Berliner Wirtschaft Mai 2022

Zugang zum Wirtschaftsarchiv Die Bestände des Berlin-Brandenburgischen Wirtschaftsarchivs (BBWA) können nach Vereinbarung eingesehen werden. Kontakt und Infos: bb-wa.de Das Unternehmen von Julius Pintsch hatte so einiges zu bieten, besonders und international erfolgreich aber waren die Produkte rund ums Gas von Björn Berghausen (BBWA) Von Zählern und Leuchten A ls der Pintsch-Konzern 1956 seinen hun- dertsten Geburtstag feierte, wunderte sich die Presse über diesen Gemischtwarenla- den: von Erdöl bis Hüttenwesen, vonWas- seraufbereitung bisWärmetechnik, von Apparate- bau bis zur Elektro- und sogar Kerntechnik reichte das Geschäftsfeld. Allerdings war der zu diesem Zeitpunkt als Pintsch-Bamag AG firmierende Konzern eine historisch gewachsene Sammlung einzelner Unternehmen. Das Datum 1856 bezog sich auf einen Kölner Konzernteil. Die Julius Pintsch KG hingegen startete am 26. April 1843 am Stralauer Platz 4 in Friedrichs- hain. Der junge Klempnermeister Julius Pintsch (1815–1884) verbesserte 1847 die bisher nur impor- tierten englischen Gaszähler („Gasmesser“). Der Durchbruch gelang mit dem Boom der Eisen- bahn und deren Innenbeleuchtung: Nach einem Patent seines Sohns Richard belieferte Pintsch ab 1868 deutsche und internationale Eisenbahn- gesellschaften mit Fettgas-Petroleum-Lam- pen. 1888 fuhren weltweit 51.000 Waggons mit Pintsch-Leuchten. Der Sitz befand sich am Ostbahnhof, in der großen Fabrik in Fürstenwalde widmeteman sich auch dem Bau von Eisenbahnsignalanlagen und der Beleuchtung von Seezeichen. Im Suezkanal etwa oder im Hafen von Petersburg schwam- men Leuchtbojen von Pintsch. 1913 fertigten 5.500 Arbeiter alles, was mit Gas zu tun hatte – Gaszäh- ler, Gasleuchten, Gasbehälter. Nach demEinbruch imErstenWeltkrieg stieg Pintsch zumzweitgröß- ten Glühlampenhersteller hinter Osram auf. In den 1920er-Jahren begann der Fusions- prozess: 1909 entstand die Bamag aus der Ber- lin-Anhaltischen Maschinenbau AG und dem Kölner Partner, 1924 durch Zusammengehen mit Franz Meguin & Co. die Bamag Meguin AG, bei der die Julius Pintsch KG Mehrheitsaktionär wurde. Die KG verlor nach dem Krieg das gesamte Anla- gevermögen in Ost-Berlin und Dessau und ver- schmolz als reine Vermögensverwaltung 1953 zur Pintsch-Bamag AG. Andere Werke standen in Butzbach, Konstanz und Dinslaken. Nach dem Wiederaufbau spezialisierte sich das Berliner Werk auf den Bau von Chemiean- lagen für die Salpeter- und Phosphatsäureerzeu- gung und von Düngemitteln. 1970 ging der Kon- zern endgültig pleite, einzelne Werke existieren aber unter dem Namen bis heute. An einen der vier Pintsch-Söhne erinnert der Name Oskar-He- lene-Heim, das die Eheleute Oskar und Helene Pintsch gestiftet haben. ■ Der Klempnermeister Julius Pintsch startete in den 1840er-Jahren mit seiner Fabrik für Gaszähler durch FOTOS: BBWA BRANCHEN | Historie 40 IHK BERLIN | BERLINER WIRTSCHAFT 05 | 2022

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