Berliner Wirtschaft April 2021
19 IHK BERLIN | BERLINER WIRTSCHAFT 04 | 2021 AGENDA | Metropolregion D ie Metropolregion Berlin-Branden- burg ist Heimat für fast sechs Millionen Menschen und Standort für mehr als 475.000 Unternehmen. Fast drei Millio- nen Erwerbstätige arbeiten, entwickeln und for- schen hier. Die von intensiven wirtschaftlichen Verflechtungen geprägte Region wird dabei von administrativen Grenzen durchzogen, von denen die Landesgrenze zwischen Berlin und Branden- burg die einschneidendste ist. Daher ist das Vor- haben der beiden Länder, in einem strategischen Gesamtrahmen die Entwicklung der Hauptstadt- region zu koordinieren, ein wichtiger, aber auch überfälliger Schritt; andere Metropolregionen sind hier schon weiter. Bisher allerdings ist diese Strategie nicht mehr als ein umfangreiches Papier, zu dessen Umsetzung politischer Wille und admi- nistratives Geschick Voraussetzung sind. Die Industrie- und Handelskammern haben gegenüber den Landesregierungen Stellung zum strategischen Gesamtrahmen genommen und aufgezeigt, wo dieser aus Sicht der Wirtschaft energisch umgesetzt oder verbessert werden muss. Die umfangreiche Kommentierung kann hier nur ausschnittsweise behandelt werden. Dringender Abstimmungsbedarf Aus Sicht der IHKs muss die industriepolitische Abstimmung zwischen den Ländern erheblich verbessert werden. Beispiele wie die Tesla-An- siedlung zeigen deutlich die inhaltlichen Anknüp- fungspunkte (u. a. Verkehrsanbindung und Fach- kräftebedarf) sowie die dringende Notwendig- keit für eine Zusammenarbeit auf. Insbesondere Projekte von überregionaler Strahlkraft müssen länderübergreifend begleitet werden. Dabei gilt es vor allem die individuellen Standortengpässe gemeinsam zu kompensieren und jeweilige Stär- ken zusammen auszuspielen. Kann z. B. nur Bran- denburg geeignete Flächen für eine bestimmte Produktion bereitstellen, ist Berlin tendenziell die Quelle geeigneter Fachkräfte sowie wichtiger For- schungs- und Dienstleistungsstandort. Auch muss die Metropolregion ihre Marke „German Capital Region“ stärker etablieren. Einer Intensivierung der Zusammenarbeit zwischen denWirtschaftsfördergesellschaften beider Län- der sollte daher eine höhere Priorität eingeräumt werden. Es gilt die Konkurrenzsituation aufzu- lösen und gemeinsame Ziele zu definieren, die einen Erfolg der Hauptstadtregion in den Fokus setzen und Ansiedlungen auf Kosten des Nach- barn zumNullsummenspiel machen. Dazu zählt auch die gebotene Harmonisierung der Förderpo- litik: Die Programme der beiden Länder müssen vereinheitlicht werden, um die Standortkonkur- renz auf Basis von Fördermitteln aufzulösen. In jährlich stattfindenden Foren sollten sich Stake- holder und Wirtschaftsförderer beider Bundes- länder zu Förderprogrammen austauschen und Bestehendes evaluieren. Ziel ist es, Best-Practice- Beispiele zu finden, die in Berlin und Branden- burg synchronisiert werden können. Gemeinsames Handeln ist geboten Bei kaum einem Thema muss die Zusammen- arbeit so schnell vorangetrieben werden wie bei der Verkehrs- und Flächenplanung. Es müssen transparent gemeinsame Ziele und Pläne for- muliert werden, für alle Verkehrsträger; Anträge bei der EU und die Aufnahme in den Bundes- verkehrswegeplan von wichtigen Projekten gilt es voranzutreiben. Für den ÖPNV müssen wei- tere Haushaltsmittel bereitgestellt werden. Auch die Grundlinien der Verkehrsentwicklung sollten vereinheitlicht werden. Die Metropolregion bildet einen durch Pend- ler eng verbundenen Arbeitsmarkt. Folglichmüs- sen die Arbeitgeberservices beider Bundesländer stärker zusammenarbeiten. Neben einer ein- heitlichen Datenstruktur muss der Austausch der Behörden verstetigt werden. Landesgrenzen dürfen bei der Vermittlung in Arbeit keine Rolle spielen. Die Bereitschaft der Berlinerinnen und Berliner, in Brandenburg zu arbeiten, ist derzeit noch zu gering. Die Vermittlungsarbeit und Bera- tung der Berliner Bewerbenden muss daher im Vordergrund stehen, um auf einem gemeinsa- men Arbeitsmarkt Erfolge zu erzielen. Die aktu- ellen Arbeitsmarktzahlen unterstreichen die Not- wendigkeit, Berlinern in Brandenburg Beschäf- tigungsperspektiven aufzuzeigen. Längerfristig gilt es den gemeinsamen Arbeitsmarkt durch eine gemeinsame Fachkräftestrategie zu flankieren. Von standortpolitischen Faktoren –wie etwa Kita-Ausbau und Schulqualität – bis hin zu Ein- wanderung und Weiterbildung sollten sich die Länder auf einen gemeinsamen Strategierahmen verständigen. Dafür können auch entsprechende Zielgruppen (z. B. KMU) oder gemeinsame Her- ausforderungen (z. B. Digitalisierung und Rekru- tieren von IT-Fachkräften) als Orientierung die- nen. Diese Strategie sollte auch einen gemeinsa- men internationalen Außenauftritt umfassen. Zur Finanzierung könnten Mittel aus dem EU-Kon- junkturpaket herangezogen werden. ■ FOTO:FOTOSTUDIO CHARLOTTENBURG 35% mehr Brandenburger sind 2020 im Vergleich zu 2007 nach Berlin zur Arbeit gependelt. 34% mehr Hauptstädter haben 2020, verglichen mit 2007, in Brandenburg gearbeitet – bei deutlich geringerer Ausgangs- größe. Christian Nestler, IHK-Experte für Konjunktur Tel.: 030 / 315 10-286 christian.nestler@ berlin.ihk.de
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