtet werden, dass die maßgeblichen Stake- holder informiert werden und gegebenenfalls auch eine abgestimmte Pressemitteilung herausgegeben wird. Ob es immer ein persönliches State- ment der Gründer in den sozialen Netzwerken sein muss, ist eine Geschmacksfrage. Klar ist aber: Ein solcher Beitrag will vorbereitet sein, sonst wird er zum Kommunikations-Bumerang. Übliches Instrument eines erforderlichen Personalabbaus ist die betriebsbedingte Kündigung. Die Vorteile sind: Der Personalabbau kann einseitig vom Arbeitgeber umgesetzt werden, und es besteht – sofern kein Sozialplan existiert oder auch sonst nicht arbeitsvertraglich vorgeschrieben ist – keine Pflicht zur Abfindungszahlung. Einen gesetzlichen Abfindungsanspruch gibt es nicht. Es besteht dennoch das Risiko, dass die Arbeitnehmer eine Kündigungsschutzklage einreichen. Plant ein Start-up tatsächlich betriebsbedingte Kündigungen, sollte es seine Zahlen gut vorbereiten. Mitarbeitende mit Sonderkündigungsschutz, also etwa Schwangere oder Schwerbehinderte, sind von vornherein ausgeschlossen. Welche Arbeitnehmer gekündigt werden dürfen, bedingt sich immer durch die Sozialauswahl: Hierbei spielen Betriebszugehörigkeit, Unterhaltspflichten und Lebensalter eine entscheidende Rolle. Es kommt darauf an, wen eine Kündigung am wenigsten hart treffen würde. Oft ist schwer vorauszusehen, welche Kündigung ein Arbeitsgericht als unwirksam einstufen würde und welche nicht. Alternativ zum Ausspruch betriebsbedingter Kündigungen kann ein (vorgeschaltetes) Freiwilligenprogramm ein attraktives und effektives Instrument sein. Das heißt, es werden Aufhebungsverträge zu einheitlichen Konditionen geschlossen. Neben einem rechtlich sicheren Weg, also keine Kündigungsschutzklagen, sind insbesondere ein passgenauer Personalabbau und der Aufbau einer Wunschbelegschaft möglich, da gezielt Mitarbeitende angesprochen werden können. Diese Vorteile sind jedoch in aller Regel teuer erkauft. Denn Angestellte werden Aufhebungsverträgen nur zustimmen, wenn das Exit-Paket überdurchschnittlich hoch ausfällt. Gibt es einen Betriebsrat im Start-up, muss dieser an den Plänen beteiligt werden. Massenentlassungen lösen zwingende Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats aus, und es müssen neben einer umfangreichen Konsultation und einer behördlichen Massenentlassungsanzeige ein Interessenausgleich und ein Sozialplan mit dem Betriebsrat verhandelt werden, bevor der Personalabbau umgesetzt werden kann. Auch wenn der Betriebsrat den Abbau letztendlich nicht verhindern kann, so kann er doch Einfluss auf die Umsetzung der Maßnahme nehmen und eine finanzielle Abfindung für die Betroffenen erreichen. Lediglich für Unternehmen innerhalb der ersten vier Jahre nach ihrer Gründung gibt es eine Ausnahme, und es besteht keine Sozialplanpflicht. Aber Vorsicht: Sickert eine anstehende Massen- entlassung vorab durch, können Angestellte sehr schnell eine Betriebsratswahl initiieren, gerade mithilfe der Gewerkschaft. ■ Die Autoren Pascal Croset und Jeremy Bister sind Fachanwälte für Arbeitsrecht. Croset ist Inhaber seiner gleichnamigen Kanzlei in Berlin-Friedenau, Bister ist Partner der Kanzlei Trebeck & von Broich mit Sitz in Köln. Anna Borodenko, IHK-Fachreferentin Gründung, Start-ups und Nachhaltigkeit Tel.: 030 / 315 10-522 anna.borodenko@ berlin.ihk.de Link zur Website der Gründerszene Die ungekürzte Version des Textes unter: gruenderszene.de (kostenpflichtig). ILLUSTRATION: GETTY IMAGES/SESAME; FOTO: FOTOSTUDIO CHARLOTTENBURG Berliner Wirtschaft 05 | 2023

RkJQdWJsaXNoZXIy MTcxNDM4Mw==