Berliner Wirtschaft April 2022

zwei Forderungen zu nennen. Was kann die Politik und was können Unternehmen tun, umnochmehr Jugendliche in Ausbildung zu bringen? Ich hoffe sehr, dass sich bei Unternehmen und Jugendlichen wieder mehr herumspricht, welche Chancen die duale Ausbildung bietet. Im Moment wird eine akademische Laufbahn von vielen bevorzugt. Dabei kann die betriebliche Ausbildung der Grundstein für eine betriebliche oder auch akademische Karriere sein, das Bildungssystem lässt hier viele Möglichkeiten offen. Als Präsident der Handwerkskammer und Unternehmer hatten Sie das Thema Fachkräftemangel bereits auf der Agenda. Wie möchte jetzt der Wirtschaftssenator Stephan Schwarz dieses Thema angehen? Ich bin dazu im ständigen Gesprächmit meiner Kollegin Katja Kipping, in deren Ressort die berufliche Bildung fällt, und unterstütze sie gerne auf ihrem Weg, die Bedingungen für berufliche Ausbildung in Berlin zu verbessern. Auch spreche ich das Thema regelmäßig bei meinen Besuchen in Unternehmen und bei sonstigen Kontaktenmit Unternehmerinnen und Unternehmern an. Sie kennen – wie wohl kein Wirtschaftssenator zuvor – die Arbeit in denKammern. Warumbraucht die Wirtschaft aus Ihrer Sicht Kammern? Die Arbeit der Kammernwird in vielen anderen Ländern vom Staat wahrgenommen. Und es ist ein großes Geschenk, dass irgendwann einmal kluge Frauen und Männer Gesetze geschrieben haben, die festlegen, dass diese Aufgaben in Selbstverwaltung organisiert werden sollen. Eigentlich sind es öffentliche Aufgaben, aber der Staat hat gesagt: Ihr könnt es besser, weil ihr näher dran seid. Die Stärke des deutschen Kammersystems beweist das auch. Viele Länder wünschen sich auch so ein System, das die duale Ausbildung regelt. Ab Ende des Monats können über 300.000 Berliner Unternehmerinnen undUnternehmer ihre Vertreter in der Vollversammlung der IHK Berlinwählen. Als Ehrenpräsident der Handwerkskammer und ehemaliger Vizepräsident der IHK Berlin: Was würden Sie einem Unternehmer sagen, warum es wichtig ist, sich an den Wahlen zur Vollversammlung zu beteiligen? Nur wenn sich Unternehmerinnen und Unternehmer selbst einsetzen, funktioniert Selbstverwaltung. Und wenn es nicht funktioniert, dannmuss der Staat machen, und das ist oft die zweitbeste Lösung. Undwenn der Unternehmer sagt: Die Kammer kann doch sowieso nichts für mich tun, warum soll ich dann überhaupt wählen? Was entgegnen Sie ihm? Es ist ein solidarisches System. Wenn die Aufgabe der Staat übernehmen würde, hätte er die gleichen Pflichten und Aufgaben, nur hätte er keinen Einfluss mehr. Welche Bedeutung hat für Sie ehrenamtliches Engagement? Ehrenamtliches Engagement findet in Berlin in allen gesellschaftlichen Bereichen statt, so auch in der Wirtschaft. Gemeinsam mit der IHK haben wir inmeiner Zeit als Handwerkskammerpräsident mit der Mendelssohn-Medaille Unternehmerinnen und Unternehmer geehrt, die sich in vorbildlicher Weise bürgerschaftlich engagieren. Für michwar es immer faszinierend zu sehen, welche Bandbreite an ehrenamtlichem Engagement es bei Unternehmen gibt. Vom Malermeister, der einfach einmal eine Kita gestrichen hat, weil sie furchtbar aussah und der Träger kein Geld hatte, bis hin zu breit gefächerten Corporate-Social-Responsibility-Programmen großer Unternehmen, die Schulprojekte unterstützen oder auf die Einhaltung höchster Sozialstandards achten. Ich glaube, nur so lässt sich eine Gesellschaft aufrechterhalten, wenn nicht alle nach ihren persönlichen Zielen streben, sondern man sich auch fragt, was man für die Gesellschaft tun kann. Welche Erwartungen haben Sie an die Kammern für die Zusammenarbeit? Ich wünsche mir, dass wir gemeinsam den Wirtschaftsstandort Berlin voranbringen und die Stärken wie unsere wissensbasierte Industrie über starkes Handwerk bis zu unseren aufstrebenden Start-ups nutzen, um Berlin als wichtige, europäische Wirtschaftsmetropole zu etablieren. Wenn Sie der neu gewählten Vollversammlung der IHK Berlin einen Wunsch oder einen Denkanstoß übermitteln wollten, welcher wäre das? Die große Herausforderung für die Wirtschaft ist es, genügend gute Fachkräfte für späteres Wachstum zu haben. Da spielt die IHK, getragen von der Vollversammlung, eine ganz wichtige Rolle, sowohl in der Erstausbildung wie auch in der Rekrutierung von Fachkräften und der Eingliederung von Fachkräften aus dem Ausland. Und welche Botschaft würden Sie den Berliner Unternehmen an dieser Stelle gerne übermitteln? Bildet bitte aus. ■ Die große Herausforderung für die Wirtschaft ist es, genügend gute Fachkräfte für späteres Wachstum zu haben. Stephan Schwarz Claudia Engfeld, Pressesprecherin der IHK Berlin Tel.: 030 / 315 10-356 claudia.engfeld@ berlin.ihk.de FOTO: PA/DPA/ANNETTE RIEDL SCHWERPUNKT | Interview 28 IHK BERLIN | BERLINER WIRTSCHAFT 04 | 2022

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