Berliner Wirtschaft April 2022

Berlins Wirtschaftssenator Stephan Schwarz wirbt für das ehrenamtliche Engagement von Unternehmern. Der Staat sei oft die zweitbeste Lösung, sagt er im Interview Seite 24 Wählen ist solidarisch BERLINER Wirtschaft Das Magazin der Industrie- und Handelskammer zu Berlin 04/2022 berliner-wirtschaft.de IHK-WAHL 2022 Ihre Kandidaten stellen sich vor. Außerdem: So können Sie wählen Broschüre & Seite 21 Darum wählen wir: Unternehmerstimmen zur Wahl Seite 16

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Hand in Hand für ein besseres Berlin Es ist ein düsterer Frühling in Berlin. Krieg in Europa, Millionen Menschen fliehen vor Panzern und Raketen. Doch in die Mitte von Düsternis und Leid dringt immer wieder auch ein Lichtschein. Berlin, der Hoffnungsort für die vielen Geflüchteten, wächst in diesen Zeiten über sich hinaus. Zehntausende werden mit offenen Armen empfangen, versorgt und untergebracht. Hunderte, Tausende freiwillige Helfer unterstützen die Ankommenden. Viele Unternehmen starten Spendenaktionen, Hoteliers bieten Obdach, Logistiker organisieren Hilfslieferungen in die Ukraine (S. 10). Das ist gelebte Solidarität. Berlin ist die Stadt der Freiheit! Ich bin dankbar, Teil dieser freien, solidarischen Stadtgesellschaft zu sein. Und ich wünsche mir, dass wir uns diesen Geist der Gemeinsamkeit erhalten. Diese dramatischen Wochen haben gezeigt: Wenn wir Hand in Hand handeln, schaffen wir ein besseres Berlin. Darauf sollten wir uns besinnen, wenn die Nachkriegsnormalität einkehrt und wir uns wieder mit den alltäglichen, sattsam bekannten Herausforderungen dieser Stadt befassen. Zuallererst wünsche ich uns allen aber, vor allem den Menschen in der Ukraine, den vielen Familien, die ihre Heimat verlassen mussten, dass auch dieser düstere Frühling sich am Ende der Macht des Lichts von Frieden, Freiheit und Solidarität beugen muss. Ihr IHK-Umfrage Der Krieg in der Ukraine hat auch für die Berliner Wirtschaft teils gravierende Folgen: Beinahe jedes fünfte Unternehmen ist direkt von Sanktionen betroffen. Das ist eines der Ergebnisse einer aktuellen IHK-Umfrage. Lediglich 28 Prozent der Betriebe stellen noch keinen Einfluss des Krieges auf ihr Geschäft fest. Seite 12 Die „Berliner Wirtschaft“ gibt es auch online: berliner-wirtschaft.de 03 IHK BERLIN | BERLINER WIRTSCHAFT 04 | 2022 EDITORIAL Daniel-Jan Girl ist Präsident der IHK Berlin und Geschäftsführender Gesellschafter der Deutschen Gesellschaft für multimediale Kundenbindungssysteme mbH

Agenda 10 Ukraine Russlands Angriffskrieg und die Hilfsaktionen der Berliner Unternehmen 12 IHK-Umfrage Kriegsfolgen belasten fast drei Viertel der Berliner Betriebe 14 Vision für Berlin IHK-Präsident Daniel-Jan Girl sieht die Hauptstadt als globalen Leuchtturm der Nachhaltigkeit Schwerpunkt 16 IHK-Wahl Berliner Unternehmer und Unternehmerinnen sagen, warum es wichtig ist, das Parlament der Wirtschaft zu wählen 24 Interview Mit Blick auf die großen Herausforderungen für Berlin kann die IHK eine wichtige Rolle spielen, sagt Wirtschaftssenator Stephan Schwarz Magazin imWeb Ausgewählte Inhalte und das komplette E-Paper: berliner-wirtschaft.de 03 Editorial 06 Entdeckt 08 Kompakt 13 Kolumne 52 Impressum 65 Gestern & Heute 66 Nachhaltigkeit IHK-Wahl Gregor C. Blach von WeDo hat die Zukunft des Standorts im Blick. Wie andere Unternehmer setzt er dafür auf eine starke Vollversammlung 16 FOTO: AMIN AKHTAR 04 IHK BERLIN | BERLINER WIRTSCHAFT 04 | 2022 inhalt | April 2022 Weiterbildung am Checkpoint Charlie TÜV NORD Akademie Zimmerstraße 23 10969 Berlin Tel. 030 201774-47 akd-b@tuev-nord.de Unternehmensführung GmbH-Geschäftsführer Recht/Haftung 09.05. – 10.05.2022 1.380,40 € Datenschutzbeauftragter (TÜV®) 16.05. – 19.05.2022 2.427,60 € 04.07. – 07.07.2022 2.427,60 € ISO/IEC 27001 – ISM-Auditor 09.05. – 13.05.2022 2.820,30 € Qualitätsmanagement Qualitätsbeauftragter (TÜV®) Teil 1: 16.05 – 19.05.2022 1.582,70 € Teil 2: 27.05 – 30.06.2022 1.582,70 € Qualitätsmanager (TÜV®) Teil 1: 30.05. – 02.06.2022 1.654,10 € Teil 2: 04.07. – 06.07.2022 1.582,70 € Technische Sicherheit Operative Inspektionen für sichere Spielplätze und Spielgeräte 05.05. – 06.05.2022 785,40 € Brandschutzhelfer gem. § 10 ArbSchG 15.06.2022 571,20 € 19.10.2022 571,20 € Kesselwärter-Grundlehrgang 27.06. – 05.07.2022 2.284,80 € Elektrofachkraft f. festgel. Tätigkeiten Theorie: 22. – 26.08.2022 1.523,20 € Praxis: 12. – 16.09.2022 1.523,20 € Umwelt und Energie Umweltmanagement-Beauftr. (TÜV®) Teil 1: 03.05. – 05.05.2022 1.392,30 € Teil 2: 21.06. – 23.06.2022 1.392,30 € Betriebsbeauftragter für Abfall – Fortbildung 04.07. – 05.07.2022 1.047,20 € Arbeits- und Gesundheitsschutz Sicherheitsbeauftragter – Grundlagen 20.06. – 21.06.2022 773,50 € 29.08. – 30.08.2022 773,50 € Viele Seminare jetzt auch online ! www.tuev-nord.de/ onlinecampus *Alle Preise verstehen sich inkl. USt.

Branchen 30 Unternehmensporträt Journee schafft virtuelle Welten für B2B-Kunden 33 Start-up Katharina E. Davids von Seedtrace im Interview 38 Versicherungswirtschaft Branchentreff im Zeichen aktueller Problemlagen 40 EdTech-Branche Bildungsanwendungen gewinnen an Bedeutung Fachkräfte 48 Integration Arrivo hilft Geflüchteten beim Einstieg in Arbeit 50 Recruiting IHK-Webinar vermittelt, wie man Azubis findet 54 Verbundberatung Wie Pflegewohnzentrum Jugendliche motiviert 55 Bildungszeit Möglichkeiten erweitert um ehrenamtliche Arbeit Service 56 Digitalisierung Chancen Robotischer Prozessautomatisierung 59 Eventflächen IHK Berlin vermietet Ludwig Erhard Haus 60 Gründerszene Prototypen und wie sie genutzt werden sollten 63 Grundsteuer Verschiedene Modelle bedeuten viel Bürokratie Virtueller Kosmos Digitale B2B-Welten schaffen Programmierer und Designer bei Journee, zum Beispiel für die Consumer Electronics Show in Las Vegas 30 FOTOS: WALTZ BINAIRE, GETTY IMAGES/SIMPLEIMAGES 05 IHK BERLIN | BERLINER WIRTSCHAFT 04 | 2022 Ukraine Die Kriegsfolgen belasten die meisten der Berliner Betriebe. Gleichzeitig haben viele Unternehmen sehr schnell mit vielfältigen Hilfsmaßnahmen reagiert 10 das uns! Überlassen Sie Professionelle Entsorgungslösungen für: Gewerbeabfälle Bedarfsgerechte Konzepte zur Erfassung Ihrer gemischten Gewerbeabfälle – entsprechend der Gewerbeabfallverordnung Altpapier Beste Preise für Industrie, Handel, Gewerbe, Wohnungswirtschaft und Privathaushalte Gewerbefolien Kostengünstige und umweltgerechte Wertstoffentsorgung Andere Abfälle Zuverlässige Erfassung aller anderen Abfälle zur Verwertung (Glas, Holz, Schrott, E-Schrott) Bartscherer & Co. Recycling GmbH Montanstraße 17-21 13407 Berlin Tel: (030) 408893-0 Fax: (030) 408893-33 www.bartscherer-recycling.de Bestellungen direkt im Onlineshop. Günstige Pauschalpreise für Umleerbehälter von 240 l bis 5,5 cbm.

FOTO: ULRICH SCHUSTER Auf Tuchfühlung mit einer 300-Kilogramm- Raubkatze? Was höchst bedrohlich wirkt, erlaubt der Erlebnisbereich „Reich der Jäger“ des Zoos Berlin jetzt gefahrlos, trennt doch vier Zentimeter dickes Glas Amurtiger Darius und die Besucherin beim Selfie. Die neue Anlage für Tiger, Löwe und Co. ersetzt das Raubtierhaus aus den 1970er-Jahren, dessen sterile Käfige und trennende Gitterstäbe als nicht mehr zeitgemäß galten. Baubeginn für die 4.200 Quadratmeter Innen- und 3.700 Quadratmeter Außenbereich – Kosten: 14 Mio. Euro – war 2018. Vor wenigen Wochen durften insgesamt 241 Tiere in ihr neues Domizil einziehen. Unter den 33 Arten sind auch possierlich anmutende Vertreter wie die nachtaktiven Erdferkel. Oder der Bengalische Plumplori, der allerdings gefährlicher ist, als er aussieht: Sein Biss ist giftig. Im Auge des Tigers EINSTIEG | Entdeckt

07 IHK BERLIN | BERLINER WIRTSCHAFT 04 | 2022

Als Berlin und Deutschland geteilt waren, kursierte ein Witz, der gewisse planwirtschaftliche Engpässe aufs Korn nahm: Was macht ein DDR-Bürger, wenn er in der Wildnis eine Schlange sieht? Erst einmal hinten anstellen! Die Mauer ist weg, Berlin vereinte Hauptstadt, und für Südfrüchte muss niemand mehr anstehen. Wohl aber für Dienstleistungen der öffentlichen Hand in Berlin. Und da vergeht vielen das Lachen, allenfalls lacht man anderswo über hiesige Mangelerscheinungen. Selbst gesetzte Senatsziele wie ein 14-Tage-Zeitfenster für Termine in Bürgerämtern liegen in weiter Ferne. Nun soll ein Personalpool für Entlastung in den Bezirken sorgen. Pool-Lösungen gibt es bereits im Pflege- und Gesundheitswesen, bei Corona und für Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine. Dass reguläre Verwaltungsarbeit ein Kriseninstrument braucht – eigentlich ein schlechter Scherz. Krise im Pool typisch berlin Die IHK Berlin begrüßt die angekündigten neuen Direktflüge vom BER nach New York und Washington Ein echtes Tor zur Welt „Direktverbindungen machen BerlinBrandenburg attraktiver für Investitionen und Touristen und sichern Firmen ihre Wettbewerbsfähigkeit. Sie senken außerdem den CO2-Fußabdruck, weil unter anderem die Zwischenstarts entfallen. Der BER hat das Potenzial, zu einem echten Tor zur Welt zu werden. gesagt 1,4 mrd. euro wird die Deutsche Bahn in diesem Jahr in Berlin und Brandenburg investieren, um das Schienennetz und Bahnhöfe zu modernisieren. Die Arbeiten umfassen 125 Kilometer Gleise, 165 Weichen und 25 Brücken. Robert Rückel, Vizepräsident IHK Berlin EINSTIEG | Kompakt 08 IHK BERLIN | BERLINER WIRTSCHAFT 04 | 2022

kopf oder zahl Sabine Flores Prof. Dr. Philipp Bouteiller wird künftig als weitere Geschäftsführerin des IZT–Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung gGmbH an der Seite von Dr. Roland Nolte fungieren. Die Sprach- und Kulturwissenschaftlerin war zuvor Geschäftsführerin des niedersächsischen Vereins Kommunen in der Metropolregion mit Sitz in Hannover. ist neuer geschäftsführender Gesellschafter der Artprojekt Entwicklungen GmbH. Er wird das Unternehmen zusammen mit Gründer Thomas Hölzel und Dr. Alexandra Gräfin von Stosch leiten. Zuvor war er seit 2012 Geschäftsführer der Tegel Projekt GmbH, mit der er den Forschungs- und Industriepark Berlin TXL plante. In den 290 Projekten, die Berlin Partner 2021 erfolgreich begleitet und abgeschlossen hat, entstehen 6.708 neue Arbeitsplätze. Investiert wurden 637,8 Mio. Euro. Damit bewegt sich die Wirtschaftsfördergesellschaft auf dem Niveau des Jahres 2016. Im Vor-Corona-Jahr 2019 wurden in 280 Projekten 8.936 neue Jobs geschaffen und 825,2 Mio. Euro investiert. Angesiedelt im Jahr 2021 hat Berlin Partner 83 Unternehmen, davon 45 aus dem Ausland. Die meisten internationalen Ansiedlungen kommen aus Europa, gefolgt von Nord- und Südamerika, dem Mittleren Osten und Asien. bw Berlin Partner siedelt 83 Firmen an standortvermarktung Zentral schlafen Im Jahr 2021 verzeichneten die Beherbergungsbetriebe in Mitte mehr als sechs Millionen Übernachtungen berliner wirtschaft in zahlen Bettenangebot an Pandemie angepasst Berliner Beherbergungsbetriebe haben ihre Kapazitäten reduziert. Die Auslastung steigt tendenziell wieder Grafiken: BW Quelle: Amt für Statistik Berlin Brandenburg 30% Auslastung meldeten die Berliner Beherbergungsbetriebe für 2021. Ein Jahr zuvor waren es 26 Prozent. Simone Blömer, IHK-Expertin für Tourismus Tel.: 030 / 315 10-432 simone.bloemer@berlin.ihk.de 15% mehr vermietungen wurden auf dem Berliner Büroimmobilienmarkt 2021 im Vergleich zum Vorjahr verzeichnet. Das geht aus dem Büromarktbericht des Immobiliendienstleisters Savills hervor. FOTOS: GETTY IMAGES/ALEXANDER SPATARI, FOTOSTUDIO CHARLOTTENBURG (2), GERHARD KASSNER, IZT, GETTY IMAGES/VIAFRAME 2021 Dez. Jan. 40,1 138,2 Jan. 2020 2019 Jan. davon durchschn. belegt Bettenangebot 0 50 100 150 in Tausend 6,01 2,37 1,75 0,82 0,17 0,19 0,25 0,34 0,38 0,44 0,59 0,67 Marzahn-Hellersdorf Steglitz-Zehlendorf Reinickendorf Neukölln Spandau Treptow-Köpenick Lichtenberg Pankow Tempelhof-Schöneberg Friedrichshain-Kreuzberg Charlottenb.-Wilmersdorf Mitte 09 IHK BERLIN | BERLINER WIRTSCHAFT 04 | 2022 EINSTIEG | Kompakt

Russlands Angriff auf die Ukraine hat die Welt und auch Berlins Wirtschaft erschüttert. Die Solidarität lässt die Menschen zusammenrücken von Dr. Mateusz Hartwich Lange Schatten des Krieges Mit dem Überfall Russlands auf die Ukraine am 24. Februar 2022 änderte sich schlagartig die Weltlage. In vielen Städten des Landes sah sich die Bevölkerung russischen Angriffen ausgesetzt, vom ersten Tag an brach ein Flüchtlingsstrom in Richtung der sicheren Nachbarländer auf. Die Bestürzung war groß, die Reaktion der deutschen Öffentlichkeit schnell und eindeutig. Vertreter der Berliner Wirtschaft meldeten sich umgehend zu Wort. In einer ersten Stellungnahme schrieb IHK-Präsident Daniel-Jan Girl: „Unsere Gedanken sind bei den Opfern des Krieges und ihren Familien“. Und weiter: „Heute ist nicht der Tag, um die wirtschaftlichen Auswirkungen des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine zu kommentieren“. Dass es unmittelbare Auswirkungen geben wird, die über gestörte Lieferketten weit hinausgehen, war vom ersten Tag an klar. Bekanntheit erlangte die Berliner Firma Autodoc, die in einer beispiellosen Aktion über 100 agenda Ukraine

Beschäftigte aus dembeschossenen Charkiw evakuierte. Weitere Unternehmen engagierten sich bei der Rettung bedrohter Mitarbeiter und Partner. Die IHK Berlinwar eine der ersten Adressen, die einen Überblick über die wirtschaftlichen Auswirkungen (s. S. 12), aber auch über Möglichkeiten der Unterstützung bieten konnten. Was den Außenhandel angeht, spielen die Handelsbeziehungen in die Ukraine für die Berliner Wirtschaft eine untergeordnete Rolle. Im Jahr 2020 gingen Exporte im Wert von 87 Mio. Euro in das Land am Dnjepr, hauptsächlich pharmazeutische und ähnliche Erzeugnisse (40 Prozent aller Ausfuhren); die Importe betrugen 15 Mio. Euro. Der Stellenwert von Russland als Handelspartner sinkt seit Jahren, zuletzt belegte das Land Platz 11 der Exportmärkte mit 385 Mio. Euro Handelsvolumen beziehungsweise Platz 32 im Ranking der bedeutendsten Berliner Importmärkte (2020: 59 Mio. Euro). Vom ersten Moment an war die Hilfsbereitschaft der Berliner Wirtschaft groß, im Verbund mit Solidaritätsaktionen in allen gesellschaftlichen Bereichen. Der Lichterfelder Fachhändler Tietz Baustoffe GmbH brachte nicht nur Hilfsgüter an die ukrainische Grenze, sondern nahm auf dem Rückweg 36 Frauen, Kinder und Menschen mit Behinderung sowie einen Hund nach Berlin mit. Das Transportunternehmen Flixbus fuhr am 10. März mit 25 Tonnen Hilfsgütern ins polnische Przemyśl und kam mit 50 Geflüchteten zurück. Hilfe von Clubbetreibern und Dehoga Neben Geld- und Sachspenden sind Unterstützungsaktionen von Branchen hervorzuheben, die stark unter der Corona-Pandemie gelitten haben. Unter dem Motto „Club Culture United – Stand Up for Ukraine“ haben Berliner Clubbetreiber einen Teil der Einnahmen vom ersten Wochenende nach Aufhebung der Beschränkungen (4.–6. März) gespendet. Auch der Berliner Dehoga koordinierte kurzfristig Hilfsaktionen vonseiten der Gastronomen und Hoteliers: Verpflegung und Übernachtungsmöglichkeiten für geflüchtete Menschen aus der Ukraine, meist Frauenmit ihren Kindern. Der Sterne-Gastronom TimRaue organisierte kurzerhand eine große Spendenaktion seiner Mitarbeiter. In der Ukraine und ihren Nachbarländern tätige deutsche Handelsunternehmen wie Rewe, dm, Rossmann, Edeka und die Schwarz-Gruppe organisierten Geld- oder Sachspenden. Die Industrie- und Handelskammern und der DIHK unterstützten all diese Maßnahmen imRahmen der gemeinsamen Aktion #WirtschaftHilft. ImMärz wurden in Berlin immer mehr ankommende Flüchtlinge aus demKriegsgebiet registriert – in einer Woche waren es schätzungsweise mehr als 70.000. Dabei konnte die Stadt auf etablierte Netzwerke von Freiwilligen und Hilfsorganisationen zurückgreifen, die seit 2015 aufgebaut worden waren. Eine große Rolle spielten dabei private Initiativen, auch vonseiten der Wirtschaft. Dazu zählt vor allem das Arrivo-Servicebüro als zentrale Anlauf- und Koordinierungsstelle für alle Berliner Unternehmen, die Geflüchtete in Arbeit und Ausbildung integrieren wollen. Eine schnelle Integration in den Arbeitsmarkt ist wichtiger Baustein einer Eingliederung der Ankommenden. Die Voraussetzungen scheinen gut: Zahlreiche Firmen nutzten die Ukraine-Hotline der IHK Berlin, um aufenthaltsrechtliche Fragen zu klären. ■ FOTOS: GETTY IMAGES/SIMPLEIMAGES, IHK BERLIN Medizinisches Material Um den Menschen in der Ukraine dringend benötigte Medizinprodukte zur Verfügung stellen zu können, hat der Ausschuss Gesundheitswirtschaft unter seinen Mitgliedern eine Spendenaktion initiiert. Verein Ukraine-Hilfe Berlin „Wir arbeiten dabei mit dem Verein Ukraine-Hilfe Berlin zusammen. Von dort kommen die aktuellen Bedarfslisten, wir geben die Bedarfe an unsere Ausschussmitglieder weiter und unterstützen bei der Koordinierung“, so der Ausschussvorsitzende Günther Pätz. Es sind bereits mehrere Großlieferungen mit medizinischen Produkten zusammengekommen. Beteiligte Unternehmen Beteiligt haben sich Berlin Heart GmbH, Praxisklinik Charlottenburg GmbH, Knauer Wissenschaftliche Geräte GmbH, Eckert & Ziegler Strahlen- und Medizintechnik AG, CentroMed Therapie GmbH. Und der Betreiber eines Gesundheitshotels in Spandau bietet 35 Geflüchteten eine Unterkunft. Im Laufe des März wurde die Ausweitung der Spendenaktion vorbereitet. moel Ehrenamt hilft Der Ausschuss Gesundheitswirtschaft der IHK Berlin hat gezielte Spendenaktion ins Leben gerufen Außenhandel Infos zu den Folgen des Krieges und Hilfsangebote: ihk-berlin.de/ukraine Aufenthaltsrecht Informationen zu Einreise- und Arbeitsmöglichkeiten für Ukrainer: ihk-berlin.de/ einreise-aufenthalt Initiative der IHK Berlin: Viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter folgten dem Aufruf einer Kollegin und sammelten Sachspenden, die dann an die polnisch-ukrainische Grenze gebracht wurden Euro betrug das Exportvolumen in die Ukraine 2020, bei den Importen waren es 15 Mio. Euro. 87 Mio. Euro beträgt der Wert der Berlin-Exporte nach Russland, das damit Platz 11 belegt. Bei den Importen sind es 59 Mio. Euro. 385 Mio. 11 IHK BERLIN | BERLINER WIRTSCHAFT 04 | 2022 AGENDA | Ukraine

Der Krieg in der Ukraine hat auch für die Berliner Wirtschaft teils gravierende Folgen: Knapp jedes fünfte Unternehmen ist direkt von Sanktionen betroffen. Indirekt bekommen 55 Prozent der Berliner Unternehmen die Folgen des Krieges zu spüren, etwa durch steigende Preise. Nur 28 Prozent der Betriebe sehen noch keinen Einfluss des Krieges auf ihr Geschäft – doch auch diese erwarten zumeist, dass sich dies in naher Zukunft ändern wird. Energiekosten betreffen fast alle Der Krieg verstärkt den bereits zu Jahresbeginn deutlichen konjunkturellen Gegenwind erheblich: Drei von vier Befragten spüren oder erwarten weiter steigende Kosten für Energie, 50 Prozent der Unternehmen müssen mit verteuerten Rohstoffen und Vorleistungen sowie gestörten Lieferketten umgehen. Ein Drittel der Unternehmen kommt überhaupt nicht mehr an benötigte Rohstoffe oder erwartet dies in den kommenden Wochen, ebenfalls ein Drittel fürchtet den Verlust von Geschäftspartnern oder erlebt diesen bereits. Besonders hart ist hier die Industrie getroffen, wo 43 Prozent der Betriebe Geschäftspartner verlieren oder dies in nächster Zukunft fürchten; bei den Dienstleistungsunternehmen ist jedes dritte Unternehmen betroffen. Jedes fünfte Unternehmen muss seine Geschäfte wegen der zunehmenden Handelshemmnisse einschränken oder wird dies demnächst tun. Immerhin 15 Prozent befürchten, dass die Rechtsunsicherheit zunehmen wird, und dass es im Zahlungsverkehr zu Hindernissen kommen könnte, sehen elf Prozent als mögliche Gefahr. Auch für die Kunden wird es teurer Mehr als die Hälfte der Unternehmen sieht keine andere Möglichkeit, die Steigerungen der Einkaufspreise zu verkraften, als diese an die Kunden weiterzugeben. Die bereits hohe Inflation wird einen neuen Schub erhalten. Ein Viertel der Verkehrsunternehmen plant oder setzt Preis- erhöhungen bereits um, in der Industrie sind es 72 Prozent der Betriebe. Jedes vierte Unternehmen hält Investitionen zurück, jedes fünfte denkt über Personalanpassungen nach, ebenso viele werden ihre Lagerhaltung erhöhen. 17 Prozent machen sich auf die Suche nach neuen Lieferanten. Immerhin 15 Prozent wollen verstärkt auf erneuerbare Energie setzen, umweniger abhängig von Gas und Öl zu werden. Alle Ergebnisse finden sich auf der IHK-Website: ihk-berlin.de/wiz ■ Fast drei Viertel der Berliner Unternehmen sind laut aktueller IHK-Umfrage vom Krieg betroffen. Durch die höheren Kosten werden die Preise weiter steigen von Christian Nestler Neuer Preisschub belastet Betriebe Grafiken: BW Quelle: IHK Berlin Wirtschaftliche Folgen des Krieges Die Unternehmen erwarten in erster Linie höhere Energiekosten (Angaben in Prozent, Mehrfachnennungen) 76 50 49 32 31 20 11 10 8 5 11 15 14 Keine Zahlungsausfall von bereits gelieferter Ware Deutlich schlechtere Finanzlage Sonstiges Hindernisse im Zahlungsverkehr Produktionsstopp / geringere Produktion Erhöhte Rechtsunsicherheit Zunahme von Handelshemmnissen Verlust von Geschäftspartnern Fehlende Rohsto e und Vorleistungen Störungen in der Lieferkette und Logistik Höhere Kosten für Rohsto e / Vorleistungen Höhere Energiekosten Betroffenheit Krieg und Sanktionen wirken sich direkt oder indirekt auf 72 Prozent der befragten Berliner Unternehmen aus Unternehmerische Maßnahmen Preissteigerungen werden großenteils an die Kunden weitergegeben (Angaben in Prozent, Mehrfachnennungen) Verstärkte Investitionen in erneuerbare Energien Suche nach neuen Lieferanten Erhöhung der Lagerhaltung Personalanpassung (z. B. Kurzarbeit) Keine Maßnahmen geplant oder umgesetzt Streichung / Verschiebung von Investitionen Weitergabe von Preissteigerungen an Kunden 53 25 21 19 19 17 15 17 55 28 Nein Ja, indirekt Ja, direkt AGENDA | Ukraine 12 IHK BERLIN | BERLINER WIRTSCHAFT 04 | 2022

zu Mehr als die Summe der Einzelteile Berlin-Brandenburg gehört wirtschaftlich zusammen. Es ist höchste Zeit, dass Politik und Verwaltung ein aktives Metropolenmanagement starten Wettbewerb ist unternehmerisch begrüßenswert und zwischen benachbarten Bundesländern auch nicht unüblich. Auf einem gemeinsamen Spielfeld wie einer Metropolregion ist Kooperation allerdings einMuss. Die Metropolregion Berlin-Brandenburg ist Heimat für mehr als sechs MillionenMenschen und Standort für mehr als 470.000 Unternehmen. Etwa drei Millionen Erwerbstätige arbeiten, entwickeln und forschen hier. Durch das starke Wachstum Berlins und Brandenburgs gehört die Region zu denwirtschaftlich stärksten innerhalb Deutschlands. Nicht nur in den Köpfen der Menschen, sondern auch bei den politischen Entscheidungsträgern scheint Kooperation aber noch nicht im Fokus zu stehen. Und das, obwohl etwa ein Sechstel der Erwerbstätigen Ein- oder Auspendler zwischen Berlin und Brandenburg sind und viele Institutionen bereits grenzüberschreitend agieren. Viele – vor allem infrastrukturelle – Herausforderungen sind unvermeidbar damit verknüpft. Es scheint vor allem an Managementstrukturen der Entscheidungsfindung und -umsetzung oder schlicht eine formale Grundlage für die Zusammenarbeit der beiden Bundesländer zu fehlen. Damit steht die Region in einem starken Kontrast zu den Metropolregionen wie Hamburg oder Nürnberg, deren Träger Staats- und Kooperationsverträge geschlossen und arbeitsfähige Strukturen geschaffen haben. Der im Sommer 2020 zwischen Berlin und Brandenburg verabredete strategische Gesamt- rahmen ist ein erster, aber auch lange überfälliger Schritt. Dieser darf nun nicht nur eine reine Absichtserklärung bleiben, sondernmuss in konkrete Maßnahmen und Projekte übersetzt und umgesetzt werden. Dabei ist es wichtig, so agil zu bleiben, wie es die Start-ups der Region vormachen, um auf sich verändernde Rahmenbedingungen eingehen zu können. Dringende Handlungsfelder sind die Fachkräftesituation, der Wohnungsmarkt, die Verkehrs- und Breitbandinfrastruktur, das Clustermanagement, die Ansiedlungspolitik sowie eine nachhaltige Energiestrategie. In diesen Bereichen kann keine der beiden Regionen allein erfolgreich agieren. Große Ansiedlungen wie Tesla und der Siemens-Campus sowie der Ausbau des gemeinsamen Flughafens zu einem Langstrecken-Hub funktionieren nur, wenn beide Länder an einem Strang ziehen. Unsere Metropolregion steht in vielen Punkten in einem internationalen Wettbewerb. Dieser macht es notwendig, durch eine gezielte Kooperationmehr zu erreichen, als die Summe ihrer einzelnen Mitglieder zu leisten imstande sind. Die Wirtschaft von Berlin und Brandenburg kann es sich schon lange nicht mehr leisten, auf die administrativen Grenzen von Bezirken oder Bundesländern zu achten. Politik und Verwaltung müssen jetzt nachziehen.  ■ Kompetenzteam Wenn Sie sich für unsere Arbeit interessieren, erfahren Sie hier mehr: ihk-berlin.de/kompetenzteam Sebastian Stietzel Vizepräsident der IHK Berlin, Vorsitzender des IHK-Kompetenzteams Mittelstand und Geschäftsführer der Marktflagge GmbH, Management & Investments FOTO: CHRISTIAN KIELMANN 13 IHK BERLIN | BERLINER WIRTSCHAFT 04 | 2022 AGENDA | Mittelstandskolumne

chen nachhaltiger planen und agieren müssen. Die Transformation in eine nachhaltige Gesellschaft ist die große Herausforderung unserer Zeit. Diese Entwicklung müssen wir aktiv angehen und gestalten. Und auch hier bringt Berlin alles mit, um zu einer weltweitenWirtschaftsmetropole der nachhaltigen Ideen und Produkte zu werden. Unsere Vision ist es, dass Berlin bis 2035 zu einem Leuchtturm für Nachhaltigkeit wird. Denn natürliche Ressourcen sind knapp, und Nachhaltigkeit ist alternativlos, wenn es darum geht, ein langfristig ausgewogenes Wirtschaftswachstum sicherzustellen. Konkret heißt das, dass Berlin bis 2035 alle 17 „Sustainable Development Goals“, also die nachhaltigen Entwicklungsziele der Vereinten Nationen, erreicht hat, zentrale soziale, ökologische und ökonomische Interessen in den Ausgleich gebracht hat und seine Erkenntnisse in einer Berliner Weltausstellung mit weiteren Ländern dieser Welt teilt. Expo der Nachhaltigkeit Mit einer Expo der Nachhaltigkeit wird Berlin zu dem zentralen Ort, der die Welt anzieht, um hier Inspirationen zu finden und Lösungen zu entwickeln. Dabei wird die ganze Stadt zum Expo-Feld. Aus den erfolgreich transformierten Kiezen, um voneinander zu lernen, wie die Welt mit sich selbst in Einklang gebracht werden kann. „Lösungen made in Berlin“ werden so zum weltweiten Exportschlager und schaffen eine neue Zeitenwende. Eine kürzlich durchgeführte Umfrage im „Tagesspiegel“ zeigt, dass diese Idee einer Nachhaltigkeits-Expo in allen Kiezen bei vielen Berlinern gut ankommt. Damit aus Visionen Realitäten werden, müssen wir uns aber jetzt auf den Weg machen. Und zwar gemeinsam: Politik, Wirtschaft und Stadtgesellschaft. So muss die Berliner Verwaltung neue Wege beschreiten. Unverzichtbar ist, in Behörden Ermessensspielräume zum Möglich-Machen zu schaffen und Entscheidungsfreude zu belohnen. Teil der Vision ist es, dass Zukunftsorientierung, Gestaltungskraft und Agilität vorherrschen. → Dazu gehört, dass Berlin eine leistungsstarke und serviceorientierte Verwaltung aufbaut und einen Paradigmenwechsel in der Beschaffungs- und Vergabepraxis einleitet. Mit ihr werden B erlin hat eine lange Tradition als Stadt der Freiheit, der Chancen und der Zukunftsgestaltung. Berlin bleibt auch heute noch die Stadt der Hoffnung – aktuell für die vielen Menschen aus der Ukraine, denen die Freiheit abrupt und brutal genommen wurde. Hier kommt Berlin als Stadt der Hoffnung eine besondere Verantwortung zu. Der Krieg in der Ukraine betrifft alle und überschattet alles. Und natürlich muss zunächst alles Menschenmögliche getan werden, um den Krieg zu beenden und den Menschen, deren Hoffnung und Heimat von Raketen zerstört wurden, zu helfen. Der Ukraine-Krieg zeigt uns auch, dass wir in allen BereiFOTO: GETTY IMAGES/ANDRIY ONUFRIYENKO; ILLUSTRATION: SONULKASTER – ADOBE STOCK Grünes Geld an die Spree Berlin als weltweite Metropole der nachhaltigen Ideen und Produkte: Wie wir die Transformation aktiv angehen und gestalten können von Daniel-Jan Girl AGENDA | Vision für Berlin 14 IHK BERLIN | BERLINER WIRTSCHAFT 04 | 2022

IHK-Initiative Alle Informationen zur Nachhaltigkeits- initiative der IHK Berlin unter: ihk-berlin.de/ nachhaltige-wirtschaft schlanke, digitale Services und Prozesse angekurbelt und die Innovationsdynamik des Wirtschaftsstandortes beschleunigt. Auch kommen neue Unternehmen sowie innovative Köpfe aus Wirtschaft und Wissenschaft nach Berlin und bereichern die Stadt mit ihren Ideen und ihrem Know-how. → Dazu gehört, dass der Wohnungs- wie Gewerbebau erheblich beschleunigt wird. Unternehmen bauen bedarfsgerecht und lassen den überhitzten Markt wieder abkühlen. Es entsteht bezahlbarer Raum für junge Unternehmen und Menschen. → Dazu gehört, dass Industrie, Dienstleister und das Handwerk neue Lösungen für die Energiewende und den Klimaschutz entwickeln und auch kurzfristig umsetzen dürfen. Wichtig bleibt, dass Wirtschaftsverkehr und nachhaltige Verkehrswende gemeinsam gedacht und umgesetzt werden. → Dazu gehört, dass zirkuläres Wachstum und Circular Economy gestärkt werden. → Dazu gehört nicht zuletzt ein völlig neues Verständnis von Bildung: interaktiv, lebendig, den Interessen und Fähigkeiten der Schüler angepasst. Ein Bildungssystem, das Testen ermöglicht, Fehler erlaubt, schnelles Lernen unterstützt, auf die verschiedenen Bedürfnisse und Fähigkeiten der Schüler eingeht und Nachwuchskräfte zur Gestaltung der Zukunft befähigt. Wir wollen die kommenden Generationen auf die Zukunft vorbereiten und dabei vor allem auf die menschlichen Fähigkeiten setzen sowie den Umgang mit neuer Technologie. Das alles ist jedoch nicht möglich ohne das Engagement und den Innovationsgeist der Berliner Wirtschaft. Berlin braucht stetig neue nachhaltige Geschäftsideen, die als Reallabor erprobt und zu funktionierenden Produkten und Dienstleistungen weiterentwickelt werden. Doch keine große Idee kommt ohne Finanzierung aus. Um Berlin zu einem Leuchtturm für Nachhaltigkeit zu machen, braucht es daher wirksame Finanzierungsstrukturen. Nur so kann eine Transformation dieses Ausmaßes stattfinden und mit ihrer Strahlkraft auch bis in alle „Ecken“ dieser Welt wirken. Dabei stellen sich wichtige Fragen: → Welche Instrumente und Kapitalzugänge braucht es, um nachhaltige Ideen und Lösungen „made in Berlin“ erfolgreich zu finanzieren, damit aus ihnen über alle Phasen hinweg starke nachhaltige Unternehmen reifen? → Sind neben der guten alten Kreditfinanzierung über Banken inzwischen Finanzierungsformen wie Private Equity, Private Debt oder die zunehmende Schwarm-Finanzierung ausreichend? Und auf der Nachfrageseite: → Wie steht es um die Finanzierungskultur der Berliner Unternehmenmit innovativen, nachhaltigen Ideen und Lösungen? → Braucht es hier einen „Schubs“ in Richtung stärkerer Kapitalmarktorientierung? → Passen Rechtsformund Governance-Anforderungen, die etwa ein Börsengang mit sich brächte, zu diesen Unternehmen? → Oder werden andere Finanzierungsquellen bevorzugt, weil der Zugang flexibler erscheint und geringere Kosten anfallen? Aufwertung der Berliner Börse? Wichtig sind vor allem ein breites und zu den unterschiedlichen Finanzierungsphasen passendes Angebot an Finanzierungsquellen, ein Regulierungsrahmen, der bei aller Risikoabsicherung die Möglichkeiten der Unternehmensfinanzierung nicht unnötig erschwert, und hohe Transparenz bei Finanzierungszugängen und -kosten. Schon jetzt zielen weitreichende Initiativen auf EU-Ebene wie der „Green Deal“ und das „Sustainable Finance Framework“ auf eine umfassende Transformation der Wirtschaft hin zumehr Nachhaltigkeit ab. Und schon jetzt wird klar, dass dies tiefgreifende Folgen nicht nur für den Finanzsektor, sondern auch für die Unternehmen der Realwirtschaft haben wird. Die EU-Taxonomie zur Nachhaltigkeitsbewertung wirtschaftlicher Aktivitäten wird neue Berichtspflichten mit sich bringen. Perspektivisch wird sich jedes Unternehmen mit der Frage auseinandersetzen müssen, wie es um Nachhaltigkeitsaspekte seines Geschäftsmodells bestellt ist. Es braucht Mut und Kreativität, um neue Denkwege zu gehen. Wie etwa diesen: Braucht es, insbesondere für spätere Finanzierungsphasen, einen Zugang zu einem größeren Investorenkreis, etwa über die Emission von Unternehmensanteilen? Wäre also die Revitalisierung und Aufwertung der Berliner Börse am Finanzplatz Berlin – vielleicht sogar als Leitbörse für den Handel nachhaltiger Unternehmensanteile –mehr als eine Überlegung wert? DieWelt ist imWandel, und sie braucht unsere Ideen, Lösungen und unseren Mut. Gemeinsam mit ihren Partnern setzt sich die IHK Berlin für diesen wichtigen Transformationsprozess auf allen Ebenen ein. ■ 17 Sustainable Development Goals, also nachhaltige Entwicklungsziele, haben die Vereinten Nationen formuliert. Die gilt es bis 2035 in Berlin umzusetzen. 15 IHK BERLIN | BERLINER WIRTSCHAFT 04 | 2022 AGENDA | Vision für Berlin

FOTO: AMIN AKHTAR Die Zukunft des Wirtschaftsstandorts im Blick: Gregor C. Blach von We Do plädiert für eine starke Vollversammlumg schwerpunkt IHK-Wahl

WAHL IN SICHT Die IHK-Vollversammlung ist das Parlament der Berliner Wirtschaft. Über seine künftige Zusammensetzung wird nun entschieden. Warum das Gremium für den Standort so große Bedeutung hat, sagen fünf Unternehmerinnen und Unternehmer. Ihre wichtigste Botschaft: Wählen! von Almut Kaspar 17 IHK BERLIN | BERLINER WIRTSCHAFT 04 | 2022

FOTO: AMIN AKHTAR » Unternehmerin Alexandra Knauer sagt, dass sie sich zunächst die verfügbaren Informationen ansehe, um eine gute Entscheidung zu treffen: „Wenn ich jemanden bereits persönlich kenne und schätze, dann sind seine oder ihre Chancen besonders hoch, meine Stimme zu bekommen.“ Ebenso wichtig: „Die Person sollte in der Berliner Gesundheitswirtschaft gut vernetzt sein – und sie sollte sich für die mir wichtigen Themen soziale, ökologische und ökonomische Nachhaltigkeit einsetzen.“ Für SKS-Geschäftsführer GeroWiese wiederum kommt es vor allem auf das „Wir“ an: „Die Mitglieder der Vollversammlung sprechen nicht für sich oder für ihr Unternehmen, sondern vertreten stets ihre Wahlgruppe“, sagt er, „und deshalb ist es mir wichtig, dass ein Kandidat oder eine Kandidatin sich das zur Aufgabe macht und versucht, die Anliegen der eigenen Branche in die VV einzubringen.“ Buchhändlerin Martina Tittel rät unbedingt zur Einhaltung der Wahlordnung: „Wer mehr Kreuze macht, als es Sitze in seiner Wahlgruppe gibt, oder alle Kreuze auf einen Kandidaten vereint, dessen Stimmzettel ist ungültig.“ „Ich erwarte von der neuen Vollversammlung, dass sie den Schwung aufnimmt, den IHK-Präsident Daniel-Jan Girl in das Amt gebracht hat“, sagt Martina Tittel von der Nicolaischen Buchhandlung, „und ich erwarte, konstruktive Vorschläge aus den Ausschüssen in der VV zu diskutieren, zu verabschieden und mit größtmöglicher Transparenz in die Politik einzuspeisen sowie mit Pressearbeit nicht zu sparen.“ Viele Probleme müssten gleichzeitig angegangen werden – „beispielsweise die Belebung der innerstädtischen Zonen, Digitalisierung, Klimaneutralität, Bildung an den Schulen, mehr Auszubildende“. Druck auf die Politik aufrechterhalten Außerdem gelte es noch immer die Berliner Verwaltung unbürokratischer und wieder erreichbar zumachen. „Unsere Interessenvertretung, die IHKmit ihrer Vollversammlung, sollte den Druck auf die Politik aufrechterhalten“, sagt Gregor C. Blach vonWe Do, „das Behörden-Ping-Pong muss reduziert und die Kleinstaaterei durch die Bezirke weiter eingeschränkt werden, Digitalisierung der Verwaltung, Verkehrs- und Energiewende brauchen den Schulterschluss mit der Wirtschaft, Enteignungen sollten vermieden werden – und für die Kreativwirtschaft brauchen wir Freiräume von Clubs über Freiluftbühnen bis hin zu Atelierflächen und Probenräumen.“ Noch wenige Tage, dann fällt der Startschuss für die Wahl zur Vollversammlung (VV) der IHK, dem Parlament der Berliner Wirtschaft. Die Vorbereitungen laufen seit Monaten auf Hochtouren. Mit einer breit angelegten On- und Offline-Kampagne („Meine Stadt. Mein Unternehmen. Meine Stimme.“) über alle Marketingkanäle unterstützt die IHK Berlin den Wahlkampf der Kandidaten. Das Ziel ist eine höhere Wahlbeteiligung; 2017 lag sie bei neun Prozent und damit ungefähr imbundesdeutschen Durchschnitt. Die Bedeutung der Wahl und des wichtigsten IHK-Gremiums schätzen auch Berliner Unternehmerinnen und Unternehmer hoch ein. Und: Sie haben konkrete Erwartungen an ihre Vertreter in der VV. „Eine hohe Wahlbeteiligung sorgt dafür, dass die Berliner Unternehmerschaft in dem von ihr gewählten Gremium umfassend repräsentiert wird und Rahmenbedingungen der Berliner Wirtschaft mitgestalten kann“, sagt etwa Mona Rübsamen, Geschäftsführerin von 100,6 FluxFM und Vorsitzende des IHK-Branchenausschusses Creative Industries. „Wir sollten uns alle engagieren und an der Wahl teilnehmen.“ Für Gero Wiese, Geschäftsführer der SKS Sondermaschinen- und Fördertechnikvertriebs-GmbH, ist die IHK-Vollversammlung das wichtigste Entscheidungsgremium aller Berliner Unternehmen: „Wer sich dort repräsentiert fühlen möchte, sollte sich auch dafür engagieren und seine Stimmen abgeben.“ Auch Gregor C. Blach, Geschäftsführer der We Do Communication GmbH und geschäftsführender Vorstand des Marketing Club Berlin, ruft zur Wahl auf: „Es ist doch ein Privileg, dass wir nicht nur in der Politik wählen und mitbestimmen dürfen, sondern auch in der Wirtschaft.“ Dieser Meinung schließt sich Alexandra Knauer an, Geschäftsführerin der Knauer Wissenschaftliche Geräte GmbH: „Wie bei einer politischenWahl können wir die Kandidatinnen und Kandidaten auswählen und unterstützen, die ähnliche Vorstellungen haben wie wir selbst – deshalb empfehle ich allen IHK-Mitgliedern, an dieser Wahl teilzunehmen.“ Und Martina Tittel, Geschäftsführerin der Nicolaischen Buchhandlung und bis zum Ende dieser Wahlperiode noch VV-Mitglied, sagt: „Die Berliner Unternehmerschaft sollte die Wahl nutzen – gerade jetzt, in diesen schwierigen Zeiten, ist es wichtig, deren gesammelte Expertise zu bündeln, um sie mit einer Stimme in die Politik einzubringen.“ Kandidatur und Wahl: So unterstützt die IHK Berlin Die Kandidatenprofile mit Fotos und Kurzinfor- mationen zur Person finden sich – auch zur Weiterverlinkung für den individuellen Wahlkampf – auf der Wahlwebsite: ihk-berlin.de/kandidaten Über den Verteiler der „Berliner Wirtschaft“ wird eine Broschüre mit allen Profilen sowie eine Beilage mit demWahlaufruf „WählerIn sind auch Sie!“ verschickt. Über E-Mail und Post sollen Wahlberechtigte direkt zur Stimmabgabe animiert werden. Zur individuellen Unterstützung der Kandidatinnen und Kandidaten gibt es auf Anfrage ein Wahlpaket: persönliches Bewerbervideo zur digitalen Wahlwerbung, Visitenkarte online und offline, Flyer zur VV-Wahl sowie Werbematerial für den persönlichen Wahlkampf. Gregor C. Blach Geschäftsführer We Do Communication GmbH Es ist ein Privileg, dass wir auch in der Wirtschaft wählen und mitbestimmen dürfen. Dankeschön-Kaffee für Wähler im LEH Wer seine Wahlunterlagen direkt im Ludwig Erhard Haus abgibt, erhält im neuen Bistro einen kostenlosen Kaffee. SCHWERPUNKT | IHK-Wahl 18 IHK BERLIN | BERLINER WIRTSCHAFT 04 | 2022

Gero Wiese Geschäftsführer SKS Sondermaschinen- und Fördertechnikvertriebs-GmbH Nicht immer denkt die Berliner Politik so, wie die Wirtschaft sich das wünschen würde.

Für SKS-Chef GeroWiese kommt es in den nächsten fünf Jahren darauf an, die Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft und Politik zu optimieren: „Nicht immer denkt die Berliner Politik so, wie die Wirtschaft sich das wünschen würde“, sagt er, „tatsächlich ist es ein ständiger Dialog, der vom Informieren, Erklären und demWerben für den eigenen Standpunkt geprägt ist.“ Damit das erfolgreich gelingen könne, müsse ein gegenseitiges Vertrauen herrschen. „Im Berliner Senat haben Schlüsselpersonen gewechselt, im Präsidium der IHK und in der Vollversammlung wird es ebenfalls neues Personal geben – es ist deshalb vorrangig, dieses Vertrauen trotz der personellen Veränderungen aufrechtzuerhalten und zu stärken. Gemeinsam mit der Politik gelingt es uns voranzukommen, und da gilt es in der nächsten Legislaturperiode viel Mühe zu investieren.“ Damit die IHK Berlin mit ihrem Herzstück VV diese Erwartungen erfüllen kann, braucht sie ein starkes Mandat. „Das bekommt sie, wenn sich möglichst viele Mitgliedsunternehmen in die Arbeit der Kammer einbringen“, sagt Ulrich Misgeld, Vorsitzender des Wahlausschusses. Sein Appell: „Beteiligen Sie sich an der Wahl – denn nur so wird gewährleistet, dass dieses Parlament der Wirtschaft auch Ihre Interessen vertritt.“ Die neue Vollversammlung, davon ist Mona Rübsamen von 100,6 FluxFM überzeugt, werde das unternehmerische Know-how einbringen, die Interessen der Berliner Gesamtwirtschaft steuern und gemeinsammit dem IHK-Hauptamt die Kammer lenken. „Gemeinsam mit der Politik wird sie die relevanten Themen wie Fachkräftemangel, Digitalisierung der Verwaltung, digitale Bildung oder Wohnungsmangel angehen und dadurch die Zukunftsfähigkeit der Berliner Wirtschaft prägen.“ Werben für den eigenen Standpunkt Was Alexandra Knauer von der Knauer Wissenschaftliche Geräte GmbH von dem Gremium erwartet, formuliert sie so: „Zu den drängenden Aufgaben zählen für mich vor allem eine reibungslosere, moderne Verwaltung und die Transformation zu mehr Nachhaltigkeit.“ Und fährt fort: „Akut wollen wir alle den Menschen aus der Ukraine helfen, und das betrifft dann zumBeispiel auch verstärkt die Verfügbarkeit von Wohnungen bei uns und das Thema der bezahlbaren Mieten – die Repräsentanten in der Vollversammlung, die Mitarbeiter der IHK und die Berliner Unternehmen können gemeinsam sehr viel leisten und erreichen.“ Martina Tittel Geschäftsführerin Nicolaische Buchhandlung In diesen schwierigen Zeiten ist es wichtig, die gesammelte Expertise der Berliner Unternehmerschaft zu bündeln. SCHWERPUNKT | IHK-Wahl

» 21 IHK BERLIN | BERLINER WIRTSCHAFT 04 | 2022 Alexandra Knauer Geschäftsführerin Knauer Wissenschaftliche Geräte GmbH Zu den drängendsten Aufgaben zählen eine moderne Verwaltung und eine Transformation zu mehr Nachhaltigkeit. würden in der Vollversammlung dieWirtschaftslage, die IHK-Aktivitäten und die Finanzen beraten und entschieden – wobei auf bestmögliche Transparenz geachtet werde: „Die Protokolle der VV-Tagungen können jederzeit auf der IHK-Website eingesehen werden.“ Die Vollversammlung soll ein Spiegelbild der Berliner Wirtschaft sein, in demGremium sollen alleWirtschaftsgruppen nach ihrer Bedeutung an der Willensbildungmitwirken können. „Deshalb“, sagt Ulrich Misgeld, „werden die Sitze der Vollversammlung entsprechend der Berliner Wirtschaftsstruktur in 14 Wahlgruppen eingeteilt.“ Teilweise haben diese Wahlgruppen nochmals Untergruppen, um die einzelnenWirtschaftsbereiche differenzierter abbilden zu können. „Hier ist die Branchenmischung der bestimmende Faktor – Branchenmit einem hohen Anteil amWirtschaftsgeschehen der Stadt sind stärker repräsentiert, andere wiederum schwächer.“ So bekommt zum Beispiel die Kreativwirtschaft acht Sitze, die Gesundheitswirtschaft insgesamt sieben Sitze, davon aus dem Bereich Genau 99 demokratisch gewählte Unternehmerinnen und Unternehmer gehören der Vollversammlung der IHK Berlin an. Dieses Parlament der örtlichenWirtschaft ist das Herzstück der IHK und bestimmt deren inhaltliche Arbeit – von Stadtentwicklungs- und Infrastrukturfragen über branchenspezifische Themen bis hin zu bildungspolitischen oder außenwirtschaftlichen Angelegenheiten. Die Vollversammlung (VV) entwickelt zudem Positionen für die Beratung von Politik und Verwaltung sowie Services für Unternehmen und vertritt die über 300.000 IHK-Mitgliedsunternehmen in Berlin. Gewählt werden die ehrenamtlichen VV-Mitglieder für jeweils fünf Jahre. Und weil dieWahlperiode der im Jahr 2017 gewählten Vollversammlung im Juli abläuft, steht nun wieder eine Neuwahl an. Für deren Durchführung ist ein dreiköpfiger Wahlausschuss unter Vorsitz von Ulrich Misgeld verantwortlich, der die Wahlfrist festlegt, alle organisatorischen Entscheidungen trifft und letztlich die Wahl auch überwacht. „Die IHK ist eine wichtige und akzeptierte Stimme der Wirtschaft“, weißMisgeld, „und die dafür erforderliche Willensbildung findet in der Vollversammlung statt – unabhängig von politischen Strömungen.“ Das Präsidium unterstütze die Arbeit der Vollversammlung, indem es wichtige Themen oder erforderliche Beschlüsse der Vollversammlung inhaltlich vorbereitet. „Gemeinsammit demPräsidenten leitet das Präsidium die IHK Berlin im Sinne der Entscheidungen und Vorgaben durch die Vollversammlung.“ Die tagt in der Regel viermal im Jahr, weshalb sich der Zeitaufwand für die ehrenamtlichen Mitglieder in Grenzen hält. „Wertvolle Arbeit wird in den 20 Branchen- und Fachausschüssen der IHK geleistet, über deren Beratungsergebnisse und Empfehlungen regelmäßig in den Sitzungen der Vollversammlung berichtet wird.“ Grundsätzlich, so Misgeld, 310.000 Mitgliedsunternehmen wählen vom 25. April bis 23. Mai die 99-köpfige Vollversammlung Herzstück der IHK Berlin FOTOS: AMIN AKHTAR

Mona Rübsamen Geschäftsführerin 100,6 FluxFM Eine hohe Wahlbeteiligung sorgt dafür, dass die Unternehmerschaft umfassend repräsentiert wird.

23 IHK BERLIN | BERLINER WIRTSCHAFT 04 | 2022 14 Wahlgruppen (99 Mitglieder) Baugewerbe, Immobilienwirtschaft Gesundheitswirtschaft 7 13 Digitale Wirtschaft Kreativwirtschaft Verkehr, Mobilität, Logistik Investitionsgüterindustrie Konsumgüterindustrie Versorgung, Entsorgung 11 8 4 5 4 2 5 8 12 8 4 8 Großhandel und Handelsvermittlung Einzelhandel Banken, Versicherungen, Finanzdienstl. Freizeit- u. Tourismuswirtschaft, Gastgew. Unternehmensberatung Unternehmensservices Sitzverteilung in der IHK-Vollversammlung Auf diese 14 Wahlgruppen sind die Unternehmen aufgeteilt Grafik: BW Quelle: IHK Berlin men sie ihre Zugangsdaten zum Wahlportal für die elektronische Wahl. „Besonderes Augenmerk haben wir darauf gelegt, dass die elektronische Wahl auch so sicher ist wie die anloge“, sagt Ulrich Misgeld. So ist ein BSI-zertifizierter Anbieter für die Durchführung der Online-Wahl beauftragt worden. „Unabhängig davon haben wir uns das zertifizierte Online-Wahlsystem im Wahlausschuss detailliert erläutern lassen – alle aufgetretenen Fragen konnten zu unserer Zufriedenheit geklärt werden.“ Nach dem Ende der Wahlfrist am 23. Mai erfolgt voraussichtlich am oder ab dem darauffolgenden Tag die Auszählung. Bekannt gemacht wird das Wahlergebnis vom Wahlausschuss auf der Internetseite der IHK Berlin, imAmtsblatt des Landes Berlin und in der „Berliner Wirtschaft“. Ein paar Wochen später, am 28. Juni, werden sich dann die Mitglieder der neuen Vollversammlung imKonferenzzentrumdes Ludwig Erhard Hauses zur konstituierenden Sitzung treffen. Hier sollen vor allem ein Präsident oder eine Präsidentin sowie die Vizepräsidenten und weitere Präsidiumsmitglieder gewählt werden. afk Industrie drei, aus demBereich Handel zwei und aus demBereich Dienstleistungen ebenfalls zwei. Nach wirtschaftlicher Bedeutung hat der Bereich Baugewerbe und Immobilienwirtschaft 13 Sitze, drei fürs Baugewerbe und zehn für die Immobilienwirtschaft. Auf nur zwei Sitze kommt dagegen die Ver- und Entsorgungsbranche. „Wahlberechtigt sind in diesem Jahr rund 310.000 Unternehmen, die zur IHK Berlin gehören und in die Wählerlisten für die einzelnen Wahlgruppen eingetragen sind. „Diese Unternehmen“, sagt Ulrich Misgeld, „üben das Wahlrecht durch eine Person aus, die allein oder zusammen mit anderen zur gesetzlichen Vertretung befugt ist.“ Wählen könne auch ein im Handelsregister eingetragener Prokurist oder ein Wahlbevollmächtigter. „Wenn ein gelistetes Unternehmen seinen Hauptsitz nicht in Berlin hat, ist es möglich, das Wahlrecht auch auf einen befugten Vertreter der hier ansässigen Betriebsstätte oder Niederlassung zu übertragen.“ Jedes wahlberechtigte Unternehmen hat allerdings nur so viele Stimmen, wie es Sitze in der entsprechenden Wahlgruppe gibt. Für jeden Kandidaten kann jeweils nur einmal gestimmt werden. Wer in den einzelnen Firmen wahlberechtigt ist, kann auch selbst für einen Sitz in der IHK-Vollversammlung kandidieren. Hier gilt: Jedes IHK-Mitgliedsunternehmen darf nur eine Kandidatin oder einen Kandidaten für seine Wahlgruppe nominieren. Wahlbewerbungen konnten vom 1. bis zum 21. Februar beim Wahlausschuss eingereicht werden – nachgewiesen werden musste nicht nur die Vertretungsberechtigung im entsprechenden Unternehmen, die Kandidatinnen und Kandidaten mussten auch mindesten drei Unterstützer finden. „Für die Wahl zur Vollversammlung bewerben sich nun 230 Personen“, sagt Ausschuss-Vorsitzender Misgeld, „bei der VV-Wahl 2017 waren es nur 202.“ Von den 230 Kandidatinnen und Kandidaten hätten sich 60, die derzeit noch in der Vollversammlung sitzen, erneut beworben – die restlichen 170 träten erstmals an. Schriftlich oder elektronisch wählen Gewählt werden kann vom 25. April bis zum 23. Mai – entweder schriftlich oder elektronisch. Für die Briefwahl erhalten die Wahlberechtigten von der IHK Berlin ihre Wahlunterlagen: Stimmzettel, Wahlschein sowie jeweils einen Umschlag für den Stimmzettel und einen für die Rücksendung der Wahlunterlagen. Zusätzlich bekomVorsitzender des Wahlausschusses Als Vorstandssprecher der Berliner Volksbank wurde Ulrich Misgeld 1996 erstmals in die VV gewählt. Später gehörte er ihr als Vorstandsmitglied der Selux AG an, bis er 2016 altersbedingt aus dem Unternehmensvorstand und damit auch aus der VV ausschied. Misgeld war Mitglied des Präsidiums der VV und Schatzmeister der IHK Berlin. Der 71-Jährige ist heute Vorsitzender des Unternehmensnetzwerks Motzener Straße. FOTOS: AMIN AKHTAR SCHWERPUNKT | IHK-Wahl

Stephan Schwarz Wirtschaftssenator Nach dem Studium der Geschichtswissenschaften in Berlin und Paris hat Stephan Schwarz erste Berufserfahrungen im Paris Verlag L’arche Éditeur gesammelt. Seit 1990 war er in dem 1920 gegründeten Familienunternehmen GRG tätig. Von 1996 bis 2021 war er geschäftsführender Gesellschafter der Gebäudereinigung. Stephan Schwarz ist Ehrenvorsitzender der Handwerkskammer Berlin. Von 2012 bis 2014 amtierte er als Vizepräsident der IHK Berlin S tephan Schwarz trat das Amt des Wirtschaftssenators in außerordentlich schweren Zeiten an. Den Klimawandel, die Digitalisierung und die Fachkräftesicherung hält er für die größten aktuellen Herausforderungen. Gerade bei Letzterem kann die IHK, getragen von der Vollversammlung, seiner Ansicht nach eine ganz wichtige Rolle spielen. Berliner Wirtschaft: Wenn dieses Interview erscheint, sind die berühmten ersten 100 Tage schon vorbei: Wie war’s? Stephan Schwarz: Die Zeit ist rasant vergangen. Eine Schonfrist von 100 Tagen gab es leider nicht. Denn der Senat war krisengetrieben, erst von Corona, nun vomKrieg in der Ukraine. Trotzdem haben wir es geschafft, unser 100-Tage-Programm durchzusetzen. Die Zusammenarbeit im Senat habe ich als äußerst kollegial wahrgenommen – getragen von dem gemeinsamen Wunsch, unsere ambitionierten Ziele gemeinsam durchzusetzen. Wenn Sie an Ihren ersten Arbeitstag als Senator in der Martin-Luther-Straße zurückdenken – was fällt Ihnen da als Erstes ein? Die Bedeutung des grünen Stiftes. Den hat mir meine Vorgängerin Ramona Pop bei der Übergabe geschenkt. Das ist die Senatorenfarbe, die vieles möglich macht. Und ganz ehrlich: Worüber haben Sie sich am meisten gewundert? Gewundert habe ich mich, wie stark digitalisiert diese Verwaltung schon ist – mitsamt E-Akte und einer gut funktionierenden digitalen Infrastruktur. Quereinsteiger in der Politik sind in Deutschland ja immer noch sehr selten, was denken Sie: Woran liegt das? Das System Politik lässt wenig Möglichkeiten zu wechseln – und zwar in beide Richtungen. In anderen Ländern wie in England und den USA ist der Wechsel zwischen Politik undWirtschaft viel selbstverständlicher, und die Sphären sind durchlässiger. In Deutschland ist diese Form des Rollenwechsels noch nicht so anerkannt. Welche Vorteile sehen Sie darin, dass ein Unternehmer jetzt an der Spitze der Senatsverwaltung für Wirtschaft steht? Aus Sicht der Unternehmen ist es gut, wenn auf der anderen Seite jemand die Sprache der Wirtschaft spricht und sie versteht. Ich kenne die Themen der Wirtschaft aus eigener Anschauung, daher kann es passieren, dass zuweilen Entscheidungen auch wirtschaftsnah entschieden werden. Welche Schwerpunkte möchten Sie in den nächsten fünf Jahren setzen? Dieser Senat ist mit der klaren Vorstellung an den Start gegangen, diese Stadt in Partnerschaft mit den Unternehmen voranzubringen und sie lebenswert und zukunftsfähig zu machen. Deshalb wird ein Schwerpunkt meiner Arbeit darin liegen, engen » Die Sprache der Wirtschaft verstehen Stephan Schwarz, Senator für Wirtschaft, Energie und Betriebe des Landes Berlin, weiß als ehemaliger Unternehmer und aus seinen Ehrenämtern bei Kammern, was Firmen bewegt von Claudia Engfeld Ich kenne die Themen der Wirtschaft aus eigener Anschauung. Stephan Schwarz FOTO: PA/DPA/ANNETTE RIEDL SCHWERPUNKT | Interview 24 IHK BERLIN | BERLINER WIRTSCHAFT 04 | 2022

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