Berliner Wirtschaft Mai 2021

bestellt, die die zusätzliche Energie für das Pres- sen des Mülls verlässlich bereitstellen können. Auch bei den Nutzfahrzeugen mit schweren Pumpen von Wasserbetrieben oder Feuerwehr wäre ein Batterieantrieb schnell am Ende sei- ner Kapazität. Die Ladezeiten von Wasserstoff- antrieben sind vergleichbar mit dem Tanken von Benzin oder Diesel, und die Reichweite mit einemKilogrammWasserstoff entspricht in etwa 100 KilogrammBatterie. Nachhaltiger Wasserstoff ist auch die Basis zur Herstellung synthetischer Kraftstoffe für die Bereitstellung klimaneutralen Kerosins am Berliner Flughafen BER. Noch ist die Produktion vergleichsweise teuer. Ähnlich wie bei Photovoltaik und Windenergie müssen industrielle Prozesse aufgebaut werden, um skalieren zu können und mithilfe von Mas- senproduktion eineWettbewerbsfähigkeit zu fos- silen Brennstoffen herzustellen. Dies wird in den kommenden Jahren erfolgen. Bis 2030 werden zu diesemZweck 400 Mrd. Euro in der EU investiert. Warumdieser massive Eingriff in dieWirtschaft? Die Energiewende ist ins Stocken geraten. Erneu- erbare Energieproduktionwird abgeregelt. Wind- räder stehen still. Bezahlt wird für nicht produ- zierten Strom: 1,34 Mrd. Euro 2018 und 2019 allein in Deutschland, Tendenz steigend. Effizienz geht anders. Das Generationsprojekt der Energiewende ist erst am Ziel, wenn regenerative Energie zeit- lich und räumlich stets verfügbar ist. Nach heu- tigem Stand gibt es auf der Welt keinen zweiten Energieträger, der diese Herausforderung besser lösen kann und leichter zu gewinnen ist, dessen Vorkommen unbegrenzt ist und dessen Einsatz- möglichkeiten vielfältiger sind als Wasserstoff. Dies ist ein zentraler Grund, warum die Ein- führung einer Wasserstoffökonomie einer der wesentlichen Eckpfeiler des Green Deals ist, dem größten jemals angeschobenen Vorhaben der EU. Im Gegensatz zum asiatisch dominier- ten Batteriemarkt hat Europa die Chance, seine weltweit führende Kompetenz in Prozess- und Anlagentechnik auszubauen. Dabei kann den Menschen nach dem Kohleausstieg eine nach- haltige Zukunftsperspektive geboten werden. Nach Rechnungen der EU könnten bis 2050 bei der Entwicklung der neuenWasserstoffökonomie bis zu 5,4 Mio. neue Arbeitsplätze entstehen. Daher schwenkt auch die Bundesrepublik Deutschland mit einer eigenen Wasserstoffstrategie ein und formuliert den Anspruch einer weltweit führen- den Rolle bei der Entwicklung der Wasserstoff- technologie und deren Anwendung. Für den Hochlauf der Wasserstoffökonomie mit den entsprechenden Förderoptionen gibt es ein begrenztes Zeitfenster, das es auch für Ber- lin zu nutzen gilt. Für die Hauptstadt bietet sich eine einmalige Chance, eine Vorreiterrolle ein- zunehmen, gerade in einem Sektor, der aus nati- onaler Sicht erst zu einem späteren Zeitpunkt mit Wasserstoff dekarbonisiert werden soll. Der Gebäudesektor ist mit etwa 50 Prozent der größte CO 2 -Emittent der Stadt. Berlin kann dort, gemessen an den selbst gesteckten Zielen, nicht mit dem bisherigen Tempo die Emissionen redu- zieren. Wasserstoff hier einzuführen, bietet die Möglichkeit, jetzt verfügbare Mittel für die Stadt zu nutzen, Wissen aufzubauen, das andere später gebrauchen werden, und damit demWirtschafts- standort Berlin einen Vorteil zu verschaffen. Das ist die Basis für die Gründung von H2Ber- lin, einer Vereinigung der Versorger, Entsorger und weiterer Wirtschaftshäuser der Stadt. H2Ber- lin teilt die Überzeugung der EU-Kommission und der Bundesregierung, dass zum Erreichen von Energiewende und Klimaneutralität auch die FOTOS: GETTY IMAGES/BLOOMBERG CREATIVE, FOTOSTUDIO CHARLOTTENBURG H2Berlin-Hub West: Müllheizkraftwerk Rudow (Waste-to-Hydrogen, Nutzfahrzeuge), Kraft- werk Reuther West (KWK, netzdienliche Services), Siemensstadt 2.0 (BHKW, Mobilität inkl. ÖPNV), Behala (Hafenlogistik, Schifffahrt), Urban Tech Republic Tegel H2Berlin-Hub Ost: Kraftwerk Marzahn (KWK, H2-Elektrolyse, H2-Mobilität) H2Berlin-Hub Süd: BER (Flughafenlogistik, synthetisches Kerosin, Elektrolyse), Kläranlage Waßmannsdorf (Waste- water-to-Hydrogen, Nutz- fahrzeuge, Elektrolyse), Quartier Neulichterfelde (Mobilität inkl. ÖPNV), Mercedes-Benz Werkge- lände Marien- felde, Technologiepark Adlershof Weitere Informationen H2Berlin.org H2Hub West H2Hub Süd H2Hub Ost Wasserstoff-Hubs in Berlin Stand heute gibt es keinen Energieträger, der die klimatischen Herausforderungen besser lösen kann als Wasserstoff Grafiken: BW Quelle: BEK Monitoringbericht 2020 Enwicklung der Sektoren Wärme und Verkehr Von 2012 bis 2017 haben sich die CO 2 -Emissionen im Wärmesektor deutlich verringert. Angaben in Mio. Tonnen Wärme Verkehr Ziele 10,3 8,8 7,6 2012 2017 2020 5,0 5,6 3,8 36 IHK BERLIN  |  BERLINER WIRTSCHAFT 05 | 2021

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