Berliner Wirtschaft Mai 2021

dern lässt. Zugleich machen sie deutlich, wel- che Bedeutung dem Standort Westhafen für den Wirtschaftsverkehr in der Hauptstadt zukommt. Es ist das größte Hafenareal Berlins – und zen- trumsnah in Moabit gelegen. „Sowohl für die Versorgung als auch für die Entsorgung einer wachsenden Stadtgesellschaft können wir mit kurzen Wegen auf der Straße den Wirtschafts- verkehr stadtverträglich gestalten“, freut sich Klaus-Günther Lichtfuß. Der Prokurist des Bereiches Logistik bei der Berliner Hafen- und Lagerhausgesellschaft mbH (Behala) treibt meh- rere ökologische Projekte voran, um die Vorteile des Standortes weiter auszubauen. Schubboot mit Brennstoffzelle Zwei von ihnen heißen „Elektra“ und „A-Swarm“. Unter demNamen „Elektra“ entwickelt die Behala weltweit das erste Kanalschubboot mit einem völlig neuen Energie- und Antriebskonzept für die Binnenschifffahrt. Es ist kein Verbrennungs- motor an Bord, die elektrische Energie kommt aus den Batterien und wird mit Wasserstoff und Luft in den Brennstoffzellen erzeugt. Noch in diesem Jahr soll das Schiff zu Wasser gelassen werden und in einer mehrjährigen Erprobungs- phase Testfahrten absolvieren. „Am Ende möch- ten wir ein innovatives, umweltfreundliches und marktfähiges Produkt zur Verfügung stellen, das die größtenteils ,betagte‘ konventionelle Flotte zukünftig ablösen kann“, so Lichtfuß. Bei dem Projekt „A-Swarm“ befasst sich die Behala mit autonom fahrenden Schiffseinheiten, die sowohl getrennt zu verschiedenen Umschlag- stellen als auch im Schubverband gekoppelt fah- ren können. Diese kleineren Schiffe werden umweltfreundlich mit elektrischer Energie aus Batterien und Brennstoffzellen versorgt und kön- nen ohne Bordpersonal dank einer Vielzahl an Radar- und Lasersensoren auch auf den kleineren Wasserstraßen in der Metropolregion eingesetzt werden. Dadurch, dass der Personalkostenan- teil bei diesen Transporten entfällt, ist auch der Betrieb kleinerer Schiffseinheiten wirtschaftlich darstellbar. An den über die ganze Stadt verteilten Anlegestellen holen Fahrradkuriere die Ladung anschließend ab und transportieren sie umwelt- freundlich bis an ihr Ziel. Die Demonstratoren im Projekt „A-Swarm“ werden voraussichtlich im dritten Quartal 2021 zu den ersten Testfahr- ten im Westhafen eingesetzt. Welche Bedeutung der Westhafen als Stand- ort für den klimafreundlichen Güterverkehr F abian Wirth arbeitet bei der Havelländi- schen Eisenbahn AG (HVLE). In Berlin- Spandau gehört der Bahnhof Johannes- stift mit mehreren Logistikgleisen sowie einer Ladestraße zu demUnternehmen. Westlich von Berlin betreibt die HVLE den Rangierbahn- hof Wustermark. Zu den Aufgaben des Vorstands- referenten gehört es, sich mit der Frage ausein- anderzusetzen, wie sich der Güterverkehr zwi- schen peripheren Logistikstandorten und Berlins Innenstadtbezirken nachhaltig von der Straße auf die Schiene verlagern lässt. Antworten darauf hat er gleichmehrere. „Bei- spielsweise bietet innovative Umschlagtechnik die Chance, zwischen dem Güterverkehrszent- rum in Wustermark 30 Kilometer westlich von Berlin und demBerliner Westhafen trotz der kur- zen Strecke Straßen- und Schienentransport effi- zient und wirtschaftlich zu verknüpfen“, erklärt Wirth. „Ab demWesthafen würden dann emissi- onsarme Lkws nur die letzte Meile zu den Filialen des Einzelhandels übernehmen: So könnten der Berliner Innenstadt zahlreiche Zubringerfahr- ten mit 40-Tonnern erspart werden.“ Das dazu- gehörige Konzept der „City-Logistik“ ist bereits fertig erarbeitet. Eine weitere gute Idee des Bahnunterneh- mens für eine nachhaltige Entlastung des Ver- kehrs in Berlin legt den Fokus auf die Baustellen- logistik. „In diesemBereich sehen wir die Chance und Notwendigkeit, vor allem bei der Ver- und Entsorgung von Großbaustellen wie etwa den Großvorhaben Siemens-Campus, TXL und Hasel- horst in Berlin verstärkt die Schiene einzusetzen“, so der Logistikexperte von der HVLE. Die Haupt- stadt verfügt derzeit noch über ein verhältnismä- ßig dichtes Schienennetz, an dem projektbezogen auch temporäre Ladestellen geschaffen werden können. Der Standort in Wustermark ließe sich dann als Umladebahnhof und zur Konsolidie- rung der Mengen nutzen. Von der Bahn auf den E-Lkw Auch die Deutsche Bahn bringt derzeit ein nach- haltiges Projekt auf die Schiene, unterstützt von der IHK Berlin. Im Mittelpunkt des Projektes steht der Transport von Waren für den Berliner Einzelhandel vom Güterbahnhof in Lehrte bei Hannover bis zum Berliner Westhafen mit einer anschließenden Verteilung durch E-Lkws in die einzelnen Bezirke der Hauptstadt. Die Beispiele zeigen, wie sich der Transport von Gütern in die Hauptstadt nachhaltig verän- Carolin Kruse Geschäftsführerin AEM Institute Die Verkehrsexpertin ist seit vergangenem Jahr eine von zwei Gründerinnen und Geschäftsführe- rinnen des Beratungs- unternehmens für gerechte und umweltfreundliche Mobilität. Im Mittel- punkt ihrer Arbeit steht seit Langem der Radverkehr. » Carolin Kruse Radfahrende Arbeitnehmende sind gesünder, zufriedener und motivierter. 82% der Wege in Berlin sollen nach den Vorgaben des neuen Stadtentwick- lungsplans Mobilität und Verkehr bis 2030 umweltfreundlich zurück- gelegt werden. FOTO: CHRISTIAN KIELMANN SCHWERPUNKT | Nachhaltige Mobilität 18 IHK BERLIN  |  BERLINER WIRTSCHAFT 05 | 2021

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