Berliner Wirtschaft April 2025

Einzelhandel Studie zeigt Attraktivität und Perspektiven von Einkaufsstraßen Seite 34 Cybersicherheit Auch kleine und mittlere Unternehmen im Visier. Wo es Hilfe gibt Seite 56 Das Magazin der Industrie- und Handelskammer zu Berlin 04/2025 ihk.de/berlin Initiative Berlin braucht Langstrecken für den Wirtschafts- und Tourismusstandort. IHK appelliert an Politik Seiten 10 und 13 Abschied vom BehördenPingpong?! Klare Zuständigkeiten, weniger Auflagen, schnellere Verfahren: Was Unternehmer wie Bito-Chef Joachim Spitzley von der Verwaltungsreform erwarten Seite 18, Interview Seite 26

Nachhaltig wirtschaften – Abfälle recyceln Behälterbestellungen direkt im Onlineshop Kostengünstige und zuverlässige Entsorgung von Altpapier & Gewerbe- abfällen Bartscherer & Co. Recycling GmbH Entsorgungsfachbetrieb Montanstraße 17-21 I 13407 Berlin Tel: (030) 408893-0 I Fax: (030) 408893-33 E-Mail: bartscherer@bartscherer-recycling.de www.bartscherer-recycling.de

Sebastian Stietzel ist Präsident der IHK Berlin und Geschäftsführer der Marktflagge GmbH, Management & Investments Der Countdown läuft. Bis zur Sommerpause will Berlin die Verwaltungsreform beschließen. Man mag es kaum glauben. Schließlich gab es dazu in den letzten Jahrzehnten Dutzende Konzepte, Ankündigungen und Anläufe. Und dann siegte in der Partie Berlin gegen das Behörden-Pingpong doch wieder die organisierte Unzuständigkeit. Jetzt aber stehen die Zeichen auf Zeitenwende. (S. 18) Allerdings: Mit dem Beschluss allein ist noch nicht alles gut. Bis die Veränderungen tatsächlich bei den Bürgern und der Wirtschaft ankommen, ist es ein langer Weg. Natürlich wird die IHK den Transformationsprozess weiterhin konstruktiv begleiten. Am 4. Juni versammeln wir zum Beispiel Wirtschaft, Politik und Verwaltung im Ludwig Erhard Haus zum Forum Verwaltungsreform: mit Best-Practice-Beispielen für gelungene Behördendigitalisierung, innovativen Ideen für Verwaltungsservices sowie Diskussionen und Impulsen zur Verwaltung der Zukunft. (S. 21) Ich hoffe, wir sehen uns dort! Ihr Verkehrspolitik Seit Eröffnung des BER kamen die Verkehrs- minister aus Bayern oder Hessen, ihr Interesse am Hauptstadtairport wirkte unausgeprägt. Mit der neuen Bundesregierung eröffnet sich die Chance, den BER vor allem bei den Langstreckenverbindungen endlich international konkurrenzfähig zu machen. Seiten 10 und 13 Die „Berliner Wirtschaft“ gibt es auch online: ihk.de/berlin/ berliner-wirtschaft Zeitenwende in der Berliner Verwaltung ZEICHNUNG: ANDRÉ GOTTSCHALK; TITEL: AMIN AKHTAR Editorial | 03 Berliner Wirtschaft 04 | 2025

AGENDA 10 Verkehrspolitik Luftverkehrsinitiave will BER und den Standort stärken 12 Unternehmensführung Event „Women Take Future“ in der Nachfolgezentrale stellte Frauen in den Blickpunkt 13 Kolumne Robert Rückel adressiert Forderungen für den BER an den Bundesverkehrsminister 14 Vollversammlung IHK-Gremium schließt Mindestentgelte im Taxigewerbe nicht aus 15 Energiepolitik Stromnetz Berlin ändert Vergabeverfahren für große Netzanschlüsse 16 Industrie IHK fordert Unterstützung für Deep-Tech-Start-ups 17 Namibia IHK strebt mit dem afrikanischen Land Kooperationen an FOKUS 18 Verwaltungsreform Schlanke Prozesse und klare Zuständigkeiten sind das Ziel der lange überfälligen Reform 22 Unternehmenspraxis Secunet Security Networks, der Projekte-Entwickler 4K Concept und Why do birds über ihre Geschäftsmodelle 26 Interview Bito-Chef Joachim Spitzley erläutert, warum die Vergabeverfahren für kleine Firmen nicht zu leisten sind BRANCHEN 30 Luft- und Raumfahrt Die Neurospace GmbH will zum Mond und arbeitet dafür mit der Nasa zusammen 34 Standort Studie zeigt Beliebtheit von Berliner Einkaufsstraßen, aber auch Handlungsbedarf 36 Start-up Artur Szymanis über seine Salfy Easy Benefits GmbH 38 Klimaschutz Energiepolitische Bustour auf sehr konkreten Pfaden 39 Gründerstory Julia Gedeon bei der Wellkammer der IHK Berlin 40 Historie Schmuckhändler Richard Lebram war auch ein sozialer Arbeitgeber Namibia Nangula Uaandja, namibische Wirtschaftsförderin, kam zum Austausch ins Ludwig Erhard Haus 17 18 Verwaltungsreform Wenn die Fäden richtig gezogen werden, entstehen gute Verbindungen und funktionierende Prozesse Ich sehe die Verwaltungsreform als Basis für alle Verbesserungen im öffentlichen Bereich. Joachim Spitzley Vorstandsvorsitzender der Bito AG 26 Berliner Wirtschaft 04 | 2025 Inhalt | 04

03 Editorial | 06 Entdeckt | 33 Impressum | 49 Seminare 65 Gestern & Heute 66 Zu guter Letzt FACHKRÄFTE 42 Digitale Bildung Lab der IHK soll Basis für EdTech Hub Berlin werden 44 Berufsorientierung Positive Resonanz auf IHK- und „Tagesspiegel“-Event 48 Praktikum Viele Berliner Unternehmen profitieren von IHK-Initiative 50 Ehrenamt Dinner im Ludwig Erhard Haus für Prüfer und Prüferinnen 52 Verbundausbildung Märkisches Landbrot setzt auf Qualität in der Ausbildung SERVICE 56 Cybersicherheit IHK und LKA Berlin bieten Sprechstunde für Betriebe an 58 Lieferverkehr Neuer Leitfaden kann ein altes Problem lösen 60 Beratung Wer dieses Jahr am 8. Mai sein Geschäft öffnen darf 61 Klimaschutz Strengere Regulierung bei fluorierten Treibhausgasen 62 Marketing Neuer IHK-Service: das „1x1 zur Weiterempfehlung“ Berufsorientierung Rund 80 Schülerinnen und Schüler besuchten die Veranstaltung „Entdecke deine Perspektive“ 44 Schreiben Sie uns Worüber möchten Sie in der „Berliner Wirtschaft“ informiert werden? Senden Sie Ihre Anregungen per Mail an: bw-redaktion@berlin.ihk.de FOTOS: STOCKSY.COM/MARTI SANS, IHK BERLIN/KONSTANTIN GASTMANN (2), AMIN AKHTAR Berliner Wirtschaft 04 | 2025 Inhalt | 05 Meet us at FESPA EXPO 2025 Hall 5.2 | Booth C50 Exhibition systems made easy Nothing to hide cornect-exhibition.com All about the system:

Von wegen: Alles für die Katz. Richard Gottlob (Foto) und Patrick Frauenheim betreiben ihr Catnip Coffee mit ebenso viel Freude wie Ernsthaftigkeit und langem Atem. Die Idee stammt aus Asien, wo Katzencafés verbreitet sind. Bevor die beiden alten Freunde – ohne jede Gastronomieerfahrung – an der Warschauer Straße in Friedrichshain durchstarteten, hatten sie in etlichen Ländern recherchiert. Mal waren sie dabei von Tierschutzmängeln, mal von der Qualität der Cafés ernüchtert. Im 2023 eröffneten Catnip Coffee kommen die Katzen aus dem Tierheim, über alles wacht das Veterinäramt. Das Café ist kein Streichelzoo, allein die Anwesenheit der Tiere soll beruhigend wirken. Weil sie Rückzugsräume haben, sieht man sie nicht immer. Inzwischen gibt es sogar Catnip-Coffee-Merchandising-Artikel. Kein Zweifel: nicht die letzte Idee des Betreiberduos. Kaffee in getigerter Gesellschaft FOTO: ULRICH SCHUSTER Berliner Wirtschaft 04 | 2025 Entdeckt | 06

Entdeckt | 07 Berliner Wirtschaft 04 | 2025

„Die aktuellen Arbeitsmarktzahlen für Berlin sind alarmierend: Die Arbeitslosenquote ist auf 10,2 Prozent gestiegen. Neben der künftigen Bundesregierung ist auch die Landespolitik gefragt. So wäre jetzt die Gelegenheit, den Rückzug von der geplanten Ausbildungsumlage zu vollziehen. Diese Zwangsabgabe schadet dem Standort, weil sie die Berliner Unternehmen im nationalen und internationalen Wettbewerb zusätzlich belastet.“ Aus den schlechten Arbeitsmarktzahlen sollte auch die Landespolitik Konsequenzen ziehen Rückzug von der Ausbildungsumlage gesagt Nicole Korset-Ristic, Vizepräsidentin IHK Berlin 468 Patentanmeldungen wurden im vergangenen Jahr beim Deutschen Patent- und Markenamt von Forschenden aus Berlin eingereicht. Das sind acht Patente weniger als im Jahr zuvor. Im gesamten Bundesgebiet stieg die Zahl hingegen um vier Prozent auf rund 40.000. kopf oder zahl Stefan Buhr Friede Springer ist zum 1. April in die Geschäftsführung der „Tagesspiegel“-Gruppe eingetreten und wird zusammen mit Nicolas Köhn das Unternehmen leiten. Sein Vorgänger Gabriel Grabner hat den „Tagesspiegel“ Ende März auf eigenen Wunsch verlassen. Buhr hat langjährige Erfahrung als Gestalter der digitalen Transformation bei der „FAZ“ vorzuweisen. ist mit der Ehrenbürgerwürde des Landes Berlin ausgezeichnet worden. Die Vorsitzende des Vorstands der Axel Springer Stiftung „prägte die deutsche Medienlandschaft als Berliner Unternehmerin entschieden. Bemerkenswert sind auch ihre gemeinnützigen Tätigkeiten in den Bereichen Wissenschaft, Kunst, Kultur und Bildung“, heißt es in der Begründung. FOTOS: IMAGO/FUTURE IMAGE, WOLFGANG EILMES, AMIN AKHTAR, GETTY IMAGES/MICHAEL BODMANN Berliner Wirtschaft 04 | 2025 Kompakt | 08

2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 2022 2023 2024 in Millionen Quelle: Statistik Berlin Brandenburg 30,3 31,1 31,2 32,9 34,1 12,3 14,0 26,5 29,6 30,6 3,4 % mehr Übernachtungen und 5,2 Prozent mehr Besucher wurden 2024 registriert. Simone Blömer, IHK-Expertin für Tourismus Tel.: 030 / 315 10-432 simone.bloemer@berlin.ihk.de Berlin-Tourismus belebt sich weiter Seit 2021 steigt in den Beherbergungsbetrieben die Zahl der Übernachtungen an, sie bleibt aber unter dem Vor-Corona-Niveau berliner wirtschaft in zahlen Grafiken: BW Kfz-Handel Weniger Umsatz, mehr Mitarbeiter Im Berliner Kfz-Handel sanken die Umsätze 2024 real um 4,9 Prozent. Die Zahl der Beschäftigten stieg indes um 4,4 Prozent, teilt das Amt für Statistik Berlin-Brandenburg mit. Betrachtet man die einzelnen Segmente, verlief die Entwicklung unterschiedlich. Besonders betroffen war der Handel mit Kraftfahrzeugen, der real 11,1 Prozent seines Umsatzes verlor. Bei Instandhaltungen und Reparaturen von Kfz verzeichnete die Branche einen realen Rückgang von 1,3 Prozent. Der Handel mit Kfz-Teilen und -Zubehör legte um 7,8 Prozent zu. bw Kompakt | 09

Berlin braucht mehr Langstreckenverbindungen und bessere politische Rahmenbedingungen. Das fordert die Luftverkehrsinitiative, zu der auch die IHK gehört von André Schmiljun Wer die Poleposition will, muss abheben 25,5 Mio. Passagiere nutzten 2024 den BER. Die Zahlen steigen zwar wieder, liegen aber nur bei 72 Prozent des Aufkommens von 2019 – vor Corona. Berliner Wirtschaft 04 | 2025 agenda

Der Flugverkehr in Europa boomt wieder, nur nicht in Deutschland. Vor allem am Flughafen Berlin-Brandenburg (BER) ist das Streckennetz weit unter dem Vor- krisenniveau. Bei der Anzahl an Langstreckenverbindungen liegt Berlin sogar auf dem Niveau von Lyon. Die Luftverkehrsinitiative fordert daher bessere politische Rahmenbedingungen von der neuen Bundesregierung. Denn fest steht: Wer die Poleposition in der Wirtschaft und im Tourismus will, muss abheben. Berlin fliegt hinterher Auf den ersten Blick scheinen es gute Nachrichten zu sein. Insgesamt 25,5 Millionen Passagiere nutzten im vergangenen Jahr den BER. Blickt man aber zurück auf die Zeit vor Corona, die in der Branche gern als Referenz verwendet wird, ergibt sich ein anderes Bild. So liegt der Erholungsgrad bei den Passagierzahlen für den BER gerade einmal bei 72 Prozent gegenüber 2019. Das Ergebnis ist damit niedriger als das Post-Corona-Erholungsniveau anderer Flughäfen in Europa. Bezogen auf die Zahl der Flüge, ergibt sich sogar ein weitaus niedrigerer Erholungsgrad von 67 Prozent. Das langsame Wachstum im Luftverkehr bekommt auch die Berliner Tourismusbranche zu spüren. Gerrit Buchhorn, Hauptgeschäftsführer des Hotel- und Gaststättenverbandes Berlin (Dehoga Berlin), bemerkt in einer Anhörung vor Parlamentariern im Abgeordnetenhaus, dass die Auslastung der Betriebe sowie die Gästezahlen nach wie vor nicht an die Zahlen von vor der Corona-Pandemie heranreichen würden. Andere Städte wie Hamburg, München oder Wien wären hier bereits weiter. Besucherzahlen nicht zufriedenstellend Gleiches lässt sich bei den Zahlen der Berliner Messebesucher beobachten. Waren es 2019 ungefähr zwei Millionen Messebesucher, so besuchten im Jahr 2023 nur noch 1,6 Millionen Messegäste die Stadt. Gibt es also einen Zusammenhang zwischen fehlenden Flugverbindungen und den Entwicklungen im Tourismus? Für Buchhorn lautet die Antwort: ja. Und für Mario Tobias, Berliner Messe-Chef, steht fest: „Internationale Aussteller und Fachbesucher sind die Triebfeder für den Erfolg unserer Veranstaltungen. Die Erreichbarkeit des Standorts für unsere Kunden aus aller Welt mit dem Flugzeug ist daher überlebenswichtig für unser Geschäftsmodell“, betont Tobias und unterstreicht, dass „wir uns deshalb gemeinsam mit starken Partnern für wettbewerbsfähige Standortbedingungen und eine zukunftsfähige Anbindung unserer Hauptstadtregion an das internationale Luftverkehrsnetz einsetzen“. Robert Rückel, Vizepräsident der IHK Berlin, hält fest: „Wer die Poleposition in der Wirtschaft und im Tourismus will, muss abheben.“ Die Berliner Wirtschaft wünscht sich mehr Direktziele etwa in den USA, Thailand oder Indien. Immer wieder genannt werden Boston, Washington sowie Bangkok und Delhi. Wer diese Ziele momentan von Berlin aus erreichen will, muss oft umsteigen, gute Nerven haben und viel Zeit mitbringen. Die Hauptstadt belegt im europäischen Ranking der Langstreckenverbindungen Jahr für Jahr einen der letzten Plätze. Umso größer ist die Euphorie, wenn Fluggesellschaften – wie kürzlich Eurowings auf der ITB – ankündigen, neue Direkt- verbindung vom Flughafen Berlin-Brandenburg aus anzubieten. Ab dem Winterflugplan 2025/26 will die Lufthansa-Tochter dreimal wöchentlich nach Abu Dhabi fliegen. Politik muss Rahmenbedingungen ändern Es sind vor allem die politischen Rahmenbedingungen, die Airlines in Deutschland stören. Im Vergleich zu anderen europäischen Staaten fallen beispielsweise die staatlichen Gebühren und Steuern an deutschen Flughäfen und somit auch am Hauptstadtflughafen BER wesentlich höher aus. Erst im Mai 2024 wurde die Luftverkehrssteuer in Deutschland auf 70,83 Euro für die Langstrecke angehoben. Zum Vergleich: In Österreich fallen nur zwölf Euro für die lange Distanz an. Länder wie Spanien, Polen und Irland erheben gar keine Luftverkehrssteuer. 2018 gegründet, ist die Luftverkehrsinitiative ein Zusammenschluss Berliner und Brandenburger Industrie- und Handelskammern sowie von Wirtschafts- und Tourismusverbänden der Hauptstadt. Ihr Ziel ist es, sich für eine bessere Erreichbarkeit der Hauptstadtregion einzusetzen. Inzwischen zählt sie zwölf Mitglieder. Neu hinzugekommen ist unter anderem die Messe Berlin. Damit die Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Luftverkehrsstandortes erhalten bleibt, fordert die Luftverkehrsinitiative von der neuen Bundesregierung die Umsetzung einer Reihe von Maßnahmen. Nicht nur müssen die hohen Steuern und Gebühren runter. Auch der Hochlauf von nachhaltigen Treibstoffen für Flugzeuge muss stärker gefördert werden. Mehr Flexibilisierung bei den bilateralen Luftverkehrsabkommen und Nachtflugzeiten steht ebenfalls auf der Liste der Forderungen. (Siehe auch S. 13) ■ Nachholbedarf: Das Aufkommen am BER bewegt sich noch unter Vor-Corona- Niveau, und die Zahl der Langstreckenflüge ist viel zu niedrig Mario Tobias CEO Messe Berlin Die Erreichbarkeit des Standorts für unsere Kunden aus aller Welt mit dem Flugzeug ist überlebenswichtig für unser Geschäftsmodell. André Schmiljun, IHK-Public-Affairs- Manager Nachhaltige Verkehrspolitik Tel.: 030 / 315 10-614 andre.schmiljun@ berlin.ihk.de FOTOS: PA/RAINER KEUENHOF, MESSE BERLIN GMBH Verkehrspolitik | 11 Berliner Wirtschaft 04 | 2025

Beim Event in der Nachfolgezentrale Berlin ging es um weibliche Führung von Jana Pintz In Zukunft mehr Frauen Als Schirmherrin eröffnete Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey den zweiten Teil der Veranstaltung und betonte: „Für nachhaltigen wirtschaftlichen Erfolg und echte Vielfalt in der Wirtschaft brauchen wir mehr weibliche Perspektiven in der Unternehmenslandschaft.“ Man wolle daher mehr Frauen ermutigen, den Weg in die Selbstständigkeit zu gehen – nicht nur durch Neugründungen. Im September ist das Portal der Nachfolgezentrale Berlin online gegangen. Unter 462 Nachfolge-Interessierten sind gerade mal 94 Frauen registriert. „Diesen Anteil wollen und müssen wir steigern. Die Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe plant daher, die Finanzierung der Nachfolgezentrale auch für 2026 und 2027 sicherzustellen“, so Franziska Giffey weiter. „Frauen können alles. Das deutlich zu machen und dafür aktiv einzustehen, ist unsere Wirtschaftspolitik“, wie die Senatorin hervorhebt. Gemeinsam mit Manja Schreiner, Hauptgeschäftsführerin der IHK Berlin, erörterte Giffey anschließend Lösungsansätze, die im Workshop entwickelt worden waren. Dabei informierte Manja Schreiner über das umfangreiche Leistungsspektrum der IHK, das speziell für Frauen ausgelegt ist. Ihr Ziel ist es, mehr Transparenz und Vereinfachung für die entsprechenden Programme und Leistungen zu schaffen, um Frauen die Unterstützung zu bieten, die sie für ihren Weg in die Selbstständigkeit und Nachfolge benötigen. Das Event fand großen Anklang bei den Teilnehmerinnen und markiert den erfolgreichen Auftakt für eine Reihe von Veranstaltungen, die Frauen auf ihrem Weg in die Unternehmensnachfolge unterstützen sollen. ■ Frauen für Frauen: IHK-Haupt- geschäftsführerin Manja Schreiner, Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey und Moderatorin Silvana Jürgens (v. l.) Auf Einladung der Nachfolgezentrale Berlin trafen sich Anfang März Unternehmerinnen, angehende Gründerinnen, Nachfolgerinnen und Netzwerkpartner aus der Wirtschaft zum Nachfolge-Event „Women Take Future“. Zum Auftakt erarbeiteten die Teilnehmerinnen in einem Workshop Thesen, die aus Sicht der Frauen als hinderlich für die Selbstständigkeit und Nachfolge wahrgenommen werden. Hier wurden insbesondere die unzureichende Unterstützung bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie der Mangel an flexiblen Betreuungsangeboten für Kinder benannt. Laut DIHK-Nachfolgereport beträgt der Frauenanteil bei allen Übernahme-Interessierten nur 23 Prozent. Dabei wollen Frauen vor allem in der Gastronomie, im (Einzel-)handel und in Dienstleistungsbereichen einen Betrieb übernehmen. Franziska Giffey Wirtschaftssenatorin Die Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe plant, die Finanzierung der Nachfolgezentrale auch für 2026 und 2027 sicher- zustellen. Jana Pintz, IHK-Fachreferentin Unternehmensnachfolge Tel.: 030 / 315 10-582 jana.pintz@ berlin.ihk.de FOTO: NACHFOLGEZENTRALE BERLIN Nachfolgezentrale Weitere Informationen über das Portal unter: nachfolgezentrale- berlin.de AGENDA | Unternehmensführung | 12 Berliner Wirtschaft 04 | 2025

An den neuen Bundesverkehrsminister Es braucht endlich politische Rahmenbedingungen, die den Luftverkehrsstandort Deutschland und Berlin stärken – die Hauptstadt muss international konkurrenzfähig werden B erlin ist Sehnsuchtsort, pulsierende Metropole, politische Schaltzentrale und vieles mehr. Doch in einem entscheidenden Punkt hinkt die deutsche Hauptstadt hinterher: Unsere Erreichbarkeit per Flugzeug ist mangelhaft. Aus Asien, Afrika oder Amerika kommt man direkt nach wie vor nur nach Frankfurt oder München, nicht in die Weltstadt Berlin. Vergleichen wir uns mit den Benchmark- Städten in Europa – London, Paris oder Madrid –, können wir gar nicht mithalten. Während andere Metropolen von mehr als 100 Interkontinentalverbindungen profitieren, sind es in Berlin ganze acht. Das ist nicht nur ein Problem für die Berliner, sondern auch für Investoren, Touristen, Messebesucher und die gesamte Wirtschaftskraft im Osten Deutschlands. Nach der Pandemie befindet sich der Flugverkehr europaweit längst wieder auf Vor- krisenniveau, nur nicht in Deutschland. Die Rahmenbedingungen sind denkbar schlecht: Hohe Luftverkehrssteuern und Gebühren machen die deutschen Flughäfen unattraktiv. Erst im Mai 2024 wurde die Luftverkehrssteuer in Deutschland um mehr als 20 Prozent erhöht. Jeder Passagier zahlt 15,53 Euro für Kurzstrecken, 39,34 Euro für Mittelstrecken und 70,83 Euro auf der Langstrecke. Zum Vergleich: In Österreich liegt die „Langstreckensteuer“ bei 12 Euro – in Spanien, Polen, Irland und neu auch in Schweden existiert sie gar nicht. Das ist ein struktureller Wettbewerbsnachteil für deutsche Flughäfen – und besonders für den BER, der mehr internationale Anbindungen braucht. Die Verkehrsminister seit der BER-Eröffnung hatten kein Interesse an Berlin: Sie kamen aus Bayern oder Hessen und setzten sich für die Hubs in Frankfurt und München ein. Mit der neuen Bundesregierung kommt ein neuer Verkehrsminister oder erstmals eine Verkehrsministerin. Diese Chance darf nicht ungenutzt bleiben. Es braucht endlich politische Rahmenbedingungen, die den Luftverkehrsstandort Deutschland und Berlin stärken. Der Bund muss die Luftverkehrssteuer abschaffen und dafür sorgen, dass Berlin international konkurrenzfähig wird. Dazu gehört auch die Liberalisierung des Luftverkehrs, denn wir können schlecht Donald Trumps Zollpolitik kritisieren, während wir ausländische Fluglinien nicht landen lassen. Die gute Nachricht: Im Vergleich zu anderen verkehrspolitischen Entscheidungen ist Open Sky kostenfrei und kurzfristig wirksam. Der BER funktioniert am Boden besser als andere Flughäfen – er muss aber endlich in der Luft zum Tor zur ganzen Welt werden. Das ist nicht nur im Interesse Berlins, sondern der gesamten ostdeutschen Wirtschaft. Ein stark angebundener Hauptstadtflughafen wäre ein Signal an Investoren, Touristen und Unternehmen: Deutschland ist bereit für die Zukunft. ■ Meinung In der Kolumne „Auf den Punkt“ positionieren sich im monatlichen Wechsel Mitglieder des Präsidiums zu wirtschaftspolitischen Fragestellungen aus ihrer persönlichen Sicht. präsidiumsmitglieder beziehen stellung Robert Rückel ist Geschäftsführer der Deutsches Spionage Museum DSM GmbH und Vizepräsident der IHK Berlin FOTO: IHK BERLIN/AMIN AKHTAR Auf den Punkt | 13 Berliner Wirtschaft 04 | 2025

Themen der Sitzung am 19. März waren neben dem Taxigewerbe die Ausbildungsplatzabgabe und die Förderung von Deep-Tech-Start-ups von Holger Lunau Mindestentgelte als letztes Mittel Die IHK Berlin hat sich für Mindestentgelte im Taxigewerbe als letztes Mittel für einen fairen Wettbewerb ausgesprochen. Einen entsprechenden Beschluss fasste die Vollversammlung (VV) am 19. März mit deutlicher Mehrheit. Da es bei diesem Thema innerhalb von Politik und Wirtschaft strittige Meinungen gibt, wurde die Positionierung der IHK Berlin mit Spannung erwartet. Die Vollversammlung widersprach einer Empfehlung des IHK-Präsidiums, das eine Regulierung aus ordnungspolitischen Gründen grundsätzlich ablehnt. In Berlin sind gegenwärtig rund 5.400 Taxis und 2.600 Mietwagen zugelassen. Die IHK ist sich der Verwerfungen im Taxi- Gewerbe bewusst, wie IHK-Hauptgeschäfts- führerin Manja Schreiner betonte. Streng regulierten Taxi-Angeboten mit behördlich festgelegten Tarifen und Fiskaltaxametern stünden unregulierte und unkontrollierbare Mietwagenfahrten gegenüber. Die VV verabschiedete deshalb ein Positionspapier. Darin wird der Senat aufgefordert, zuallererst die Pflicht zur Benutzung fälschungssicherer Wegstreckenzähler sowie die Ortskennzeichenpflicht und Fahrer-Apps mit manipulationssicherer Fahrer- und Fahrzeugerkennung einzuführen. Zudem sollten Vermittlungsplattformen als Unternehmer gemäß § 1. Abs. 1a des Personenbeförderungsgesetzes reguliert werden. Erst wenn diese Maßnahmen nicht greifen, sollte an Mindestentgelte gedacht werden. Weiterhin befasste sich die VV zum wiederholten Mal mit der vom Berliner Senat angedrohten Ausbildungsplatzabgabe und lehnte diese ab. Die Abgabe soll erhoben werden, wenn bis zum Jahresende nicht 2.000 zusätzliche Ausbildungsverträge abgeschlossen werden. Und danach sieht es gegenwärtig aus. Nach Darstellung von Manja Schreiner müssten allein die 99 VV-Mitglieder, die insgesamt 35.000 Beschäftigte und 470 Azubis haben, zusammen netto 3,4 Mio. Euro Umlage pro Jahr zahlen, wenn Berlin das Umlagemodell von Bremen übernimmt. Das verdeutliche „den Wahnsinn“, so Schreiner. Das Skurrile daran ist, dass Ende 2024 fast genauso viele Ausbildungsplätze frei waren, wie es laut Arbeitsämter-Statistiken „unversorgte“ Jugendliche gab. (Siehe Link) Außerdem beschloss die Vollversammlung ein Positionspapier zum Thema Deep Tech (S. 16). Dieser Forderungskatalog an die Politik reiht sich ein in eine ganze Reihe von Aktionen der IHK, um Berlin als dynamischen Innovationsstandort mit starker Start-up-Szene und exzellenter Forschungslandschaft weiter voranzubringen. ■ Wichtige Themen auf der Agenda: Manja Schreiner, IHK-Hauptgeschäftsführerin, bei der Vollversammlung Position Weitere Informationen zur Ausbildungsplatzabgabe unter: ihk.de/berlin/umlage FOTO: IHK BERLIN/JENS AHNER AGENDA | Vollversammlung | 14 Berliner Wirtschaft 04 | 2025

Stromnetz Berlin ändert ab diesem Jahr das Vergabeverfahren für große Netzanschlüsse mit mehr als 3,5 Megavoltampere von Andreas Kubala Der Stromhunger nimmt rasant zu 3,5 Megavoltampere (MVA) verändert. Wer bisher zuerst kam, erhielt die Leistung. Für eine transparentere und diskriminierungsfreie Zuteilung der Kapazitäten größer als 3,5 MVA gilt nun ein jährlich rollierendes Verfahren, die Repartierung. Wenn die angefragte Menge die Kapazitäten im Netzgebiet übersteigt, wird die Leistung zunächst pro Kopf auf alle Antragsteller verteilt. Für 2025 werden die verfügbaren Kapazitäten bis zum Beginn des Verfahrens am 15. April veröffentlicht. Bis 30. Juni können Anschlussanfragen an repartierung@stromnetz-berlin.de gestellt werden. Insgesamt stellt das neue Verfahren eine Verbesserung dar, auch wenn nicht alle gleichermaßen profitieren. Kleinere Industrieanfragen haben bessere Chancen, während Rechenzentren ohne Teilleistungsoption vor Herausforderungen stehen. Anfragen für Netzanschlüsse mit einer Leistung unter 3,5 MVA werden weiterhin nach dem bisherigen Verfahren bearbeitet. Somit ändert sich für gut 99 Prozent der Anschlussanfragen nichts. Entscheidend für Berlin bleibt, dass der Netzbetreiber für den notwendigen Ausbau gerüstet ist – nur so können Energiewende und Digitalisierung nachhaltig gelingen. ■ Wärmewende, Elektromobilität und Digitalisierung steigern kontinuierlich den Strombedarf Das Berliner Stromnetz erlebt eine umfassende Transformation. Mit 71 Umspannwerken, 17 Netzknoten, 11.350 Netz- und Kundenstationen, 36.000 Kilometern Länge und 2,2 Gigawatt Kapazität ist das Netz bereits gut ausgebaut. Gleichzeitig entstehen neue Umspannwerke und Netzknoten, und Tausende Kilometer neuer Kabel werden verlegt. Denn der Berliner Verteilnetzbetreiber, Stromnetz Berlin, muss das Netz vorausschauend anpassen. Die Gleichzeitigkeit von Energie- und Wärmewende, dem Hochlauf der Elektromobilität und der Digitalisierung, gepaart mit einem Boom von Anfragen für Rechenzentren in der Hauptstadt, stellt das Stromnetz vor Herausforderungen. Um diesen gerecht zu werden, wird bis 2033 eine Verdopplung der Kapazität angestrebt, wie bei der Sitzung des IHK-Ausschusses Vernetzte und ökologische Stadt, die beim Verteilnetzbetreiber zu Gast war, aus erster Hand bestätigt wurde. Aktuell übersteigen große Anschlussanfragen bereits die verfügbare Leistung. Da insbesondere der Energiehunger der Digitalwirtschaft schneller wächst als das Stromnetz, wird das Vergabeverfahren für große Netzanschlüsse mit mehr als Andreas Kubala, IHK-Public-Affairs- Manager für Energiepolitik Tel.: 030 / 315 10-758 andreas.kubala@ berlin.ihk.de Vergabeverfahren Weitere Informationen zum Zuteilungsverfahren unter folgendem QR-Code: FOTO: ISTOCKPHOTO/FRANK WAGNER Energiepolitik | 15 Berliner Wirtschaft 04 | 2025

IHK Berlin formuliert Position zur massiven Förderung von Deep-Tech-Start-ups – es geht um einen neuen industriellen Mittelstand von Christian Nestler Höchste Zeit für die Aufholjagd Märkte oder schaffen diese erst, sie setzen Standards und technologische Monopole. Doch der Weg dahin ist lang und steinig. Zehn Jahre und mehr kann es dauern, bis eine Idee zum Produkt reift. Die Initialisierungskosten sind hoch. Deep Tech kann man nicht mit dem Laptop betreiben. Es braucht Labore, technische und wissenschaftliche Anlagen und ein Team von wissenschaftlichen Spitzenkräften. Mit anderen Worten: Es braucht sehr viel risikobereites Kapital, und dieses über lange Zeit. Kluge Köpfe, die das Risiko einer Gründung eingehen. Kooperative Universitäten. Raum und die Erlaubnis zum Experimentieren. Behörden, die diesen schaffen. Kooperationspartner aus der Wirtschaft. Öffentliche Mittel, die auf junge Deep-Tech-Gründungen zugeschnitten sind. Politik, die versteht, was Deep Tech ist und braucht. Auch wenn der Begriff etwas abgenutzt ist: Deep-Tech-Gründungen zu fördern, ihnen aktivierende Bedingungen zu bieten, ist eine Querschnittsaufgabe. Die neue Position der IHK Berlin: „#CityofDeepTech – Forschungsbasierte Startups als Wachstumsmotor für Berlin“ ist daher so lang wie der Titel. Auf 17 Seiten formuliert die Wirtschaft, was in Berlin und darüber hinaus zu tun ist, um Deep-Tech-Start-ups nach Berlin zu holen und dann zu erfolgreichen Scale-ups zu machen. Es geht um nichts weniger als die Schaffung eines neuen industriellen Mittelstandes. Dafür formuliert die Position, die am 19. März durch die Vollversammlung verabschiedet wurde, deutliche Maßnahmen: Eine allgemeine Bürokratiekritik des Förderwesens ist ebenso notwendig wie die Reform des „Unternehmen in Schwierigkeiten“-Begriffs der EU, Investors in Residence an den Hochschulen fehlen wie auch IP-Freistellungen oder eine Reform der EU-Kapitalmärkte. Aber soll die Aufholjagd starten und kein Wortgeplänkel bleiben, müssen die Maßnahmen schnell umgesetzt werden. ■ Was Deep Tech alles ermöglicht, offenbart sich selten auf den ersten Blick Position Die Forderungen der IHK finden Sie auf der Website unter: ihk.de/berlin/deep-tech-bw FOTOS: GETTY IMAGES/ISTOCKPHOTO/AKINBOSTANCI, FOTOSTUDIO CHARLOTTENBURG B erlin, Deutschland und Europa haben keine Zeit zu verlieren, in Schlüsselindustrien gegenüber den USA und China eine energische Aufholjagd zu starten. Deep-Tech-Gründungen sind dabei ein Schlüssel zum Erfolg. Diese Start-ups sind forschungsbasiert. Ihre meist aus der Wissenschaft stammenden Gründer und Gründerinnen wollen Technologie an der Grenze des aktuell Möglichen in Produkte übersetzen. Dazu zählen Tech-Felder wie KI, Robotik, Advanced Materials, Quantum-Technology, Grüne Chemie und Aerospace. Die Chancen sind enorm: Erfolgreiche Deep-Tech-Start-ups erobern Christian Nestler, IHK-Public-AffairsManager Gründungs- und Start-up-Politik Tel.: 030 / 315 10-286 christian.nestler@ berlin.ihk.de AGENDA | Industrie | 16 Berliner Wirtschaft 04 | 2025

Berliner Wirtschaft will enger mit Namibia kooperieren, das wurde bei einem Round Table in der IHK bekräftigt Gericht stuft Honorarkräfte als abhängig Beschäftigte ein, hohe Beitragsnachzahlungen drohen. IHK Berlin fordert Neuregelung Brückenschlag für Talente Urteil gefährdet private Schulen Berlin will mit Namibia wirtschaftlich enger kooperieren –sowohl im Ex- und Importgeschäft als auch bei der Ausbildung junger Namibier für den Berliner Arbeitsmarkt. Das sind die Ergebnisse eines Round Table Ende Februar im Ludwig Erhard Haus mit der IHK Berlin und der Chefin der nationalen Wirtschaftsförderung Namibias (NIPDB), Nangula Uaandja. Diese Informations- und Austauschveranstaltung reihte sich ein in eine ganze Palette ähnlicher Kontakte, deren Höhepunkt der Besuch des damaligen namibischen Staatspräsidenten Nangolo Mbumba im Oktober 2024 bei der IHK Berlin war. Namibia sucht demnach Investoren insbesondere für Energiegewinnung, Logistik, Fischerei und Tourismus. Beide Seiten bekräftigten bei dem Treffen auch ihren Willen, namibische Jugendliche in ihrer Heimat nach deutschen Standards auszubilden und ihnen dann die Chance zu geben, an der Spree einen Arbeitsplatz zu finden. Für IHK-Hauptgeschäftsführerin Manja Schreiner ist das Projekt „Talentebrücke“ eine Win-win-Situation für beide Seiten. Die jungen Namibier entgingen der Arbeitslosigkeit, und die Berliner Wirtschaft dürfe sich auf dringend benötigte Fachkräfte freuen. Die sollen insbesondere in den Bereichen Unternehmensdienstleistungen, Gastgewerbe, Handwerk und industrielle Fertigung zum Einsatz kommen. Unternehmen können sich auf unterschiedliche Arten am Projekt beteiligen, etwa durch die Abnahme fertig ausgebildeter Fachkräfte, durch Praktika und Stipendien oder die Entsendung von Ausbildern. lun Ein Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) – Az. B 12 R 3/20 R – sorgt für Unsicherheit in der Bildungsbranche. Obwohl eine Musikschullehrerin als freiberufliche Mitarbeiterin beschäftigt war, urteilte das Gericht, dass sie tatsächlich als abhängig Beschäftigte einzustufen ist. In der Folge wurden Honorarkräfte zunehmend als sozialversicherungspflichtig eingestuft. Wird die Tätigkeit einer Person als scheinselbstständig bewertet, drohen rückwirkend erhebliche Nachforderungen von Sozialversicherungsbeiträgen. Dies gefährdet nicht nur öffentliche Einrichtungen wie Musik- und Volkshochschulen, sondern auch private Bildungsanbieter wie Sprach- und Integrationsschulen. Gerade in Berlin mit seinem großen Bildungssektor sind die Folgen spürbar. Die IHK Berlin setzt sich für eine rechtssichere selbstständige Lehrtätigkeit ein. Sozialversicherungsbeiträge dürfen nicht rückwirkend erhoben werden, und es braucht klare Kriterien für die Anerkennung selbstständiger Tätigkeiten. Ein Erfolg war insoweit die Einführung des § 127 SGB IV. Lehrkräfte gelten danach rückwirkend und noch bis Ende 2026 als selbstständig. Die Übergangsregelung greift jedoch nur bei Zustimmung der Lehrkraft. Langfristig fordert die IHK eine gesetzliche Regelung, um die Freiberuflichkeit von Lehrkräften dauerhaft zu sichern. goc FOTO: IHK BERLIN/KONSTANTIN GASTMANN Die namibische Wirtschafts- förderin Nangula Uaandja (l.), IHK- Hauptgeschäftsführerin Manja Schreiner Julian Algner, IHK-Projektleiter Talentebrücke Tel.: 030 / 315 10-373 julian.algner@berlin.ihk.de Kompakt | 17 Berliner Wirtschaft 04 | 2025

INHALT 22 Zentrale statt Insellösung IT besser absichern: Secunet Security Networks AG 24 Schulen für die Digitalakte 4K Concept Gesellschaft für Projektentwicklung macht Behörden fit 25 Zentriert auf den Nutzer Public Design: Why do birds gestaltet öffentliche Dienstleistungen 26 „Öffentliche Ausschrei- bungen sind überladen“ Bito-Chef Joachim Spitzley im Interview So soll’s laufen Parteiübergreifend hat Berlins Politik längst fällige Reformen in der Verwaltung angestoßen. Gerade die Wirtschaft drängt auf schlanke Prozesse und ein Ende des Behörden-Pingpongs von Eli Hamacher FOTO: STOCKSY.COM/MARTI SANS Berliner Wirtschaft 04 | 2025 fokus

Der Countdown läuft. Gab es lange Zeit wenig Bewegung bei der für Berlin so wichtigen Verwaltungsreform, scheinen CDU und SPD jetzt Tempo machen zu wollen. Kein Wunder: Die Mammutreform gilt als wichtigstes Wahlversprechen des Regierenden Bürgermeisters Kai Wegner (CDU), der seit 2023 regiert. Die Legislaturperiode dauert aber nur noch bis zum kommenden Jahr. Ende Februar einigte sich die Senatskoalition aus CDU und SPD mit den Oppositionsfraktionen von Grünen und Linken auf eine Verfassungsänderung für die Verwaltungsreform. „Ein Durchbruch“, kommentierte Wegner im Anschluss. Bei der Verfassungsänderung geht es unter anderem um die Schärfung des Eingriffsrechts des Senats und um die Verankerung des sogenannten Konnexitätsprinzips. Danach dürfen zusätzliche Aufgaben nur dann den Bezirken übertragen werden, wenn die nötigen Ressourcen mitgeliefert werden – nach der Devise: „Wer bestellt, bezahlt.“ Das gemeinsame Vorgehen zur Beendigung des berlintypischen „Behörden-Pingpongs“ zwischen Senats- und Bezirksebene sei „einzigartig“ in Deutschland, so Wegner. Es sei keine Selbstverständlichkeit, dass sich Koalition, Opposition, Senat und Bezirke in dieser Form offen und sachgerecht austauschten. Ziel der Reform ist die klare Definition und Zuordnung » Verwaltungsreform | 19 Berliner Wirtschaft 04 | 2025

Berliner Wirtschaft 04 | 2025 der Aufgaben der Berliner Verwaltung. „Für die Unternehmen wird klar erkennbar sein, welche Verwaltung oder Behörde für welche Dienstleistung zuständig ist. Das wird auch transparent in einer öffentlich einsehbaren Datenbank dargestellt, sodass jeder schnell den richtigen Ansprechpartner finden wird“, unterstreicht Chief Digital Officer (CDO) Martina Klement. Bis zur Sommerpause, das Abgeordnetenhaus tagt letztmalig am 10. Juli 2025, soll die Reform stehen. Dass Wegners Koalition dringend noch in der laufenden Legislaturperiode liefern muss, steht für Sebastian Stietzel, Präsident der IHK Berlin, außer Frage. „2025 muss als das Jahr der Verwaltungsreform in die Geschichte Berlins eingehen. Dabei können wir uns etwas anderes als einen ,großen Wurf‘ nicht leisten, wenn wir die Potenziale Berlins endlich voll entfalten wollen.“ Dabei denkt Stietzel vor allem an das Wohl der Unternehmen. „Es ist vor allem die Berliner Wirtschaft als Power-User der Verwaltung, die unter den aktuell unklaren Zuständigkeiten, langwierigen Prozessen und Ineffizienzen leidet – damit muss endlich Schluss sein!“ Die Verwaltungsreform sei als Mutter aller Reformen die Grundlage für alle anderen Aktivitäten, wenn es um die Zukunftsfähigkeit unserer Stadt geht. Reform zur Chefsache gemacht Der Regierende Bürgermeister habe die Verwaltungsreform daher richtigerweise zur Chef- sache und deren Gelingen zum entscheidenden Momentum der aktuellen Legislatur erklärt. „Darin unterstützen wir ihn gern. Wir halten es darüber hinaus ausdrücklich für richtig und notwendig, dass der Senat im Zuge des Landesorganisationsgesetzes ebenso eine Verfassungsänderung für die Konkretisierung von Zuständigkeiten vorsieht“, unterstreicht Stietzel. Um die Zuständigkeiten zwischen Senat und Bezirken klar zu regeln, wurde beschlossen, das bisherige Allgemeine Zuständigkeitsgesetz (AZG) durch ein neues Gesetz zu ersetzen, das Landesorganisationsgesetz (LOG). Wie sehr vor allem die Wirtschaft unter schleppenden Verwaltungsabläufen leidet, belegt eine Zahl. „Im Schnitt hat ein Bürger in Berlin nur ein halbes Mal im Jahr mit der Verwaltung zu tun, ein Unternehmen jedoch 17 Mal, etwa um eine Genehmigung bei einem Amt einzuholen“, weiß Stefan Komoß, Geschäftsführer der 4K Concept Gesellschaft für Projektentwicklung mbH und ehemaliger Bürgermeister von Marzahn- Hellersdorf. „Wenn Verwaltung nicht funktio- niert, ist also ein Unternehmen viel stärker betroffen als ein einzelner Bürger.“ (S. Seite 24) Dass IHK-Präsident Stietzel mit seiner Forderung nach mehr Tempo einen Nerv trifft, belegen zahlreiche Umfragen. Die wurden zwar bundesweit erhoben, dürften aber auf Berliner Unternehmer und Bürger allemal zutreffen. „Für die Unternehmen ist der Standort Deutschland derzeit nur noch bedingt wettbewerbsfähig“, sagte DIHK-Präsident Peter Adrian bei der Vorstellung des DIHK-Unternehmensbarometers zur Bundestagswahl. Zwei Drittel der Befragten gaben an, dass sich die Qualität der Verwaltung verschlechtert habe. In einer Anfang Februar 2025 veröffentlichten Umfrage der DZ Bank unter mehr als 1.000 mittelständischen Unternehmen wurden die Effizienz und Digitalisierung deutscher Behörden mit mangelhaft bewertet. In Berlin mangelt es daran so sehr, dass etwa der „Tagesspiegel“ keinerlei Schwierigkeiten damit hat, regelmäßig in seinem „Checkpoint“-Newsletter Anekdoten rund um das berüchtigte Berliner Behörden-Pingpong zum Besten zu geben. Aus Sicht von CDO Martina Klement soll es jetzt zügig vorangehen. „Die Verwaltungsreform wird mit dem Beschluss des Landesorganisationsgesetzes im Sommer 2025 einen wichtigen Meilenstein erreichen. Danach werden die neuen Zuständigkeiten und Verfahren schrittweise etabliert – sodass sie ihre volle Wirkung entfalten“, sagt die Staatssekretärin zur Berliner Wirtschaft. Die Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe arbeite zudem daran, Antragsverfahren für die Unternehmen zu digitalisieren. Bereits heute seien im Digitalen Wirtschafts- service mehr als 80 Verfahren verfügbar. Bis Ende 2025 solle sich die Zahl mehr als verdreifachen. Martina Klement Chief Digital Officer Berlin Für die Unternehmen wird klar erkennbar sein, welche Verwaltung oder Behörde für welche Dienstleistung zuständig ist. FOTOS: STOCKSY.COM/MARTI SANS, IMAGO-IMAGES/FUNKE FOTO-SERVICE, IHK BERLIN/AMIN AKHTAR 17 Mal hat ein Unternehmen jährlich im Schnitt mit Berlins Behörden zu tun. Bei Bürgern ist es nur ein halbes Mal. 80 Verfahren sind aktuell im Digitalen Wirtschaftsservice verfügbar. Bis Ende des Jahres soll sich die Zahl verdreifacht haben.

Verwaltungsreform | 21 Berliner Wirtschaft 04 | 2025 Drei Viertel aller Gewerbe werden in Berlin heute digital angemeldet. In den vergangenen zwei Jahren hat der Berliner Senat laut Klement dafür gesorgt, dass zahlreiche Verwaltungsdienstleistungen digital verfügbar sind. Dazu zählt unter anderem die elek- tronische Wohnsitzanmeldung und -ummeldung. Diese Meldevorgänge machen im Jahr etwa ein Viertel der Bürgeramtstermine aus. Schon jetzt werden mehr als zehn Prozent der An- und Ummeldungen digital vorgenommen, so Klement. „Das entlastet die Behörden – und macht es Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Unternehmen leichter, die sich in Berlin niederlassen wollen.“ Darüber hinaus seien auch die Neuzulassungen und die Ummeldungen von Kraftfahrzeugen in Berlin heute online möglich. Alle Betroffenen einbezogen Dass die Verwaltungsreform nach zahlreichen misslungenen Anläufen jetzt kurz vor dem Abschluss steht, führen Beteiligte auch darauf zurück, dass alle Betroffenen einbezogen wurden. Zwischen Herbst 2023 und Herbst 2024 hatte die Senatskanzlei in einem umfangreichen Workshop-Prozess die Inhalte des neuen LOG erarbeitet. Dieser Prozess brachte eine große Zahl von Praktikerinnen und Praktikern aus der Berliner Verwaltung zusammen – vom Sachbearbeiter bis zum Abteilungsleiter, aus Bezirken, aus Landesämtern, aus Senatsverwaltungen. Der Prozess sah ausschließlich Angehörige der Verwaltung und keine direkte externe Beteiligung – etwa durch die Wirtschaft – vor. Um Feedback von außen einzuholen, hat die Senatskanzlei ein Beteiligungskonzept entwickelt. Im Rahmen dieser Beteiligung trifft sich der Regierende Bürgermeister regelmäßig mit den Hausspitzen von zum Beispiel der IHK Berlin, der Stiftung Zukunft Berlin und dem Verein Berliner Kaufleute und Industrieller, um sich zum Prozess auszutauschen. Ob die Reform hält, was sie verspricht, wird sich zeigen, wenn die Bestimmungen in das tägliche Verwaltungshandeln umgesetzt werden. Für Martina Klement steht fest: „Eine breite politische Unterstützung ist entscheidend, damit die neuen Regeln im Verwaltungsalltag tatsächlich umgesetzt werden und dauerhaft für Verlässlichkeit sorgen – sowohl für die Berlinerinnen und Berliner als auch für die Wirtschaft.“ ■ Sebastian Stietzel Präsident IHK Berlin Es ist vor allem die Berliner Wirtschaft als Power-User der Verwaltung, die unter Ineffizienzen leidet. Save the Date: IHK-Verwaltungsforum Die Verwaltung der Zukunft, innovativ muss sie sein, agil, digital ohnehin. Das richtige Ziel ist demnach gesteckt aber wie und wann werden wir es erreichen? Das IHK-Verwaltungs- forum am 4. Juni 2025, 9–17 Uhr, widmet sich diesen und vielen weiteren Fragen rund um eine leistungsfähige öffentliche Verwaltung. Neben Keynotes und Podiumsdiskussionen zu Querschnittsfeldern im Plenum werden in vier moderierten Expertenpanels spezifische Fragen von der Digitalisierung über den Bürokratieabbau bis zur Berliner Verwaltungsreform und einer neuen Verwaltungskultur diskutiert. Rednerinnen und Redner aus Politik, Verwaltung, Wirtschaft und Wissenschaft werden dabei im Ludwig Erhard Haus spannende Inputs geben und Best Practices vorstellen. Merken Sie sich schon jetzt den Termin vor – der Link zur Anmeldung folgt! Wir freuen uns auf Sie!

FOKUS | Verwaltungsreform | 22 Berliner Wirtschaft 04 | 2025 Peter Rost ist Direktor Business Development bei der secunet Security Networks AG Wir helfen, Deutschland vor einem Blackout zu schützen, angefangen von Kritischer Infrastruktur bis ins Regierungs- level. Peter Rost

Wenn Peter Rost über die Verwaltungsreform in der Hauptstadt spricht, gehen ihm die Themen so schnell nicht aus. Das komplexe Vorhaben treibt ihn ständig um: im Job, als Wahlberliner und selbst im Ehrenamt bei der IHK Berlin. Seit 2019 ist Rost beim Berliner Cybersecurity-Unternehmen secunet Security Networks AG als Direktor Business Development für Behörden zuständig. Als Dienstleister berät secunet Kunden rund um IT-Sicherheit und hilft ihnen, IT- Sicherheitsmanagementsysteme angriffsresistent zu gestalten. Das Unternehmen baut aber auch IT-Sicherheitsprodukte. Kunden sind Behörden, Polizei, Verteidigungsindustrie, Bundeswehr, Anbieter Kritischer Infrastrukturen (KRITIS) ebenso wie der Gesundheitssektor. Secunet gehörte unter anderem zu den Spezialisten, die die Berliner Arztpraxen an die Telematikinfrastruktur angeschlossen haben. „Wir helfen, Deutschland vor einem Blackout zu schützen, angefangen von Kritischer Infrastruktur bis ins Regierungs- level“, bringt es der Manager auf den Punkt. Prominentestes Produkt von secunet ist wohl das rote Kryptotelefon, das auf dem Schreibtisch des Bundeskanzlers steht. Beschäftigt werden deutschlandweit rund 1.000 Mitarbeitende, davon 300 in der Hauptstadt. Neben der Bundesverwaltung gehört auch die Berliner Verwaltung zu den secunet-Kunden, darunter das IT-Dienstleistungszentrum Berlin (ITDZ Berlin), das Dienstleistungen im Bereich von Daten- und Telekommunikation anbietet und auch Rechenzentren betreibt. „Eine große Herausforderung ist die Konsolidierung der IT in den Berliner Behörden. Viele Behörden betreiben noch ihre eigene IT. „Da die IT aber immer komplexer wird, ist es mit Blick auf die Personalnot kaum noch zu leisten, die IT angriffsresistent zu machen“, so Rost. Die IT müsste vielmehr zentral zum Beispiel vom ITDZ gemanagt und abgesichert werden, statt in Insellösungen betrieben zu werden. Sie wäre dann sicherer und besser wartbar. „Dafür müsste aber sehr viel Überzeugungsarbeit geleistet werden, damit die Behörden auf externe Dienstleister vertrauen, statt sich im Haus selbst zu kümmern. Ein Selbstläufer ist das nicht“, weiß Rost. Konstruktiv im IHK-Netzwerk mitwirken Seit drei Jahren engagiert sich der gebürtige Hesse ehrenamtlich im Ausschuss Funktionierende Stadtverwaltung der IHK Berlin. 29 Mitglieder aus Unternehmen unterschiedlichster Branchen treffen sich regelmäßig, um sich untereinander sowie mit Verwaltungswissenschaftlern oder zum Beispiel mit Experten von Behörden auszutauschen. „Es kann nicht sein, dass wir nur die Verwaltung pauschal kritisieren. Ich sehe es auch als meine Aufgabe, konstruktiv an Verbesserungen mitzuwirken“, beschreibt Rost seine Motivation. Dieses große Netzwerk biete eine ideale Plattform, um Veränderungen anzustoßen und mitzugestalten. Auch als Bürger und Wahlberliner beschäftigt Rost die Berliner Verwaltung. Eigentlich sei die neue Berliner Regierung 2023 mit dem Versprechen angetreten, dass die Bürger binnen 14 Tagen einen Termin beim Amt bekommen. „Davon sind wir jedoch weit entfernt“ ärgert sich Rost. Positiv sei jedoch, dass man sich in Berlin seit Oktober vergangenen Jahres online ummelden könne. „Das könnte immerhin 500.000 Vorgänge jährlich aus den Bezirksämtern herausziehen, vorausgesetzt, die Bürger kennen und nutzen den neuen digitalen Service.“ Solche Neuerungen müssten deshalb noch besser in der breiten Öffentlichkeit kommuniziert werden. Kleine Anekdote zum Schluss: Aus Bayern werde ja gern mal in Richtung Berlin geschimpft, erzählt Peter Rost. Die Software für das Termin- vergabesystem der Berliner Verwaltung – nicht zu verwechseln mit der Terminvergabe selbst – habe sich allerdings so bewährt, dass selbst die bayerische Landeshauptstadt München diese mittlerweile einsetzt. ■ Die secunet Security Networks AG bringt mehr IT-Sicherheit in die Berliner Verwaltung. Konsolidierung verringert die Angriffsflächen Zentrale statt Insellösung Gut vernetzt Der QR-Code führt zum Manager auf LinkedIn: 300 Beschäftigte hat die secunet Security Networks AG in Berlin, 1.000 sind es bei dem IT-Sicherheitsunternehmen bundesweit. Verwaltungsreform | 23 Berliner Wirtschaft 04 | 2025 FOTO: CHRISTIAN KIELMANN

Als ehemaliger Bezirksstadtrat, Bürgermeister von Marzahn-Hellersdorf und heutiger Unternehmer kennt Stefan Komoß beide Seiten der Berliner Verwaltung. Nach zehn Jahren im Staatsdienst machte sich Komoß 2017 mit einer Gesellschaft für Projektentwicklung selbstständig. Zu seinen Kunden zählen unter anderem Behörden, deren Mitarbeitende Komoß’ Team aktuell etwa in der Anwendung der Digitalen Akte schult. Jeder Berliner Verwaltungbeschäftigte ist verpflichtet, sich zwei Tage schulen zu lassen, um die neue Technologie zu erlernen. 12.000 haben das bislang getan. Mit seiner 4K Concept Gesellschaft für Projektentwicklung mbH hatte sich Komoß bei einer europaweiten Ausschreibung erfolgreich um den Auftrag beworben. Von seiner politischen Vergangenheit profitiert Komoß immer noch. „Als Bürgermeister war ich der Dienstvorgesetzte von 1.600 Verwaltungsmitarbeitern und weiß, welch unterschiedliche Voraussetzungen die Einzelnen mitbringen, vom Early Bird bis zum weniger digitalaffinen Anwender“, sagt der Geschäftsführer. Das helfe enorm, um die Schulungen erfolgreich durchführen zu können. Sein Fazit: „Wenn wir den Teilnehmern einen unmittelbaren Nutzen der neuen Technologie vermitteln können, sind Akzeptanz und die Bereitschaft zu lernen sehr groß, egal ob bei Jüngeren oder Älteren.“ Zu weiteren Kunden zählen Unternehmen, denen Komoß erklärt, wie man an öffentliche Aufträge kommt, was die Bedarfe sind und welche langfristigen Trends es gibt. In das Klagen über die öffentliche Verwaltung will Komoß nicht einstimmen. Er erinnert sich noch gut, dass er als Bezirksbürgermeister pro Jahr rund 800 Bewerbungen für 24 Ausbildungsplätze bekam. Die Ausgewählten habe einerseits das Angebot einer lebenslangen Perspektive gereizt, aber andererseits auch die Chance, für die Gesellschaft etwas Positives bewegen zu können. Bei der Berliner Verwaltungsreform sieht er die Chance, sie bis zum Ende der Legislaturperiode so erfolgreich auf den Weg zu bringen, dass Wirtschaft und Bürger den Nutzen erkennen. „Gut finde ich, dass die Reform laut Text neben den Bürgern auch die Unternehmen als gleichwertige Kunden der Verwaltung versteht. Das ist ja gar nicht so selbstverständlich.“ Im Schnitt habe ein Bürger nur ein halbes Mal im Jahr mit der Verwaltung zu tun, ein Unternehmen jedoch 17 Mal, beispielsweise um eine Genehmigung bei einem Amt einzuholen. „Wenn Verwaltung nicht funktioniert, ist also ein Unternehmen viel stärker betroffen als ein einzelner Bürger.“ ■ Ex-Bezirksbürger- meister Stefan Komoß gründete die 4K Concept Gesellschaft für Projektentwicklung mbH Gut vernetzt Der Unternehmer auf LinkedIn unter diesem QR-Code: Die 4K Concept Gesellschaft für Projektentwicklung mbH vermittelt neue Technologien an Behördenmitarbeiter. Wird der unmittelbare Nutzen klar, ist die Lernbereitschaft hoch Schulen für die Digitalakte FOTOS: CHRISTIAN KIELMANN, WHY DO BIRDS Berliner Wirtschaft 04 | 2025 Stefan Komoß Wenn Verwaltung nicht funktioniert, ist ein Unternehmen viel stärker betroffen als ein einzelner Bürger.

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