Berliner Wirtschaft März 2025

Die Kunst des Loslassens Die Übergabe eines Unternehmens, egal ob in der Familie oder extern, ist oft ein langer Prozess mit Höhen und Tiefen. Davon können Andreas Peter und Sohn Adrian ein Lied singen Seite 20, Interview Seite 28 Wohnraum Unternehmen suchen für Beschäftigte nach eigenen Lösungen Seite 18 EMAS Umweltmanagement: IHK Berlin geht mit gutem Beispiel voran Seite 58 Studie Netzwerke als Innovationstreiber Lokale Initiativen von Unternehmen sind echte Zukunftsorte Seite 12 Das Magazin der Industrie- und Handelskammer zu Berlin 03/2025 ihk.de/berlin

Klimaschutzpartner des Jahres 2025 Berlins renommierter Klimaschutzpreis seit 2002 Für Unternehmen, Selbstständige, Bürgerinnen und Bürger und öffentliche Einrichtungen Mit freundlicher Unterstützung Assoziierte Partner Bewerben Sie sich jetzt!

Sebastian Stietzel ist Präsident der IHK Berlin und Geschäftsführer der Marktflagge GmbH, Management & Investments Der Wahlkampf ist vorbei, und das ist erst einmal gut, steigt doch die Wahrscheinlichkeit, dass die Politik sich endlich wieder einer ihrer wichtigsten Aufgaben widmet: den Standort Deutschland voranzubringen. Was die Berliner Wirtschaft diesbezüglich erwartet, haben die Unternehmerinnen und Unternehmer bei unserer Wahlarena und in unserer IHK-Wahlumfrage sehr deutlich artikuliert. Bürokratieabbau, niedrigere Energiekosten und eine Reform der Unternehmensbesteuerung landen – wieder einmal – ganz oben auf der To-do-Liste für die Politik. (S. 10) Dass der Handlungsbedarf groß ist, zeigen auch die Ergebnisse unserer aktuellen Konjunkturumfrage (S. 16). Die Unternehmen in Berlin und Brandenburg stehen unter Druck, die Hauptstadtregion erlebt die seit 20 Jahren längste konjunkturelle Schwächephase. Im Sinne des Wirtschaftsstandorts sollten sich die Parteien jetzt also nicht zu viel Zeit lassen mit der Regierungsbildung. Denn die Welt wartet nicht, bis wir uns sortiert haben. Ihr Stadtentwicklung „Zukunft Beschäftigten- wohnen?!“ hieß eine IHK-Veranstaltung Mitte Februar, in der Wirtschafts-, Politik- und Verbandsvertreter über Konzepte für die Schaffung von Wohnraum für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter diskutierten. Dabei lassen sich Berliner Unternehmen schon einiges einfallen. Seite 18 Die „Berliner Wirtschaft“ gibt es auch online: ihk.de/berlin/berliner-­ wirtschaft Zeit für die Politik, den Standort voranzubringen ZEICHNUNG: ANDRÉ GOTTSCHALK; TITEL: AMIN AKHTAR Berliner Wirtschaft 03 | 2025 Editorial | 03

Handel Platte.Berlin wolle jungen Designern und Designerinnen ein Forum bieten, sagt Diana Weis, Vorstandsvorsitzende 32 20Nachfolge Eine gewisse Schnittmenge zwischen den Beteiligten muss es bei der Übergabe eines Unternehmens geben BRANCHEN 32 Handel Der Verein Platte.Berlin bietet Designkreationen ein Forum 36 Gründerinnen Entrepreneurinnen treffen sich zum Podcast-Talk 38 Nachhaltigkeit ESMT Berlin bietet Einblicke in Impact-Gründungen 39 Start-up Julian Schröder, Fuxam GmbH, im Kurzinterview 40 Einzelhandel Bio Company wird 25 und weitet seinen Lieferdienst aus 42 Nahrungsergänzung Berliner Unternehmen Hech ist erfolgreich in China 44 Jubiläum JazzRadio Berlin blickt auf 30 klangvolle Jahre zurück 45 Historie Bekannt wurde Emil Hermann durch Kolonialwaren, aber der Renner war sein Schmalz AGENDA 10 Wahlarena Spitzenkandidatinnen und -kandidaten stellten sich den Fragen der Wirtschaft 12 Standort Studie rückt innovative Gewerbe-Areale in den Fokus 15 Kolumne Roman Kaupert plädiert für mehr Weitblick und Verantwortungsbewusstsein 16 Konjunktur Umfrage in Brandenburg und Berlin zeichnet düsteres Bild 18 Stadtentwicklung IHK-Veranstaltung diskutiert Konzepte zur Schaffung von Wohnraum für Beschäftigte FOKUS 20 Unternehmensnachfolge Die Übergabe eines Betriebs ist oft ein heikler Prozess und erfordert Zeit wie Expertise. Die IHK unterstützt dabei 24 Unternehmenspraxis Erfahrungsberichte von Ahlberg Metalltechnik, dem Software-Unternehmen SRP und der New Natural GmbH 28 Interview Andreas und Adrian Peter, Peter & Krebs, berichten von ihren Erfahrungen bei der Übergabe des Betriebs Andreas Peter Geschäftsführer der Firma Peter & Krebs 28 Ich glaube, dass alle erfolgreichen Unternehmer sich schwertun, das Loslassen zu lernen. Inhalt | 04

Integration Mit einer Ausbildung im „Kreuzberger Himmel“ startete Maziyar Mashhadi Ghasemi seine Karriere 46 FACHKRÄFTE 46 Integration Maziyar Mashhadi Ghasemi kam als Jugendlicher aus dem Iran, jetzt bildet er Azubis aus 48 Bildung IHK-Initiative „Kinder forschen“ zieht positive Bilanz 49 Selbstständigkeit Neues IHK-Format will unternehmerisches Denken bei Jugendlichen fördern 50 Berufsorientierung Mit praktikum.berlin Kontakte zu jungen Talenten knüpfen 52 Verbundausbildung Logistik-Azubis bekommen Insights in den Schiffsverkehr SERVICE 54 Nachhaltigkeit Ausblick auf die Sustainability Week der IHK Ende März 56 Außenwirtschaft Blick auf neue Vorschriften, Erfahrungen in der Praxis 58 Nachhaltigkeit Welche Vorteile bringt eine EMAS-Zertifizierung? Die IHK Berlin hat sie jetzt auch 61 Sachverständigenwesen Zwei neue Experten und eine Expertin öffentlich bestellt 62 Beratung Produktsicherheitsverordnung: Der Onlinehandel muss viele Pflichten beachten 03 Editorial | 06 Entdeckt | 48 Impressum | 53 Seminare 65 Gestern & Heute | 66 Zu guter Letzt Schreiben Sie uns Worüber möchten Sie in der „Berliner Wirtschaft“ informiert werden? Senden Sie Ihre Anregungen per Mail an: bw-redaktion@berlin.ihk.de ILLUSTRATION: GETTY IMAGES/IVICA VELJASEVIC, GETTY IMAGES/A-DIGIT; FOTOS: AMIN AKHTAR, BEN MÖNKS, HANNES LEBER Berliner Wirtschaft 03 | 2025 Inhalt | 05 das uns! Überlassen Sie Professionelle Entsorgungslösungen für: Gewerbeabfälle Bedarfsgerechte Konzepte zur Erfassung Ihrer gemischten Gewerbeabfälle – entsprechend der Gewerbeabfallverordnung Altpapier Beste Preise für Industrie, Handel, Gewerbe, Wohnungswirtschaft und Privathaushalte Gewerbefolien Kostengünstige und umweltgerechte Wertstoffentsorgung Andere Abfälle Zuverlässige Erfassung aller anderen Abfälle zur Verwertung (Glas, Holz, Schrott, E-Schrott) Bartscherer & Co. Recycling GmbH Montanstraße 17-21 13407 Berlin Tel: (030) 408893-0 Fax: (030) 408893-33 www.bartscherer-recycling.de Bestellungen direkt im Onlineshop. Günstige Pauschalpreise für Umleerbehälter von 240 l bis 5,5 cbm.

Oben rattert die U1 auf ihrem Viadukt, unten schiebt sich der Verkehr über die Gitschiner Straße. Die Gegend rund um den U-Bahnhof Prinzenstraße hat einen eher spröden Charme. Glanz ins Grau bringt Light Delux, das auf Kronleuchter spezialisierte Unternehmen von Erkan Tahta. Über und über voll behängt mit den kristallbestückten Lampen, gleicht das Geschäft einer märchenhaften Schatzhöhle mitten in Kreuzberg. 2007 startete der gelernte Fachverkäufer Tahta in die Selbstständigkeit. An- und Verkauf, Reparatur, sogar die Vermietung von Kronleuchtern für spezielle Anlässe bietet er an. Wenn viel los ist, helfen sein Bruder und andere Familienangehörige mit. Manche der opulenten Gebilde bräuchten einen Ballsaal. Ungezählte Ersatzteile, aus denen auch neue Leuchter entstehen können, warten auf Kunden. Für Erkan Tahta hat das glanzvolle Chaos System. Es ist sein Leben. Lichtgestalt FOTO: ULRICH SCHUSTER Berliner Wirtschaft 03 | 2025 Entdeckt | 06

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„Die Ergebnisse zeigen auch Wege aus der Krise auf. So verschärfen Auflagen und Berichtspflichten, langsame Genehmigungsverfahren und zu wenig digitalisierte Prozesse in den Verwaltungen die derzeitige Wirtschaftslage. Dazu kommen die hohen Energiekosten und eine überholungsbedürftige Infrastruktur. Die wesentliche Forderung der Berliner Wirtschaft ist deshalb, bürokratische Hürden nicht nur einfach abzubauen, sondern mit Schwung einzureißen.“ Mehr zur Konjunkturumfrage Seite 16 Die IHK-Konjunkturumfrage deutet auf weiterhin trübe Aussichten für die Berliner Wirtschaft hin Bürokratische Hürden einreißen gesagt Manja Schreiner, Hauptgeschäftsführerin IHK Berlin 500 Mio. Euro Wertschöpfung werden laut einer Studie der Investitionsbank Berlin am Zukunftsort Berlin-Buch erwirtschaftet. Rund 6.500 Menschen sind an dem Standort der Gesundheitswirtschaft beschäftigt, die Hälfte davon in der Forschung und Entwicklung. kopf oder zahl Daniel Fellhauer Alice Schmalzl hat zum 1. Februar die Position des Chief Transformation Officers bei der Thermondo GmbH angetreten. Fellhauer ist Gründer und CEO des PV-Instal- lateurs Febesol, den Thermondo im April 2024 übernommen hat. Als Teil der ersten Führungsebene wird er sich gesamtheitlich einbringen und zentrale operative Funktionen im Kerngeschäft weiterentwickeln. hat zum 1. Januar die Geschäftsführung der MB Capital Services GmbH (CSG), einer Tochter der Messe Berlin, übernommen. Die Betriebswirtin folgt auf Kathleen Kolm. Schmalzl wechselt nach vierjähriger Tätigkeit in den USA zur CSG. Die am Berliner Messegelände ansässige Firma bietet Full-Service- Lösungen für Messen und Kongresse im In- und Ausland. FOTOS: MESSE BERLIN GMBH, FEBESOL, PHILIPP ARNOLDT; ILLUSTRATION: GETTY IMAGES/SESAME Berliner Wirtschaft 03 | 2025 Kompakt | 08

2002 2004 2006 2008 2010 2012 2014 2016 2018 2020 2022 jährlicher Zuwachs in Tausend Quelle: Statistik Berlin-Brandenburg 2024 4,0 7,7 16,8 11,2 13,0 11,5 9,2 11,1 15,7 14,9 11,5 11,4 9,7 7,6 7,6 9,0 5,86,0 11,1 12,1 8,99,0 10,9 21 % mehr Zuwachs bei den Gewerbebetrieben konnte in Berlin im vergangenen Jahr registriert werden. Patrick Schulze, IHK-Experte für Statistik Tel.: 030 / 315 10-226 patrick.schulze@berlin.ihk.de Mehr Gewerbe in Berlin Die Gewerbeanmeldungen überstiegen die Gewerbeabmeldungen 2024 deutlich um 10.865 – trotz des Anstiegs der Insolvenzen berliner wirtschaft in zahlen Eine Autobahn ist eine Autobahn, egal ob mit täglich 150.000 Fahrzeugen in einer Metropole oder einsam in Mecklenburg-Vorpommern. Und weil Autobahnen per se unbeleuchtet sind, knippste die Autobahngesellschaft des Bundes (AdB) in Berlin das Licht aus. Über diese Pläne im Dunkeln gelassen, zeigte sich der Senat verblüfft. Verkehrssicherheit steht gegen Umweltschutz. Nun glühen die Telefondrähte – reichlich Energieverschwendung. bw Was finden Sie typisch? Schreiben Sie uns: bw-redaktion@berlin.ihk.de Im Dunkeln typisch berlin Grafiken: BW Kompakt | 09

Klare Positionen, eine intensive Debatte und die eine oder andere rhetorische Volte – die Wahlarena der Berliner Wirtschaft hat gezeigt, wie lebendig politische Diskussionen sein können. Knapp zwei Wochen vor der Bundestagswahl haben sich die Spitzenkandidatinnen und -kandidaten der Berliner Landesverbände der sieben im Bundestag vertretenen Parteien im Ludwig Erhard Haus den Fragen der Berliner Wirtschaft gestellt. Die sieben Diskutantinnen und Diskutanten waren Lisa Paus (B90/Grüne), Gregor Gysi (Die Linke), Christoph Meyer (FDP), Ruppert Stüwe (SPD), Dr. Jan-Marco Luczak (CDU), Norman Wolf (BSW) und Beatrix von Storch (AfD), die Moderation der Diskussion hatte die Journalistin Helene Bubrowski von Table.Media übernommen. Wege aus der Strukturkrise In einem bis auf den letzten Platz gefüllten großen Veranstaltungssaal im Ludwig Erhard Haus verfolgten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer die spannende und teilweise sehr kontrovers geführte Diskussion. Auf dem Thementa- bleau des Abends nahmen die Protagonisten und Protagonistinnen nicht nur zu Berliner und bundespolitischen Themen Stellung, sondern betrachteten auch die internationale Politik. Dabei ging es unter anderem darum, wie man dem alten und neuen amerikanischen Präsidenten Donald Trump politisch begegnen müsse. Eingeleitet hatte Bubrowski die Diskussion mit der Frage, wie man in Deutschland aus der Strukturkrise komme. Darauf hatten selbstverständlich alle Kandidatinnen und Kandidaten jede Menge Antworten: vom Ausbau von Straße, Bahn und Luftverkehr über die Reduzierung der Bürokratie bin hin zu Steuerentlastungen für Unternehmen. Auch wenn es unterschiedliche Auffassungen dazu gab, wie der Haushalt entlastet werden solle, in einem waren sich alle einig: Die nächste Bundesregierung müsse viel und breit in die Infrastruktur investieren. Beim Thema Fachkräfte wurde von den Protagonisten und Protagonistinnen der Aspekt Arbeitskräftemangel betont. Dazu müsse vor allem eine Willkommenskultur geschaffen werden, damit Migranten und Migrantinnen sich nicht Auf Einladung von IHK, UVB und VBKI stellten sich sieben Spitzenkandidaten und -kandidatinnen den Fragen der Wirtschaft von Eike Paulun Schlagabtausch Intensive Debatte: Die eingeladenen Spitzenkandidaten und -kandidatinnen bezogen im Ludwig Erhard Haus Position zu drängenden politischen Fragen, auch mit einem Blick über den Atlantik Positionen Alles zur Wahlarena, Forderungen der IHK und Statements der Parteien unter: ihk.de/berlin/btw25 Berliner Wirtschaft 03 | 2025 agenda

abschrecken lassen, in Deutschland zu leben und zu arbeiten. Darüber hinaus sei es wichtig, Bürgergeldempfänger schneller wieder in Arbeit zu bekommen, Kinderbetreuung besser zu gewährleisten und insbesondere die Anerkennungsverfahren in den Ländern zu beschleunigen. Anschluss bei KI nicht verpassen Berlin gilt als Deutschlands Digitalhotspot. Dennoch wird Deutschland von anderen Ländern und Berlin von anderen Großstädten in der Digitalisierung überholt. Einig waren sich die Politikerinnen und Politiker in diesem dritten und letzten Themenblock darin, dass man den Anschluss an den digitalen Fortschritt nicht noch mehr verpassen dürfe, dies gelte insbesondere bei der KI-Forschung. Die IHK-Hauptgeschäftsführerin Manja Schreiner, der Hauptgeschäftsführer der Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg, Alexander Schirp, und Ute Weiland, Geschäftsführerin des VBKI, die zur Wahlarena eingeladen hatten, zeigten sich zufrieden und luden die Gäste anschließend zu einem politischen Austausch ein. ■ Jeannine Koch Vorstandsvorsitzende von media:net Investitionen in die Digitalisierung und KI bedeutet, wettbewerbsfähiger und nachhaltiger zu werden. DanLahiri Agboli Geschäftsführer des IT-Unternehmens Opera Plun GmbH Gute Auftragslage und volle Bücher. Aber der Fachkräftemangel ist der Wachstums- hemmer Nummer 1. Man kommt nicht mehr so gut nach Berlin wie vor Corona, sei es mit der Bahn oder mit dem Flugzeug. Robert Rückel Geschäftsführer des Deutschen Spionagemuseums und IHK-Vizepräsident FOTOS: IHK BERLIN/KONSTANTIN GASTMANN Wahlarena | 11 Berliner Wirtschaft 03 | 2025

CleanTech Marzahn Technologiepark Adlershof Schöneweide Borsigdamm Breitenbachstraße Flohrstraße Wilhelmsruh Flottenstraße Am Juliusturm Humboldthain GoerzalleeBeeskowdamm Motzener Straße Großbeerenstraße Schöneberg Jungfernheide/Ch. Verbindungskanal Fennstraße Siemensstadt Square Teltowkanal Südring CleanTech Marzahn Technologiepark Adlershof Schöneweide Borsigdamm Breitenbachstraße Flohrstraße Wilhelmsruh Flottenstraße Am Juliusturm Humboldthain GoerzalleeBeeskowdamm Motzener Straße Großbeerenstraße Schöneberg Jungfernheide/Ch. Verbindungskanal Fennstraße Siemensstadt Square Teltowkanal Südring Im Heizkraftwerk Moabit kommt ressourcenschonende Biomasse zum Einsatz. Eigentümerin ist die Vattenfall Wärme Berlin AG, Mitglied des Unternehmensnetzwerks Moabit Berliner Innovationskerne Gewerbe (Grundlagen-)Forschung TGZ oder Inkubator Hohes Start-up-Aufkommen Standortnetzwerk Zukunftsort Starkes Verarbeitendes Gewerbe QUELLE: REGIOTEAM; GESTALTUNG: ASCS/JULIA ZIMMERMANN AGENDA | Standort | 12 Berliner Wirtschaft 03 | 2025

S eit 2017 sind die „Zukunftsorte“ ein feststehender Begriff im Innovationsökosystem Berlins. In diesen elf Gewerbequartieren steht der Austausch von Wirtschafts-, Forschungs- und Technologieeinrichtungen im Mittelpunkt. Dass aber nicht nur hier an der Zukunft des Wirtschaftsstandorts gearbeitet wird, zeigt die Anfang des Jahres in der IHK Berlin vorgestellte Studie „Innovative Gewerbestandorte in Berlin“, die durch das Büro regioteam im Auftrag der Berliner Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe (SenWEB) erstellt wurde. Mit Fokus auf den leistungsfähigen Industrie- und Gewerbesektor werden in der Studie innovative Standorte benannt, die bislang nicht den Zukunftsorten zugeordnet werden. Gemeinsam mit fünf gewerblich geprägten Zukunftsorten werden sie zu 19 „Innovationskernen Gewerbe“ zusammengefasst. Ziel der Analyse war es, die Bedeutung und die Erfolgsfaktoren dieser Quartiere herauszuarbeiten und Stellschrauben der Standortpolitik zu identifizieren. Wie Ulrich Misgeld, Vorsitzender des Unternehmensnetzwerks Motzener Straße, betont, verfüge Berlin „über innovative und leistungsfähige Standorte, die mehr öffentliche Sichtbarkeit verdienen“. Die Unternehmensnetzwerke werden als ein Erfolgsfaktor genannt, denn sie wirken als Innovationsmotoren. Abgesehen von einzelnen Projektförderungen, werden sie ausschließlich durch das überwiegend ehrenamtliche Engagement ihrer Mitglieder getragen. Sie dienen als Informations- und Kommunikationsknoten nach innen und außen. Nach innen werden die Mitglieder über Entwicklungen im Gebiet, über Best Practices, Förderprogramme oder bezirkliche Veranstaltungen informiert. Es wird bei aktuellen Herausforderungen unterstützt und gemeinsam an Zukunftsfragen wie Mobilitäts- und Energiewende, Nachhaltigkeit oder Cyber- security gearbeitet. Nach außen sind sie Ansprechpartner für Politik, Verwaltung und Wissenschaft. So wird auch der Wissenstransfer vorangetrieben. (s. auch Interview S. 14) Beispiele sind die Kooperation zwischen dem Unternehmensnetzwerk Moabit mit der Berliner Hochschule für Technik (BHT), die gemeinsam an Nachhaltigkeitsfragen arbeiten, oder jene zwischen Netzwerk Motzener Straße und der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW), die sich mit der Optimierung des Wirtschaftsverkehrs befasst. Oder auch: die Zusammenarbeit des Technologie-Parks Humboldthain (TPH) mit dem Netzwerk Großbeerenstraße, die im Rahmen des durch den Masterplan Industriestadt geförderten Projekts „Circular KMU Hub“ für Kreislaufwirtschaft sensibilisiert. Diese Beispiele zeigen auf, was der größte Innovationsverstärker ist: Kooperation. Wo Technologie- und Gründerzentren, Forschungseinrichtungen, große Unternehmen sowie Startups und Ausgründungen aufeinandertreffen und durch Zukunftsorte und Unternehmensnetzwerke gestützt werden, entstehen Ökosysteme für Innovationen made in Berlin. Vor dem Hintergrund schwacher Konjunktur und der unsichereren geopolitischen Lage sendet die Studie ein wichtiges Zeichen: Nur durch die Zusammenarbeit aller Akteure kann ein Innovationssystem entstehen, mit dem Berlin im internationalen Wettbewerb bestehen kann. Studie „Innovative Gewerbestandorte in Berlin“ macht deutlich, in wie vielen Quartieren der Stadt am Wirtschaftsstandort gearbeitet wird von Tim Schneider Innovation durch Kooperation Berlin verfügt über innovative und leistungsfähige Standorte, die mehr öffentliche Sichtbarkeit verdienen. Ulrich Misgeld Vorsitzender Unternehmensnetzwerk Motzener Straße » FOTOS: ANDREAS FRANZ XAVER SÜSS, IMAGO/FUNKE FOTO SERVICES Standort | 13 Berliner Wirtschaft 03 | 2025

Was sind die konkreten Handlungsempfehlungen der Studie? Etwa Berlin nicht mehr nur als Forschungs- und Entwicklungsstandort, sondern zusätzlich als innovativen, auch mittelständisch geprägten Produktionsort zu profilieren. Entscheidend ist auch die Verbesserung der Standortrahmenbedingungen, etwa bei der Verkehrsinfrastruktur, leistungsfähigen Versorgungsnetzen und flächendeckendem Breitband-Internet. Ferner bedarf es einer engen Begleitung bei der Digitalisierung, dem Zugang zu Fachkräften oder der Dekarbonisierung. Dazu wird vorgeschlagen, die Kooperation mit Politik und Verwaltung zu institutionalisieren, etwa in Form eines Jour fixe, einer Gewerbeleitstelle und der Verankerung der Standorte in die Strukturen der Bezirke. Ein besonderes Augenmerk widmet die Studie den Unternehmensnetzwerken. Diese zu unterstützen, sei ein geeignetes Mittel zur effizienten Nutzung knapper Haushaltsmittel. Denn etwa bei Infrastrukturvorhaben oder nachhaltiger Entwicklung ergeben sich so zahlreiche Sy- nergieeffekte. Auch ein verstärkter Wissensaustauschs zwischen den Netzwerken kann innovative Ansätze in die Breite tragen. Hierzu wird eine bei der SenWEB angesiedelte „Innovations- und Transferstelle Netzwerke“ angeregt. Auch die IHK Berlin hat im Herbst 2024 in dem Positionspapier „Die Transformation der Berliner Industrie als Chance begreifen“ Handlungsempfehlungen ausgesprochen, um ihren Teil zum Innovationsverstärker Kooperation beizutragen. ■ Tim Schneider, IHK-Public-Affairs- Manager Innovationspolitik Tel.: 030 / 315 10-530 tim.schneider@ berlin.ihk.de Das Goerzwerk beheimatet Handwerksbetriebe, Start-ups und produzierendes Gewerbe. Darüber hinaus wird es häufig für Veranstaltungen des Netzwerks Goerzallee genutzt Berliner Wirtschaft: Was sind Ihrer Meinung nach die größten Vorteile der Unternehmensnetzwerke für ihre Mitglieder? Hinrik Weber: Netzwerke liefern das Format zum Austausch, zur Vernetzung und zur Bündelung der Interessen des lokalen Standorts. Die Mitglieder nutzen das für die eigene wirtschaftliche Entwicklung zum Beispiel in der Fachkräftesicherung, mit der Teilnahme an Förderprojekten und um Informationen aus dem Bezirk zu bekommen. Inwieweit sehen Sie die Netzwerke als Innovationsverstärker? Innovation verläuft nicht monoton steigend, eher im Zickzackkurs, und da braucht es Flexibilität und Geschwindigkeit. Der Treibstoff dazu heißt starke Vernetzung, um Innovationskräfte aus der Industrie, aus dem Gewerbe und der Forschung schneller und gezielter zusammenzubringen. Netzwerke wirken wie ein Booster für die Innovationszyklen der Unternehmen. Bei welchen Herausforderungen wünschen Sie sich mehr Unterstützung von Politik und Verwaltung? Um die Herausforderungen bezahlen zu können, benötigen wir eine positive Wirtschaftsentwicklung. Hilfreich auf der lokalen Ebene ist Unterstützung beim Bürokratieabbau und mehr Transparenz und Beteiligung in der lokalen Wirtschaftspolitik, zum Beispiel wenn es um Gewerbeflächenplanung und Verkehrsplanung geht. Wie Unternehmen profitieren können Netzwerke wirken nach innen wie außen Positionen Industriepolitik der IHK Berlin auf der IHK- Website unter: ihk.de/ berlin/industriepolitik Standorte Innovative Gewerbe- areale auf der Senats-Website unter: bit.ly/3X3ScR2 Hinrik Weber Leiter des Berliner Werks für optische Sensoren der Pepperl+Fuchs SE und Vorsitzender des Netzwerks Großbeerenstraße FOTOS: DIE TECHNIKFOTOGRAFIN DOROTHEA LETKEMANN, PRIVAT AGENDA | Standort | 14 Berliner Wirtschaft 03 | 2025

Move fast and break things? Disruption mag für Start-ups funktionieren – etablierte Institutionen setzen damit schnell Vertrauen aufs Spiel. Weitblick und Verantwortungsbewusstsein sind jetzt gefragt Was als Mantra für ein aufstrebendes Start-up funktionieren mag, wird für etablierte Institutionen, Gesellschaften und Demokratien schnell zum Problem. Dinge zu zerstören, bedeutet oft, dass jemand anderes den Schaden beheben muss – in der Regel die Allgemeinheit. Noch schlimmer: Nicht alles, was einmal zerbrochen wurde, lässt sich wieder reparieren. Die schädlichste Folge des ständigen Regelbruchs ist jedoch nicht der unmittelbare Schaden, sondern der Vertrauensverlust. Regeln schaffen Verlässlichkeit. Wenn sie ohne Konsequenzen missachtet werden – sei es durch Radfahrer, die routinemäßig rote Ampeln ignorieren, Autofahrer, die im Stau auf die Busspur ausweichen, Unternehmen, die durch Greenwashing Nachhaltigkeit vortäuschen, oder durch einen US-Präsidenten, der offen NATO-Verbündete bedroht –, erodiert Vertrauen. Viele Menschen sind erschöpft und verunsichert. Eine Welt voller Krisen – Pandemie, Inflation, Konflikte, veränderte Mediennutzungsgewohnheiten und eine als chaotisch empfundene Realität – hat zu unterschiedlichen Wahrnehmungen und einem wachsenden Wunsch nach starken Führungspersönlichkeiten geführt. Früher blieben wilde Theorien an Stammtischen, heute werden sie durch Algorithmen verstärkt und gehen viral. Selbst für manche Unternehmer ist die Versuchung groß, auf einfache Lösungen für komplexe Probleme zu setzen. Doch die Geschichte zeigt: Solche Abkürzungen führen nie zu guten Ergebnissen – die meisten stehen am Ende schlechter da, und die Krisen verschärfen sich. Verantwortungsbewusstes Unternehmertum erfordert Weitblick. Nicht nur Regelkonformität und Vertrauen, auch dieser Weitblick wäre für uns als Gesellschaft wichtig – wie soll unsere Zukunft denn aussehen? Dieser Diskurs kommt auch deshalb zu kurz, weil zu oft schon die Einigung auf eine gemeinsame Realität schwierig wird. Das wird durch künstliche Intelligenz (KI) nicht einfacher. Die Grenzen werden mit KI und ohne Regeln, an die wir uns halten und verlassen können, weiter verschwimmen, Vertrauen wird weiter erodieren. Wenn es dadurch noch schwieriger wird, sich auf eine gemeinsame Realität zu verständigen, wird es mit einem gemeinsamen Plan für die Zukunft kompliziert. Dabei könnte zumindest das einfacher sein, wenn wir alle in Szenarien denken, eines davon: Was wäre die schlimmste Konsequenz, wenn man selbst unrecht hat? ■ Meinung In der Kolumne „Auf den Punkt“ positionieren sich im monatlichen Wechsel Mitglieder des Präsidiums zu wirtschaftspolitischen Fragestellungen aus ihrer persönlichen Sicht. präsidiumsmitglieder beziehen stellung Roman Kaupert ist Geschäfts- führer der Kreativagentur Zepter und Krone GmbH sowie Mitglied des Präsidiums der IHK Berlin FOTO: IHK BERLIN/AMIN AKHTAR Auf den Punkt | 15 Berliner Wirtschaft 03 | 2025

verharrt dort am Rande des Abschwungs seit bereits zwei Jahren. Die Hauptstadtregion erlebt damit die seit 20 Jahren längste konjunkturelle Schwächephase. Allein in der schweren Strukturkrise zu Beginn der 2000er-Jahre entwickelte sich der Klimaindex ähnlich schwach. In welchem Maße die konjunkturelle mittlerweile durch eine strukturelle Krise überlagert wird, zeigen die Risikoeinschätzungen der Berlin-Brandenburger Unternehmen. War jahrelang meist der Fachkräftemangel der Risikofaktor Nummer eins, rutscht dieser nun auf den dritten Platz ab. Größtes Risiko für die wirtschaftliche Entwicklung sind aus Sicht der Unternehmen inzwischen die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen. Nur während externer konjunktureller Schocks wurde der Fachkräftemangel im letzten Jahrzehnt von den Unternehmen nicht am häufigsten genannt. Beispiele hierfür sind die Corona- Pandemie oder die Energiekrise. Die aktuelle Risikobewertung deutet auf eine schwere wirtschaftliche Krise auch ohne einen externen Auslöser hin. Es sind strukturelle Belastungen, die die Die aktuelle Umfrage unter Berliner und Brandenburger Unternehmen zeigt, in welchem Maße die strukturelle Krise die konjunkturelle mittlerweile überlagert von Patrick Schulze Kein Frühling für die Wirtschaft Der konjunkturelle Frühling lässt weiter auf sich warten. Die Ergebnisse der gemeinsamen Erhebung der Industrie- und Handelskammern von Berlin und Brandenburg lassen keine Zuversicht aufkommen. Der Konjunkturklimaindex liegt mit einem Punkt knapp über der Stagnationsschwelle und Vorstellung des Konjunkturberichts: André Fritsche, Hauptgeschäftsführer IHK Cottbus, Manja Schreiner, Hauptgeschäftsführerin IHK Berlin, Monique Zweig, Hauptgeschäftsführerin IHK Ostbrandenburg, und Torsten Stehr, Geschäftsführer Wirtschaft IHK Potsdam (v. l.) AGENDA | Konjunktur | 16

Grafiken: BW Quelle: IHK Berlin Unternehmen in ihrer Wachstumsfähigkeit hemmen. Zum Jahresbeginn verliert der Geschäftslage-Indikator einen Punkt im Vergleich zum Herbst 2024 und zählt 13 Punkte. Im Vergleich mit der Phase vor Corona ist das ein ernüchternder Wert. Damals wurde meist die 50-Punkte-Marke überschritten. Die Unternehmen der Region blicken auch überwiegend skeptisch in die nahe Zukunft. Der Erwartungsindikator, der sich aus optimistischen und pessimistischen Einschätzungen ergibt, zählt minus elf Punkte und verbessert sich im Vergleich zum Herbst um nur einen Zähler. Damit liegt er seit neun Umfragen in Folge im negativen Bereich. Derart lang verharrte die Zeitreihe selbst während der Krise zu Beginn der Nullerjahre nicht unterhalb des Nullwertes. Skepsis, stellenweise Pessimismus scheinen sich zu verfestigen. In den vergangenen drei Jahren verlangsamte sich der Anstieg der Beschäftigtenzahlen deutschlandweit von Quartal zu Quartal. Ende 2024 kam er zum Erliegen. In Berlin und Brandenburg hat sich die Dynamik auf dem Arbeitsmarkt ebenfalls abgekühlt. Das zeigt auch der Indikator zur Beschäftigtenentwicklung. Er ist zu Jahresbeginn 2025 mit einem Punkt weiterhin negativ. Damit liegt der Beschäftigungssaldo seit dem Herbst 2023 unter der Wachstumsschwelle von null Punkten. Ein Signal, dass sich dieser Trend drehen könnte, bietet die aktuelle Erhebung nicht. Seit der Erholung nach dem pandemiebedingten Einbruch der Investitionstätigkeit, die ihren Höhepunkt im Herbst 2021 erreicht hatte, folgte der Indikator zur Investitionsdynamik einem negativen Trend. Aktuell jedoch lässt sich ein deutlicher Sprung bei der Investitionsaktivität feststellen. Dieser Sprung ist in Berlin und in Brandenburg fast ausschließlich auf die Dienstleistungsunternehmen zurückzuführen. In Berlin steigt der entsprechende Saldo in der Branche um 13 und in Brandenburg um fünf Punkte. Insgesamt ist die Investitionsbereitschaft der gewerblichen Wirtschaft aber weiterhin zu schwach, um die Konjunktur nachhaltig anzukurbeln. Ursache für den Anstieg findet sich überwiegend bei den Berliner Dienstleistungsunternehmen und einem gestiegenen Anteil von denen, die in Rationalisierungsmaßnahmen investieren wollen. IHK-Hauptgeschäftsführerin Manja Schreiner weist trotz der trüben Lage mit Blick auf abzubauende bürokratische Hürden darauf hin, dass „die Ergebnisse auch Wege aus der Krise aufzeigen, denn hemmende wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen sind nicht naturgegeben“. ■ 101 Punkte beträgt der Konjunkturklimaindex laut der aktuellen Umfrage der Berliner und Brandenburger IHKs. Patrick Schulze, IHK-Experte für Konjunktur Tel.: 030 / 315 10-226 patrick.schulze@ berlin.ihk.de Konjunkturklimaindex Der Wert für Berlin und Brandenburg liegt aktuell nur einen Punkt über der Stagnationsschwelle 122 122 104 59 78 101 50 75 100 125 150 '25 2024 2023 2022 2021 2020 JBFSH JB FSH JB FSH JB FSH JB FS H JB jeweils zum Jahresbeginn (JB), Frühsommer (FS) und Herbst (H) Investitionen Beschäftigungspläne 19 32 -1 -23 Saldo der: -20 -10 0 20 30 10 40 '25 2024 2023 2022 2021 2020 JBJMH JBJMH JBJMH JBJMH JB JM H JB jeweils zum Jahresbeginn (JB), Jahresmitte (JM) und Herbst (H) Investitions- und Beschäftigungspläne Der Beschäftigungssaldo bleibt negativ, für die Dynamik bei den Investitionen sorgt der Dienstleistungssektor Geschäftslage und Geschäftserwartungen Der Geschäftslage-Indikator verliert seit Herbst einen Punkt, die Erwartungen sind weiterhin im negativen Bereich Erwartungen Geschäftslage 33 45 13 jeweils zum Jahresbeginn (JB), Jahresmitte (JM) und Herbst (H) -57 -45 -11 Saldo der: -20 -40 -60 0 20 40 60 '25 2024 2023 2022 2021 2020 JBJMH JBJMH JBJMH JBJMH JB JM H JB An der Umfrage teilnehmen Gerne können Sie Teil der Konjunktur- umfrage und damit der wichtigsten Erhebung zur konjunkturellen Entwicklung in Berlin werden. Melden Sie sich einfach bei: patrick.schulze@ berlin.ihk.de FOTOS: IHK BERLIN/JENS AHNER, FOTOSTUDIO CHARLOTTENBURG Konjunktur | 17 Berliner Wirtschaft 03 | 2025

IHK-Veranstaltung zeigt, dass Unternehmen sich einiges einfallen lassen, damit potenzielle Beschäftigte auch ein Dach über dem Kopf haben von Peter Rau Ohne Wohnraum kein Personal 1 2 3 AGENDA | Stadtentwicklung | 18

B erlin hat in den vergangenen zwei Jahrzehnten einen wichtigen Standortvorteil eingebüßt. Prägten in den 2000er-Jahren noch günstige Mieten und verfügbarer Wohnraum die Situation, ist die Wohnungsknappheit heute eine der größten Herausforderungen der Hauptstadt. Das hat nicht nur soziale, sondern auch wirtschaftliche Folgen. Unternehmen haben zunehmend Schwierigkeiten, Arbeits- und Fachkräfte zu gewinnen, da potenzielle Beschäftigte und Auszubildende schlichtweg keine bezahlbaren Wohnungen finden. Zentraler Standortfaktor Wohnraum Diese Problematik war Mitte Februar Thema der IHK-Veranstaltung „Zukunft Beschäftigtenwohnen?!“. Sie gehörte zu einer bundesweiten Reihe, die vom Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen gefördert und gemeinsam mit der DIHK Service GmbH umgesetzt wird. Ziel ist es, Lösungsansätze zu diskutieren und Unternehmen dabei zu unterstützen, den Wohnraummangel aktiv anzugehen. Dr. Rolf Bösinger, Staatssekretär im Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen, betonte in seiner Eröffnungsrede die Dringlichkeit des Themas. Wohnraum sei ein zentraler Standortfaktor. Unternehmen, die ihren Beschäftigten bezahlbaren Wohnraum bieten könnten, hätten einen klaren Wettbewerbsvorteil. Manja Schreiner, Hauptgeschäftsführerin der IHK Berlin, unterstrich die Herausforderungen für Ausbildungsbetriebe. 42 Prozent der ausbildenden Berliner Unternehmen sehen die Wohnraumversorgung als Problem bei der Besetzung von Lehrstellen. Manja Schreiner warb dafür, dass sich Unternehmen im Bereich des Beschäftigtenwohnens engagieren – sei es durch den Bau von Wohnungen, Kooperationen mit Wohnungsunternehmen oder die Unterstützung bei der Wohnungssuche. Wohnungen auf dem Betriebsgelände Ein konkretes Beispiel lieferte Dieter Mießen, kaufmännischer Leiter der Frisch & Faust Tiefbau GmbH. Das Unternehmen hat auf seinem Betriebsgelände Appartements für die Beschäftigten gebaut. Für das Unternehmen war klar, dass sie nur dann Arbeitskräfte gewinnen könnten, wenn sie ihnen auch eine Perspektive bieten – und dazu gehört eben auch ein Dach über dem Kopf. Das Kolping Jugendwohnen, vertreten durch Angela Suchanka-Ortmann, setzt gezielt auf die Bedürfnisse von Auszubildenden. Durch betreutes Wohnen und günstige Mieten schafft das Unternehmen eine wichtige Grundlage für junge Menschen, die oft zum ersten Mal in eine Großstadt ziehen. In der Hauptstadt betreibt Kolping mehrere Azubiwohnheime, unter anderem in Prenzlauer Berg und Oberschöneweide. Dr. Peter Diedrich präsentierte ein innovatives Pilotprojekt des Verbands Job und Wohnen, das einen neuen Weg beschreitet. In Spandau wird gezeigt, wie genossenschaftliches Wohnen für Beschäftigte erfolgreich umgesetzt werden kann. Das kurz vor Baubeginn stehende viergeschossige Projekt bietet nicht nur Wohnraum, sondern darüber hinaus auch vielfältige Gemeinschaftsflächen. Interessierte Kooperationspartner haben zudem noch die Möglichkeit, sich aktiv einzubringen. In einer anschließenden Podiumsdiskussion debattierten Frederik Schneider vom Bundesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen (BFW) Landesverband Berlin/Brandenburg, Tanja Schirmann-Remhof (Plischka Möbeltransporte) und Dirk Böttcher (Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen) über innovative Lösungen und Herausforderungen. Einigkeit herrschte darüber, dass neue Netzwerke und betriebliches Engagement entscheidend sind, um Fachkräfte für Berlin zu gewinnen und zu halten. Unternehmen sind Teil der Lösung Frederik Schneider betonte, dass Unternehmen sich bewusst werden müssten, dass sie Teil der Lösung sein könnten. Ob durch eigene Wohnprojekte oder Partnerschaften – es gebe viele Möglichkeiten, aktiv zu werden. Um Unternehmen bei der Suche nach geeignetem Wohnraum für ihre Beschäftigten und Auszubildenden zu unterstützen, entwickeln die IHK Berlin, Berlin Partner und der BFW Landesverband Berlin/Brandenburg einen Informationsleitfaden. Dieser digitale Leitfaden soll insbesondere Unternehmen, die sich nicht regelmäßig mit Immobilienfragen beschäftigen, helfen, ihren Bedarf zu definieren und die passenden Ansprechpartner in der Immobilienwirtschaft zu finden. Unternehmen, die sich für das Thema interessieren, sollten sich informieren und Netzwerke nutzen. Die IHK Berlin steht hier als Ansprechpartner zur Verfügung. Denn eines ist klar: Die Zukunft des Beschäftigtenwohnens ist nicht nur eine Frage des „Ob“, sondern des „Wie“. ■ Peter Rau, IHK-Public-Affairs- Manager Stadtentwicklung Tel.: 030 / 315 10-608 peter.rau@berlin.ihk.de 1 Diskussion mit Sofie Geisel, Geschäftsführerin der DIHK Service GmbH, Dirk Böttcher aus der Senatsbauverwaltung sowie Frederik Schneider, BFW Landesverband Berlin/ Brandenburg (v. l.) 2 Dr. Peter Diedrich stellte ein Pilotprojekt des Verbands Job und Wohnen vor, das auf genossenschaftliches Wohnen für Beschäftigte setzt 3 IHK-Hauptgeschäftsführerin Manja Schreiner mit Dr. Rolf Bösinger, Staats- sekretär im Bundesbauministerium, der auch die Eröffnungsrede hielt DIHK-Initiative Informationen zur bundesweiten Kampagne: dihk-service-gmbh.de/ de/unsere-projekte/ zukunft-beschaeftigtenwohnen FOTOS: IHK BERLIN/INES HASENAU Stadtentwicklung | 19 Berliner Wirtschaft 03 | 2025

Vertrauenssache Viele Berliner Unternehmen stehen vor der Übergabe – oft ein heikler Prozess, der Zeit und Expertise erfordert. Unterstützung gibt es von der IHK, etwa mit der neuen Nachfolgezentrale von Eli Hamacher INHALT 24 Immer ein offenes Ohr Vom Vater zum Sohn – Ahlberg Metalltechnik 26 Sich Zeit nehmen fürs Neue SRP: Zug um Zug zur Generationenfolge 27 Glück im Unglück Investor übernimmt New Natural nach Turbulenzen 28 „Loslassen kann für Unternehmer so schwer sein“ Andreas Peter und Sohn Adrian, Peter & Krebs, im Doppelinterview Berliner Wirtschaft 03 | 2025 fokus

Wer heute ein Unternehmen übergeben oder übernehmen möchte, braucht gute Nerven. Die deutsche Wirtschaft steckt in der größten Krise der Nachkriegsgeschichte. Laut Prognosen dürfte sie auch in diesem Jahr schrumpfen, das wäre das dritte Jahr in Folge. Für Sebastian Stietzel, Präsident der IHK Berlin, steht die Berliner Wirtschaft vor enormen Herausforderungen. „Für rund 8.500 Berliner Unternehmen steht Schätzungen zufolge in den nächsten Jahren die Unternehmensübergabe an. Rund 60 Prozent von ihnen sind in diesem Zusammenhang auf externe Lösungen angewiesen. Dabei stehen in vielen Fällen nicht nur ganze Lebenswerke, sondern auch Arbeitsplätze und Know-how auf dem Spiel.“ Die Unternehmensnachfolge sei daher ein entscheidender Faktor zur Sicherung von Arbeitsplätzen, Innovation und Wirtschaftskraft am Standort – sie verbinde die Erfolgsgeschichten von gestern mit den Chancen von morgen, so Stietzel. Wie abgabebereite Unternehmer und potenzielle Nachfolger erfolgreich zusammenkommen und welche Plattformen sie mit innovativen Ideen bei der Suche unterstützen, berichten Experten und Unternehmer. Neue Plattform für Verkäufer und Käufer Zu den neuen Services der IHK Berlin gehört die Nachfolgezentrale Berlin, die im September 2024 online ging. Bei der von der IHK Berlin, der Handwerkskammer Berlin und der Bürgschaftsbank Berlin getragenen Nachfolgezentrale, die die Senatswirtschaftsverwaltung mit einer Anschubfinanzierung von 600.000 Euro fördert, geben die Verkäufer in einem ersten Schritt nur einige Basisinformationen wie Umsatz, Rechtsform, Zahl der Mitarbeitenden oder Branche an. Danach nimmt die Nachfolgezentrale persön- » ILLUSTRATION: GETTY IMAGES/IVICA VELJASEVIC, GETTY IMAGES/ROBIN OLIMB Unternehmensnachfolge | 21 Berliner Wirtschaft 03 | 2025

lich Kontakt auf, klärt Details, konkretisiert das Qualifikationsprofil potenzieller Nachfolger, etwa formale Anforderungen wie Meistertitel. Unterstützt von einem Matching-Algorithmus, identifiziert die Nachfolgezentrale auf der Plattform potenzielle Käufer und stellt beide Seiten anonymisiert einander vor. Signalisieren die Parteien Interesse, unterzeichnen sie eine Vertraulichkeitsvereinbarung, erst dann werden die Kontaktdaten für ein persönliches Kennenlernen ausgetauscht. Bei Bedarf unterstützt die Nachfolgezentrale auch mit Kontakten zu Experten aus ihrem Netzwerk. Der Service ist kostenfrei. Für die Vizepräsidentin der IHK Berlin, Nicole Korset-Ristic, sind Angebote wie die Nachfolgezentrale Berlin ein wichtiger Baustein bei den Serviceangeboten der IHK. „Mitte vergangenen Jahres ist die Berliner Nachfolgezentrale an den Start gegangen. Der große Bedarf wird spätestens durch den Umstand deutlich, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit dem Bearbeiten der eingereichten Unterlagen kaum hinterherkommen. Wir als IHK Berlin unterstützen die Nachfolgezentrale – auch finanziell –, sowie jetzt ebenfalls mit Personal und Kommunikationsmaßnahmen. Denn ihr Erfolg ist von herausragender Bedeutung für die Zukunftsfähigkeit der Berliner Wirtschaft“, so Korset-Ristic. „Für den Mittelstand gehört das Thema Nachfolge neben Fachkräftemangel und Energiekosten zu den wichtigsten“, sagt Christian Schuchardt. Aufgrund des demografischen Wandels werde der Pool möglicher Käufer immer kleiner. Mit dem Start des jüngsten Projekts ist der Senior Referent Unternehmensnachfolge bei der Nachfolgezentrale Berlin dennoch zufrieden und für die Zukunft optimistisch. Die Nachfolgezentrale Berlin bietet nach dem Vorbild Mecklenburg-Vorpommerns Verkäufern und Käufern zunächst anonym die Chance, sich auf ihrem Portal kennenzulernen, bevor der Vorhang fällt und beide Seiten ihre Identität preisgeben. Für Schuchardt hat das einen entscheidenden Vorteil: „Die Vertraulichkeit ist für Senior-Unternehmer ein ganz wichtiger Aspekt. Man möchte vor Wettbewerbern, Mitarbeitenden, Lieferanten und Kunden die Übergabe so lange wie möglich geheim halten, um nicht Unruhe zu schüren und gegebenenfalls den Kaufpreis zu drücken, wenn sich der Prozess hinzieht.“ Anfang Februar 2025 lagen rund 670 Regis- trierungen vor, darunter etwa 480 Nachfolgende (84 Prozent Männer und 16 Prozent Frauen) und rund 190 Übergebende. „Anders als sonst üblich haben wir trotz der demografischen Entwicklung einen deutlich höheren Anteil an Übernahmewilligen“, so Schuchardt, der dies vor allem mit Blick auf die Wirtschaftskrise als ermutigendes Zeichen wertet. Rund 50 potenzielle Matches würden aktuell verhandelt. Knapp die Hälfte der Unternehmen kommt aus dem Dienstleistungssektor, circa 25 Prozent stammen aus dem Handwerk, 18 Prozent aus dem Handel. Der Rest entfällt unter anderem auf das produzierende Gewerbe – von Kleinstunternehmen bis zu solchen mit zweistelligen Millionenumsätzen ist alles vertreten. Selten zu früh, häufig zu spät eingeläutet Neben der Nachfolgezentrale unterstützt die IHK Berlin ihre Mitglieder mit zahlreichen weiteren Services beim Nachfolgeprozess, unter anderem veröffentlicht sie auf ihrer Website eine Broschüre, die eine erste Orientierung gibt. Von den ersten Planspielen bis zur tatsächlichen Übergabe sollte ein Zeitrahmen von fünf Jahren angesetzt werden, so die IHK-Experten. Selten werde der Nachfolgeprozess zu früh, häufig aber zu spät eingeläutet. Auf der Website nachfolge- in-deutschland.de finden Interessierte unter anderem Tools wie einen Nachfolg-O-Mat für Einsteiger, das Onlinelexikon Nachfolge Wiki, das interaktive Nachfolge Labor und das Analyse-Tool KMU-Rechner für die Wertermittlung eines Unternehmens. Die Website listet zudem eine lange Liste mit Börsen zur Unternehmensnachfolge auf. Wie Unternehmer einen realistischen Wert ihres Unternehmens ermitteln, weiß Stefan Butz, öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Unternehmensbewertungen und Experte für Unternehmensnachfolgen. Diese Frage stehe immer am Anfang des Prozesses, sagt der Geschäftsführer der Butz Consult GmbH. Daraus würden die nächsten Schritte abgeleitet. „Diese Einschätzung wird immer wichtiger, weil es immer weniger potenzielle Nachfolger gibt. Deshalb muss man gut begründen können, warum ein Unternehmen so viel wert ist.“ Eine ausführliche Analyse sei desNicole Korset-Ristic Vizepräsidentin IHK Berlin Der Erfolg der Nachfolge- zentrale ist von herausragender Bedeutung für die Zukunfts- fähigkeit der Berliner Wirtschaft. ILLUSTRATION: GETTY IMAGES/IVICA VELJASEVIC, GETTY IMAGES/A-DIGIT; FOTOS: IHK BERLIN/AMIN AKHTAR (2) FOKUS | Unternehmensnachfolge | 22 Berliner Wirtschaft 03 | 2025

halb unerlässlich. Butz hat dafür auch das digitale Tool kmu-value.de entwickelt, mit dem Verkäufer kostenlos eine erste überschlägige Wertindikation ermitteln können. Wert ist allerdings nicht gleich Preis, so die Maßgabe des Experten. Eher selten werde der Wert übertroffen. Trotz der Krise würden aber im KMU-Segment immer noch gute Preise erzielt. Das Hauptproblem sei aktuell der Mangel an Nachfolgern. Sein Tipp: „Wenn man in dem Alter ist, lieber jetzt handeln trotz Krise, als das Thema aufzuschieben.“ Und es sei ganz wichtig, dass der Unternehmensinhaber sich die Zeit nehme, um das Unternehmen so attraktiv wie möglich für den Verkauf positionieren zu können, und dann auch wirklich loslassen wolle. Last but not least: Der Prozess sollte sehr diskret gemanagt werden, um Mitarbeitende und etwa Kunden nicht frühzeitig zu verunsichern. Soll der Prozess gelingen, empfiehlt Schuchardt von der Nachfolgezentrale Berlin erstens eine gute Vorbereitung. „Der Betrieb muss übergabefähig, übergabewürdig und übergabereif sein.“ Auf der Käuferseite hilft es, wenn die Kandidaten einen gewissen Fokus bei der Suche haben. Zweitens sind Flexibilität und drittens Kontinuität gefragt. „Man muss gemeinsam eine Vision entwickeln können und vor allem dranbleiben.“ ■ Sebastian Stietzel Präsident IHK Berlin In vielen Fällen stehen nicht nur Lebenswerke, sondern auch Arbeitsplätze und Know-how auf dem Spiel. Jana Pintz, IHK-Fachreferentin Unternehmens- nachfolge Tel.: 030 / 315 10-582 jana.pintz@berlin.ihk.de Info-Termine Am 6. März veranstal- tet die Nachfolgezentrale Berlin in der Bürgschaftsbank Berlin ein Event für Unternehmerinnen zum Thema „Women Take Future – Female Succession“ zu Herausforderungen und Chancen bei der Nachfolge (Beginn 17 Uhr). Anmeldung unter: s.kluttig@nachfolgezentrale.de Am 8. April findet der nexxt-day Berlin statt. Die Veranstaltung startet um 16 Uhr in der Investitionsbank Berlin. Neben Impulsvorträgen, Erfolgsgeschichten und spontanen Nachfolge-Pitches gibt es bei einem abschließenden Get-together die Chance, sich auszutauschen. ihk.de/berlin/nexxt-bw Registrierung Unternehmen und potenzielle Nachfolger können sich registrieren lassen unter: nachfolgezentrale- berlin.de ➜ Die Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe verleiht 2025 zum vierten Mal den Berliner Unternehmenspreis „Vielfalt unternimmt“. Bewerben können sich Unternehmerinnen und Unternehmer mit Migrationshintergrund in folgenden Kategorien: A: Unternehmen, die mindestens fünf Jahre am Markt sind, mit mehr als 30 Beschäftigten. B: Unternehmen, die mindestens fünf Jahre am Markt sind, mit bis zu 30 Beschäftigten. C: „Gründer:innenpreis“ für Unternehmen, die mindestens ein Jahr und maximal fünf Jahre am Markt sind. ➜ Um Unternehmensnachfolge zu würdigen, kann die Jury 2025 zusätzlich eine erfolgreiche „Nachfolger:in mit Migrations- hintergrund“ auszeichnen. ➜ Zum Preisgeld von jeweils 10.000 Euro gibt es ein filmisches Unternehmensporträt. ➜ Bewerbungsschluss: 4. April 2025; Nominierungsschluss: 21. März 2025; Infos und Bewerbung: berlin.de/vielfalt-unternimmt Unternehmenspreis würdigt Nachfolge Frist für „Vielfalt unternimmt“ läuft Unternehmensnachfolge | 23 Berliner Wirtschaft 03 | 2025

Mario Ahlberg (r.) hat großes Vertrauen in seinen Sohn Fabian. Der machte zunächst Konzernkarriere Ich habe über die Jahre ein großes Netzwerk aus Freunden und Experten geknüpft. Mario Ahlberg Berliner Wirtschaft 03 | 2025 FOKUS | Unternehmensnachfolge | 24

Noch arbeiten sie Hand in Hand. Aber der Countdown läuft. Zum 1. Juli 2025 hat Mario Ahlberg den größten Teil seiner Anteile an den neuen Hauptgesellschafter der Ahlberg Metalltechnik GmbH übertragen. Dann hat sein Sohn Fabian das Sagen. Anders als viele Senior-Unternehmer scheint Mario Ahlberg, der das im Jahr 2004 gegründete Unternehmen durch sechs Übernahmen groß gemacht hat und heute mit 170 Mitarbeitenden knapp 20 Mio. Euro umsetzt, mit dem Loslassen kein Problem zu haben. Seinem heute 38-jährigen Sohn übertrug er sukzessive immer mehr Verantwortung. Aus der Erfahrung weiß der Geschäftsführer: „Einen Übergabeprozess muss man rechtzeitig einläuten und gut planen. Die meisten verkaufen zu spät.“ Der Mittelständler mit Sitz im Technologiepark Berlin-Adlershof beliefert vor allem die Automobilindustrie, die zwei Drittel zum Umsatz beisteuert. Um unabhängiger zu werden, baut Ahlberg das Geschäft mit anderen Branchen aus, etwa Medizintechnik, Energieindustrie und Maschinenbau. 40 Prozent der Produkte verkaufen die Berliner weltweit. Dass eines seiner beiden Kinder ihm einmal nachfolgen würde, war keineswegs selbstverständlich. Sohn Fabian studierte Wirtschaftsingenieurwesen – auch einige Monate im Ausland –, arbeitete dann sieben Jahre bei Mercedes in Sindelfingen, in den USA und in Indien, zuletzt als Teamleiter mit Verantwortung für 300 Beschäftigte. Es lief gut. Doch die Kollegen trieb eine andere Frage um. „Du willst doch wohl nicht im Konzern eine kleine Nummer sein, wenn dein Vater eine eigene Firma hat“, ließen sie den jungen Manager wissen. Als Mario Ahlberg mit Anfang 60 die Übergabe langsam einläuten wollte und die Kinder fragte, ob eines von beiden einsteigen wolle, hatte er Glück. Sein Sohn, damals schon mit einer Schwäbin verheiratet, packte die Koffer und setzte seine Karriere im Familienunternehmen in Berlin fort. „Zunächst übernahm er den Fertigungsbereich, sodass er gleich Freiräume hatte. Das halte ich für enorm wichtig“, sagt Mario Ahlberg. Gleichzeitig lernte der Junior den kaufmännischen Bereich und den Vertrieb kennen. Kunden anfangs untereinander aufgeteilt Von den Fähigkeiten seines Nachfolgers ist der Vater allemal überzeugt, was den Prozess deutlich erleichtert. „Mit seiner Ausbildung, seiner Erfahrung, seinem Netzwerk und auch den Fremdsprachenkenntnissen ist er für die Aufgabe auch in schwierigen Zeiten bestens gerüstet“, sagt der 67-Jährige. „Davon profitieren wir jetzt schon.“ Anfang 2024 wurde Fabian Ahlberg einer der beiden Mitgeschäftsführer. Die Kunden teilte sich das Führungsduo zunächst auf: Stammkunden übernahm der Vater, neue Kunden der Sohn. Mittlerweile hat Mario Ahlberg seine Arbeitszeit auf 60 Prozent reduziert, ist nur noch an drei von fünf Tagen im Haus. Auch nach dem 1. Juli will der Senior Minderheitsgesellschafter der Gruppe bleiben, „Bis dahin muss sich mein Sohn aber freigeschwommen haben. Das ist mir wichtig.“ Für den Nachfolgeprozess schaltete Ahlberg zwar nicht eigens Berater ein, vertraute aber dennoch auf die Expertise von außen und innen. „Zum einen haben wir alle Fragen rund um die Übergabe mit unserer Wirtschaftsprüferin und unserer Steuerberaterin besprochen. Zum anderen habe ich über die Jahre ein großes Netzwerk aus Freunden, Experten bei der IHK Berlin oder auch dem Katholischen Unternehmerverband geknüpft.“ Schließlich ist Ahlberg seit einigen Jahren als Beirat für ein deutlich größeres Unternehmen in Baden-Württemberg tätig. So ist die Lernkurve stetig gestiegen. Nach sechs Übernahmen und der Analyse von 20 Unternehmen war das Thema Unternehmensbewertung verhältnismäßig einfach zu lösen. Danach vergingen jedoch fast 15 Monate, bis die Finanzierung stand. Auch nach seinem Ausscheiden will der Vater für Fragen seines Sohnes immer ein offenes Ohr haben. „Schließlich will Fabian den Umsatz mittelfristig auf 30 Mio. Euro steigern. Und wir sind eine Familie.“ ■ Im Juli übergibt Mario Ahlberg die Führung seines Metalltechnik-Unternehmens an Sohn Fabian. Der Wechsel in der Familie ist für ihn ein Glücksfall Immer ein offenes Ohr Gut vernetzt Der QR-Code führt zum Unternehmen auf LinkedIn: 20 Mio. Euro Umsatz erwirtschaftet die Ahlberg Metalltechnik GmbH mit ihren derzeit 170 Beschäftigten am Standort Adlershof. FOTO: CHRISTIAN KIELMANN Unternehmensnachfolge | 25 Berliner Wirtschaft 03 | 2025

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