Berliner Wirtschaft April 2022

Wächst jetzt zusammen, was zusammengehört? Für Thomas Johann Lorenz steht das außer Frage. „Das Metaverse verknüpft die digitaleWelt endlichmit der realen“, sagt der Geschäftsführer des Berliner Entwicklungs- und Beratungsunternehmens Journee. „Mithilfe von Augmented Reality, ausgefeilter 3-D-Grafik und künstlicher Intelligenz, die komplexe Prozesse steuert, werden bislang zweidimensionaleWebseiten in Räume verwandelt, in denen wir miteinander handeln, kommunizieren und vieles mehr.“ Lorenz ist einer der Vordenker, die diese Transformation gestalten. Gemeinsam mit dem Digitalkünstler Christian Mio Loclair gründete er 2021 Journee. Dessen inzwischen knapp 30 Angestellte arbeiten in einemLoft-Büro in Prenzlauer Berg: Dutzende freie Mitarbeiter – etwa aus 3-D-Grafik und Programmierung – ergänzen das Team. Zu den wichtigsten Kunden zählen Konzerne, Gremien und Organisationen wie Google, IBM, Mercedes-Benz, Audi, BMW, Siemens, die Vereinten Nationen, die Stadt Berlin und das Bundeswirtschaftsministerium. Es macht den Eindruck, als wollten alle möglichst schnell ins Metaverse. Schon 2024, so schätzen die Analysten des US-Beratungsunternehmens Earthweb, werde das Metaverse einen Marktwert von mehr als 700 Milliarden Euro haben. UndMark Zuckerberg, Chef vonMeta, ehemals Facebook, rechnet bis dahin mit einer Milliarde Nutzer der virtuellen Welten. Meta treibt die Entwicklung seit gut einem Jahr mit großem finanziellem und personellem Aufwand voran; allein in Europa tüfteln 10.000 Angestellte am Web 3.0. Andere Konzerne aus dem Silicon Valley und Asien ziehen gerade nach. Alles nur ein Hype? Keinesfalls. Das begehbare Internet werde ganz neue haptische und visuelle Erlebnisse bieten, sagt Lorenz. „Die Barriere des auf zwei Dimensionen begrenzten Brow- sers, wie wir ihn heute nutzen, fällt dannweg. Das Web wird zumRaum, der sich erschließen lässt.“ Schöne neue Lebens-, Einkaufs- und Entertainment-Welt, die ohne großen Aufwand seitens der Nutzer überall und jederzeit betreten und erlebt werden kann. Denn in Lorenz’ Vorstellung „halten die meisten Menschen das Portal zumMetaverse bereits in der Hand: ihr Smartphone“. Anders als Konzerne wie Meta oder die seit einem Jahr existierende Metaverse-Kommune Decentraland, wo sogar Popstars wie Lady Gaga schon virtuelle Konzerte geben, verfolgt Journee die Idee, das Metaverse für alle nutzbar zu machen. „Eine App fürs Smartphone reicht aus“, so Lorenz. Wenn der Journee-Gründer richtigliegt, hat das Metaverse also bereits Milliarden von Eingängen. „Always on“ – das gilt umso mehr für das Web der dritten Generation. Wobei aus „on“ nun „in“ werden soll. Wer das Metaverse betritt, befindet sich inmitten eines endlosen Konsum-, Kommunikations- und Entertainment-Tempels. Er ist dort Akteur und Adressat zugleich, taucht ein in aufwendig gestaltete virtuelle Umgebungen, die bislang allenfalls aus 3-D-Computerspielen bekannt waren, und wird durch die eigenen Handlungen zur Schnittstelle mit der Außenwelt. Er transportiert das Virtuelle in die reale Welt. Denn das ist das eigentlich Neue: Durch die menschliche Interaktion erhält das Metaverse so etwas wie ein Eigenleben – ganz im Gegensatz zu früheren virtuellenWelten wie „Second Life“, demwohl bekanntesten, gleichwohl gescheiterten Versuch, das Internet Anfang der 2000er-Jahre zur 3-D-Umgebung zu machen. „Zu früh“, meint Lorenz, „vor 20 Jahren gab es weder schnellen Mobilfunk wie 5G noch Datenleitungen mit ausreichend hoher Übertragungskapazität. Das sieht heute anders aus.“ Der Vergleich mit 3-D-Spielen liege zwar auf der Hand. „Wir sind aber noch weit entfernt von Anwendungen, bei denen Avatare eine bunte, schillernde Welt bevölkern und dort womöglich ein Eigenleben entwickeln. Das ist noch pure Science-Fiction.“ In vielen modernen Multiplayer-Spielen gebe es gleichwohl seit geraumer Zeit funktionierendeMärkte für sogenannte In-Game- Gegenstände: Utensilien, die für das Spiel wichtig sind. Die Mechanismen dieser Märkte sind eine Blaupause für kommende Konsum- und Handelsorte in der virtuellen Welt, meint Lorenz. Deren Besucher müssten sich mit ihnen vertraut machen, wenn sie imMetaverse mit Waren oder Dienstleistungen handeln oder Entertainment-Angebote nutzen wollen. Für Konsumenten dürfte der Lernprozess einfacher sein als für den Handel. Denn dessen komplexe Warenwirtschaftssysteme müssen erst an die virtuelle Welt angepasst, Marketing und Vertrieb völlig neu gedacht werden. „Genau da kommen wir ins Spiel“, sagt Lorenz und verabschiedet sich aus dem Videocall, weil ein Kunde bereits auf Feedback wartet. Einer von Dutzenden, denen Journee den Sprung ins Metaverse ermöglichen will. ■ Thomas Johann Lorenz Geschäftsführer Journee Die meisten Menschen halten das Portal zum Metaverse bereits in der Hand: ihr Smartphone. Euro wird das Metaverse 2024 wert sein, so schätzen die Analysten des US-Beratungsunternehmens Earthweb. 700 Mrd. Christian Haase, IHK-Branchenmanager Digitalwirtschaft Tel.: 030 / 315 10-717 christian.haase@berlin. ihk.de Oben: Thomas Johann Lorenz ist Mitgründer von Journee. Unten: Das Unternehmen hat für Vogue Business und Yahoo ein virtuelles Event geschaffen, das die Möglichkeiten des Metaverse erfahrbar macht FOTOS: JOURNEE – THE METAVERSE COMPANY (TM)/MARCUS RIGGS 31 IHK BERLIN | BERLINER WIRTSCHAFT 04 | 2022 BRANCHEN | Web 3.0

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