Berliner Wirtschaft April 2022

und regelmäßigen Kontakt mit den Unternehmen der Stadt zu pflegen, vomHandwerksbetrieb zumGroßkonzern, vomHightech-Start-up zum personenbezogenen Dienstleister. Einen weiteren Schwerpunkt werde ich darauf legen, Unternehmen und Investoren von außerhalb für Berlin zu gewinnen. Zudemwerde ichmich dafür einsetzen, dass die Messe Berlin nach der Pandemie wieder auf Kurs gebracht wird. Es hieß häufig, dass sich unser Wirtschaftsmodell nach Corona grundlegend ändern muss, etwa was Mobilität angeht. Hat der bisherige Verlauf nicht eher gezeigt, dass das Modell sehr krisenfest ist? In der Tat hat sich die Berliner Wirtschaft in der Gesamtschau als erstaunlich krisenfest erwiesen, wie übrigens bereits während der Finanzkrise nach 2008. Wir haben einen guten Branchenmix und mit der Digitalwirtschaft und der Gesundheitswirtschaft zwei Zukunftsfelder, auf denen Berlin absolut im Spitzenfeld agiert. Und auch unser Industriesektor ist zwar weniger ausgeprägt als in anderen Regionen, aber absolut wettbewerbsfähig, wie die außerordentlich hohe Exportquote zeigt. Und auch der Startup-Sektor hat sich behauptet. 2021 war mit mehr als zehn Milliarden Euro Venture Capital für Berliner Start-ups sogar ein Rekordjahr. Manche Befürchtungen, Berlin müsse sich aufgrund der Pandemie komplett neu erfinden, haben sich zum Glück nicht bewahrheitet. Wenn jetzt auch die von der Pandemie gebeutelten Bereiche wieder auf die Beine kommen, wird die Berliner Wirtschaft schnell wieder auf den Wachstumspfad zurückkehren, auf dem sie sich vor der Pandemie befunden hat. Was sind aus Ihrer Sicht die „Mega-Themen“ für die Berliner Wirtschaft – von Corona einmal abgesehen? Niemand weiß, welche Auswirkungen der furchtbare Krieg in der Ukraine auf uns habenwird. Sicher ist, dass uns dies noch lange beschäftigen wird und sicher auch auf Feldern, auf denen wir noch nicht damit rechnen. Davon abgesehen sind die Mega-Themen für die Berliner Wirtschaft der Klimawandel, die Digitalisierung und der Fachkräftemangel. Dabei bietet gerade der Klimawandel Herausforderung und Chance zugleich. Die Dekarbonisierung der Wirtschaft zwingt jedes Unternehmen zum Umdenken und wird auch Kosten verursachen. Zugleich eröffnen sich neue technologische Möglichkeiten und neue Märkte, auf denen Berlin gemeinsam mit Brandenburg ein wichtiger Player werden kann. Ich denke dabei konkret an die ThemenWasserstoff und E-Mobilität. Hier haben Berlin und Brandenburg gemeinsam die Chance, ganz vorne mitzuspielen. Umdie großen wirtschaftlichen Herausforderungen der Hauptstadtregionmeistern zu können – sei es die Transformation der Wirtschaft hin zur Klimaneutralität, sei es die Nutzung der Digitalisierung als Chance –, muss die Verfügbarkeit von qualifizierten Fachkräften gesichert werden. Ohne die notwendigen Fachkräfte werden sich diese Ziele nicht verwirklichen lassen. Fachkräfte entwickeln sich zusehends zum wichtigsten Engpassfaktor für die wirtschaftliche Entwicklung. Betroffen sind alle Branchen: das Handwerk, der Bau, die Digitalwirtschaft und auch die Gastronomie. Besonders bedrohlich ist, dass Klimaschutz- und Energiesparmaßnahmen durch fehlende Fachkräfte deutlich beeinträchtigt werden könnten. Ähnliches gilt für den Wohnungsbau, den Berlin in dieser Legislaturperiode forcierenmuss und will. Eine gemeinsame Fachkräftestrategie für Berlin und Brandenburg ist daher das Gebot der Stunde. Denn eine gemeinsameWirtschaftsregionmit inte- griertem Arbeitsmarkt und wachsenden Pendlerverflechtungen in beide Richtungen erfordert auch hier eine enge Zusammenarbeit. Die Dekar- bonisierung der Wirtschaft zwingt jedes Unternehmen zum Umdenken. Stephan Schwarz FOTOS: PA/DPA/ANNETTE RIEDL 26 IHK BERLIN | BERLINER WIRTSCHAFT 04 | 2022

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