Berliner Wirtschaft Mai 2023

Für Deep-Tech- Unternehmen muss Deutschland nachbessern: Jelena Ivanovska, Ingmar Schuster und Philipp Markert von Exazyme sowie Dirk Radzinski, Gründer der xolo GmbH (v. l.) des Bundes. Doch in der Wachstumsphase wurde privates VC benötigt. Und zwar viel davon. „Biotech ist teuer, und man braucht Durchhaltevermögen“, erklärt Kieback. Da die technologische Plattform bereits weit entwickelt war, fanden sich schnell interessierte VC-Investoren – die meisten aus den USA. „Auf Biotech ausgerichtete VC-Investoren gibt es in Europa einfach zu wenige“, so Kieback. T-knife warb Wagniskapital in den USA ein, den Hauptsitz verlagerte man nach San Francisco, auch um die langfristige Finanzierung über einen eventuellen Börsengang zu sichern. Einem solchen Initial Public Offering (IPO) an der Nasdaq hätte sonst das deutsche Gesellschaftsrecht entgegengestanden. „Ein Gesellschaftsrecht wie etwa das niederländische hätte uns als deutsche GmbH den IPO prinzipiell ermöglicht“, ergänzt Kieback. Ob Berlin zum Deep-Tech-Star wird, liegt also nicht allein an der Landesregierung, sondern auch am Bund. Etwa bei der Regulierung von künstlicher Intelligenz (KI). Sollte diese in Deutschland zu strikt ausfallen, hat das Folgen – bis hin zur Verlagerung von Unternehmen ins Ausland. Das wäre jedenfalls das Worst-Case- Szenario für Exazyme. Das Spin-off der Freien Universität um Ingmar Schuster, Jelena Ivanovska und Philipp Markert nutzt KI, um Enzyme schneller und zielgenauer als bisher zu modifizieren. Anwendungsfelder finden sich etwa in der Nahrungsmittelindustrie, wo Prozesse mit Exazymes Innovation ressourcenschonender als bisher ablaufen könnten. Das Start-up ist ein Vorzeigeprodukt des Berliner Ausgründungsbetriebs: EXIST- und IBB-gefördert, arbeitet es mittlerweile im Entrepreneur- ship Zentrum (K.I.E.Z.) im Zukunftsort Technologie-Park Humboldthain. „Die Frühphasenförderung in Berlin ist gut aufgestellt“, bestätigt Philipp Markert, der bei Exazyme die Geschäftsentwicklung und den Vertrieb verantwortet. Die hohe Dichte an Hochschulen und Instituten schaffe Vernetzungs- und Kooperationsmöglichkeiten wie an keinem anderen deutschen Standort. Bei anderen Standortfaktoren gibt es eher Nachholbedarf. Laborkapazitäten für Gründungen und bezahlbare Büroflächen etwa sind knapp. „Man braucht ein gutes Netzwerk und etwas Glück, um da ranzukommen“, meint Markert. Und wie schaut es mit der Vernetzung in die lokale Wirtschaft aus? Das sei schwierig, so Markert. Es gebe einfach wenige Unternehmen in der Region, die geeignet und offen für Kooperationen mit einem Deep-Tech-Start-up wie ihrem seien. Eine Erfahrung, die auch andere Tech-Gründer bestätigen. So etwa Dirk Radzinski, Gründer der xolo GmbH. Er benötigt Technologie-Marktführer und Headquarters als Kooperationspartner und Kunden. Das Verfahren, das xolo entwickelt hat, nennt sich Xolographie. „Wir drucken mit Licht. Im Grunde frieren wir Hologramme im Raum ein“, erklärt Radzinski. Dabei bilden sich in einer Flüssigkeit am Schnittpunkt zweier Laserstrahlen feste Strukturen. Innerhalb weniger Minuten lassen sich so Objekte drucken, deren Produktion bisher Stunden dauerte – oder überhaupt nicht möglich war. Vor allem in der Medizintechnik bieten sich zahlreiche Anwendungsfälle. Den naheliegenden Schluss, dass die Capital Health Region dafür ein Übermaß an Kunden und Kooperationspartnern biete, mag Radzinski nicht bestätigen: „Wenn wir Kunden oder Kooperationspartner suchen, müssen wir mit den Firmenzentralen für uns interessanter Unternehmen sprechen – und die sind meist nicht in Berlin.“ Noch bestehe das Netzwerk der Deep-Tech-Ökonomie in der Region aus relativ wenigen UnterSteffen Terberl Leiter Geschäftsstelle Berliner Zukunftsorte Im Vergleich zu Oxbridge und Tel Aviv steckt das Ökosystem hier zwar nicht mehr in den Kinder-, aber in den Teenagerschuhen. FOTOS: EXAZYME/FREDERIKE VAN DER STRAETEN, XOLO GMBH Berliner Wirtschaft 05 | 2023

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