Berliner Wirtschaft Mai 2023

PLUS Punkte 1 Der Begriff Hidden Champion stammt von Wirtschaftswissenschaftler Hermann Simon. 2 1.600 Hidden Champions gibt es deutschlandweit. 3 Bezogen auf die Einwohnerzahl liegt Berlin mit 36 Hidden Champions im Mittelfeld. nationalen Fachwelt hochgeschätzt sind, die Spielgeräte-Firma Berliner Seilfabrik GmbH & Co. (siehe auch S. 26) oder das Luft- und Raumfahrt-Unternehmen Astro- und Feinwerktechnik Adlershof GmbH (siehe auch S. 27). Dass solche Vorzeigeunternehmen in der Region kaum bekannt sind, bedauert IHK-Präsident Sebastian Stietzel: „Berlin gilt im Ausland längst als moderne und innovative Weltmetro- pole – bei den Berlinerinnen und Berlinern existieren diese Wahrnehmung und der damit verbundene Anspruch an sich selbst jedoch leider oft noch nicht.“ Das Potenzial für internationale Strahlkraft zeigten die Hidden Champions jedoch eindrucksvoll. „Deshalb sollten wir“, empfiehlt Stietzel, „diese und die vielen anderen sichtbar machen sowie die Möglichkeiten unserer exzellenten Wissenschaftslandschaft und der kreativen Gründerszene weiter ausschöpfen – Berlin muss sich nicht und sollte sich auch nicht verstecken.“ Hidden Champions zeichnen sich nicht nur durch hohe Exportquoten aus, sondern vor allem durch eine hohe Innovationskraft, eine engagierte und hochwertige Ausbildung ihres Nachwuchses und eine langfristige Strategie. „Hidden Champions geben für Forschung und Entwicklung doppelt so viel aus wie der Durchschnitt der Industrie, nämlich sechs Prozent vom Umsatz statt drei Prozent“, sagt Hermann Simon. „Was noch wichtiger ist: Sie haben pro Mitarbeiter fünfmal so viele Patente wie Großunternehmen.“ Bei Hidden Champions seien neun Prozent der Mitarbeiter Auszubildende, beim Durchschnitt der deutschen Wirtschaft seien es sechs Prozent. „Und in den vergangenen zehn Jahren haben die Hidden Champions den Anteil von Mitarbeitern mit Hochschulabschluss von zehn Prozent auf 20 Prozent verdoppelt – was heißt, dass sie eine hoch qualifizierte Belegschaft haben.“ Im Schnitt stünden Hidden-Champion-Chefs zudem 21 Jahre an der Spitze ihrer Unternehmen, bei Großunternehmen seien es lediglich sechs Jahre. Von Hidden zu Open Champions Tobias Rappers ist überzeugt, dass es heute keine Hidden Champions, sondern Open Champions braucht, „also vernetzte, kommunizierende, lernende Organisationen“. Rappers ist Geschäftsführer der Maschinenraum GmbH, einer unabhängigen Plattform vom Mittelstand für den Mittelstand. „Im Maschinenraum vernetzen wir aktuell rund 65 deutsche Mittelstands- und Familienunternehmen miteinander.“ Im Fokus stehe dabei der branchenübergreifende Austausch, in dem Erfahrungen und Wissen geteilt werden.“ Der „Hinterhof der Hidden Champions“, von dem Rappers spricht, befindet sich in einem aufwendig sanierten Industriegebäude in Prenzlauer Berg, dessen Event- und Coworking-Fläche von 4.500 Quadratmetern die Mitgliedsunternehmen, darunter die Dussmann Stiftung der Berliner Dussmann Group, nutzen können. Den Multidienstleister Dussmann Group zählt auch Dr. Bianca Schmitz zu den Hidden Champions der Stadt. Schmitz, Gründungsdirektorin des Hidden Champions Institute (HCI) an der European School of Management and Technology, definiert den Begriff nicht ganz so streng wie Hermann Simon, der dem Advisory Board des HCI angehört – für sie können Hidden Champions zu mehreren kontinentalen Marktführern gehören, beispielsweise Dussmann oder Onlinedienstleister wie Zalando, Delivery Hero, die Digitalbank N26 oder WebID, Pionier der Online-Identifizierung. Deren Branche wird im HCI als „Sunrise Industry“ bezeichnet. „Unsere Mission ist es, Unternehmerinnen und Unternehmer sowie Führungskräfte zu unterstützen, indem wir Wissen für und über Hidden Champions generieren und verbreiten“, sagt Schmitz. Vermittelt werde zudem praktische Expertise für und über Hidden Champions – „und wir bieten eine unabhängige Plattform für Hidden Champions, um voneinander zu lernen und ein zuverlässiges Netzwerk aufzubauen“. HCI-Direktorin Schmitz geht fest davon aus, „dass sich neu entstehende Hidden Champions vor allem auch in Berlin entwickeln werden – insbesondere in der Sunrise Industry“. Auf diesem Weg dürfte zum Beispiel das Berliner Telematik-Unternehmen Vimcar sein, das Flottenmanagement-Softwarelösungen für Fuhrparks kleiner und mittlerer Unternehmen anbietet. Erst kürzlich übernahm US-Investor Battery Ventures die Mehrheit an Vimcar und der Züricher Avrios International AG, um die Fusion beider Unternehmen zu ermöglichen. „Vimcar ist marktführend in Deutschland mit dem digitalen Fahrtenbuch – und gemeinsam mit Avrios steht der Weg zum europäischen Marktführer in Sachen exzellente Fuhrpark-Lösungen und -Services für Unternehmen aller Größen offen“, sagt Francine Gervazio, Geschäftsführerin des Firmenzusammenschlusses mit künftigem Hauptsitz in Berlin. Vimcar und Avrios mit ihren sich ergänzenden Softwarelösungen betreuen in diesem Wachstumsmarkt bereits Zehntausende europäische Kunden mit mehr als 250.000 Fahrzeugen. ■ Christian Haase, IHK-Branchenmanager Digitale Wirtschaft Tel.: 030 / 315 10-717 christian.haase@berlin. ihk.de 6 % ihres Umsatzes geben Hidden Champions für Forschung und Entwicklung aus, doppelt so viel wie der Durchschnitt der Industrie. Berliner Wirtschaft 05 | 2023

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