Der Flugverkehr in Europa boomt wieder, nur nicht in Deutschland. Vor allem am Flughafen Berlin-Brandenburg (BER) ist das Streckennetz weit unter dem Vor- krisenniveau. Bei der Anzahl an Langstreckenverbindungen liegt Berlin sogar auf dem Niveau von Lyon. Die Luftverkehrsinitiative fordert daher bessere politische Rahmenbedingungen von der neuen Bundesregierung. Denn fest steht: Wer die Poleposition in der Wirtschaft und im Tourismus will, muss abheben. Berlin fliegt hinterher Auf den ersten Blick scheinen es gute Nachrichten zu sein. Insgesamt 25,5 Millionen Passagiere nutzten im vergangenen Jahr den BER. Blickt man aber zurück auf die Zeit vor Corona, die in der Branche gern als Referenz verwendet wird, ergibt sich ein anderes Bild. So liegt der Erholungsgrad bei den Passagierzahlen für den BER gerade einmal bei 72 Prozent gegenüber 2019. Das Ergebnis ist damit niedriger als das Post-Corona-Erholungsniveau anderer Flughäfen in Europa. Bezogen auf die Zahl der Flüge, ergibt sich sogar ein weitaus niedrigerer Erholungsgrad von 67 Prozent. Das langsame Wachstum im Luftverkehr bekommt auch die Berliner Tourismusbranche zu spüren. Gerrit Buchhorn, Hauptgeschäftsführer des Hotel- und Gaststättenverbandes Berlin (Dehoga Berlin), bemerkt in einer Anhörung vor Parlamentariern im Abgeordnetenhaus, dass die Auslastung der Betriebe sowie die Gästezahlen nach wie vor nicht an die Zahlen von vor der Corona-Pandemie heranreichen würden. Andere Städte wie Hamburg, München oder Wien wären hier bereits weiter. Besucherzahlen nicht zufriedenstellend Gleiches lässt sich bei den Zahlen der Berliner Messebesucher beobachten. Waren es 2019 ungefähr zwei Millionen Messebesucher, so besuchten im Jahr 2023 nur noch 1,6 Millionen Messegäste die Stadt. Gibt es also einen Zusammenhang zwischen fehlenden Flugverbindungen und den Entwicklungen im Tourismus? Für Buchhorn lautet die Antwort: ja. Und für Mario Tobias, Berliner Messe-Chef, steht fest: „Internationale Aussteller und Fachbesucher sind die Triebfeder für den Erfolg unserer Veranstaltungen. Die Erreichbarkeit des Standorts für unsere Kunden aus aller Welt mit dem Flugzeug ist daher überlebenswichtig für unser Geschäftsmodell“, betont Tobias und unterstreicht, dass „wir uns deshalb gemeinsam mit starken Partnern für wettbewerbsfähige Standortbedingungen und eine zukunftsfähige Anbindung unserer Hauptstadtregion an das internationale Luftverkehrsnetz einsetzen“. Robert Rückel, Vizepräsident der IHK Berlin, hält fest: „Wer die Poleposition in der Wirtschaft und im Tourismus will, muss abheben.“ Die Berliner Wirtschaft wünscht sich mehr Direktziele etwa in den USA, Thailand oder Indien. Immer wieder genannt werden Boston, Washington sowie Bangkok und Delhi. Wer diese Ziele momentan von Berlin aus erreichen will, muss oft umsteigen, gute Nerven haben und viel Zeit mitbringen. Die Hauptstadt belegt im europäischen Ranking der Langstreckenverbindungen Jahr für Jahr einen der letzten Plätze. Umso größer ist die Euphorie, wenn Fluggesellschaften – wie kürzlich Eurowings auf der ITB – ankündigen, neue Direkt- verbindung vom Flughafen Berlin-Brandenburg aus anzubieten. Ab dem Winterflugplan 2025/26 will die Lufthansa-Tochter dreimal wöchentlich nach Abu Dhabi fliegen. Politik muss Rahmenbedingungen ändern Es sind vor allem die politischen Rahmenbedingungen, die Airlines in Deutschland stören. Im Vergleich zu anderen europäischen Staaten fallen beispielsweise die staatlichen Gebühren und Steuern an deutschen Flughäfen und somit auch am Hauptstadtflughafen BER wesentlich höher aus. Erst im Mai 2024 wurde die Luftverkehrssteuer in Deutschland auf 70,83 Euro für die Langstrecke angehoben. Zum Vergleich: In Österreich fallen nur zwölf Euro für die lange Distanz an. Länder wie Spanien, Polen und Irland erheben gar keine Luftverkehrssteuer. 2018 gegründet, ist die Luftverkehrsinitiative ein Zusammenschluss Berliner und Brandenburger Industrie- und Handelskammern sowie von Wirtschafts- und Tourismusverbänden der Hauptstadt. Ihr Ziel ist es, sich für eine bessere Erreichbarkeit der Hauptstadtregion einzusetzen. Inzwischen zählt sie zwölf Mitglieder. Neu hinzugekommen ist unter anderem die Messe Berlin. Damit die Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Luftverkehrsstandortes erhalten bleibt, fordert die Luftverkehrsinitiative von der neuen Bundesregierung die Umsetzung einer Reihe von Maßnahmen. Nicht nur müssen die hohen Steuern und Gebühren runter. Auch der Hochlauf von nachhaltigen Treibstoffen für Flugzeuge muss stärker gefördert werden. Mehr Flexibilisierung bei den bilateralen Luftverkehrsabkommen und Nachtflugzeiten steht ebenfalls auf der Liste der Forderungen. (Siehe auch S. 13) ■ Nachholbedarf: Das Aufkommen am BER bewegt sich noch unter Vor-Corona- Niveau, und die Zahl der Langstreckenflüge ist viel zu niedrig Mario Tobias CEO Messe Berlin Die Erreichbarkeit des Standorts für unsere Kunden aus aller Welt mit dem Flugzeug ist überlebenswichtig für unser Geschäftsmodell. André Schmiljun, IHK-Public-Affairs- Manager Nachhaltige Verkehrspolitik Tel.: 030 / 315 10-614 andre.schmiljun@ berlin.ihk.de FOTOS: PA/RAINER KEUENHOF, MESSE BERLIN GMBH Verkehrspolitik | 11 Berliner Wirtschaft 04 | 2025
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