An den Tag, als Maziyar Mashhadi Ghasemi Ausbilder wurde, wird er sich noch lange erinnern: „Ich war so glücklich! Auf dem Heimweg im Auto habe ich eine halbe Stunde lang gesungen vor Freude. Das war ein echt schöner Moment.“ Als Ghasemi 2014 aus dem Iran nach Deutschland kommt, versteht er schnell, dass Bildung für das Leben in Deutschland ein wichtiges Fundament ist. Sein Schulabschluss wird nicht anerkannt, also holt er den deutschen Schulabschluss an der Abendschule nach. Hierfür fährt er jeden Tag zwei Stunden aus seinem Wohnort nach Cottbus und zwei Stunden zurück. Dann erfährt Ghasemi 2019 über einen Freund vom Verein „Be an Angel“ und seinem Gründer Andreas Tölke – eine Begegnung, die seinem Leben eine entscheidende Wendung geben wird. Auch Tölkes Leben hatte sich in den Jahren zuvor grundlegend verändert. Bewegt von den Schicksalen der Menschen, die 2015 Schutz in Deutschland suchten, gab Tölke seine Arbeit als Journalist auf und verschrieb sich der Unterstützung von Geflüchteten. Wie viele in diesen Jahren erkannte er das Potenzial, Geflüchteten mit einer Ausbildung nachhaltige Berufsperspektiven zu schaffen – und dem Fachkräftebedarf in Deutschland etwas entgegenzusetzen. Er gründete den Verein „Be an Angel“, der Menschen beim Ankommen hilft und heute auch internationale Nothilfe organisiert. Herzkammer des Projekts ist der „Kreuzberger Himmel“, ein eigenständiger Restaurantbetrieb, der von Menschen mit Fluchthintergrund geführt wird und auf gehobene syrische Küche und Weine aus dem Libanon setzt. Hier beginnt Ghasemi die Ausbildung zur Fachkraft im Gastgewerbe. Er merkt schnell: Die Arbeit zwischen Kunden und Küche, das pralle Leben eines Kreuzberger Gastronomiebetriebs – das liegt ihm. Die größte Herausforderung: theoretische Tests und Prüfungen voller Fachbegriffe an der Berufsschule. Ein Beispiel: Da er die Vokabel „Kürbis“ noch nicht kennt, kann er auch keine Fragen zur Zubereitung des Gemüses beantworten. Aber Ghasemi gibt nicht auf: „Wenn ich etwas will, dann lerne ich. Ich konnte mit der Sprache nicht so frei umgehen, also habe ich die Sätze in meinem Gehirn einfach kopiert.“ Erst seit Kurzem gibt es mit dem ausbildungsbegleitenden Sprachunterricht am OSZ Gastgewerbe ein Angebot für zugewanderte Azubis. Und das Auswendiglernen lohnt sich: Nach der erfolgreichen Abschlussprüfung tritt Ghasemi eine Stelle als Oberkellner bei Hafis, einem der traditionsreichsten persischen Restaurants Berlins, an. Hier übernimmt er direkt viel Verantwortung: eigenständig Bestellungen planen und Veranstaltungen organisieren. Er fühlt sich beruflich angekommen. Bis eines Tages sein Ausbildungsbetrieb anruft und fragt, ob er als Ausbilder zurückkehren würde. Ghasemi ist unsicher, aber sagt sich: „Wenn ich es nicht schaffe, dann habe ich es zumindest versucht.“ Der Ausbilderlehrgang ist eine große Herausforderung: „Die Worte, die im Kurs verwendet wurden, waren ganz anders als im Alltag. Nach dem Unterricht habe ich jeden Abend vier Stunden gelernt und oft erst dann gemerkt, dass ich eigentlich viele Antworten wusste.“ Besonders geholfen hat ihm die App „IHK Lernen mobil“ mit Prüfungsaufgaben und Lernhinweisen. Seit Anfang Februar betreut Ghasemi zwei Azubis: „Mein Ziel ist es, sie gründlich auf das Arbeitsleben vorzubereiten. Ich will professionell erklären können, warum zum Beispiel ein Tisch nach festen Regeln eingedeckt wird oder warum es Weingläser in verschiedenen Stärken gibt. Sie sollen, wenn sie aus dieser Tür herausgehen, selbstbewusst in ihre berufliche Zukunft starten und in erstklassigen Restaurants und Hotels arbeiten können.“ Früher war es Ghasemis Ziel, ein eigenes Café aufzumachen. Die neue berufliche Rolle hat seine Perspektive geweitet, und er denkt darüber nach, wie er sich weiterentwickeln kann. Er hat erkannt, dass er gern Menschen anleitet und ihnen hilft, ihr Potenzial zu entfalten, und sagt: „Kann sein, dass ich mal Hotelmanager bin! Es wäre toll, so ein ganzes Haus zu führen.“ Der berufliche Schritt zum Ausbilder wird also wohl nicht der letzte sein, für den Ghasemi nach einem langen Arbeitstag den Kopf in Bücher und Lern-Apps versenkt. ■ Maziyar Mashhadi Ghasemi kam vor zehn Jahren als Jugendlicher aus dem Iran. Heute bildet er Azubis aus. Und ist womöglich noch nicht am Ziel von Hannes Leber Von einem, der es wissen will Integrationsengel Der Verein „Be an Angel“ vermittelt Geflüchtete an Unternehmen. Informationen dazu unter: be-an-angel.org, Kontakt: info@be-an-angel.org Maziyar Mashhadi Ghasemi (großes Bild) absolvierte zunächst eine Ausbildung im Gastronomiebetrieb Kreuzberger Himmel, der von Geflüchteten geführt wird und auf syrische Küche spezialisiert ist. Heute ist Ghasemi als Ausbilder wieder Teil des Restaurantteams (Bild unten links) und macht zwei Azubis fit für die Zukunft FOTOS: HANNES LEBER, MARTIN MAI PHOTOGRAPHY (2) Integration | 47 Berliner Wirtschaft 03 | 2025
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