Berliner Wirtschaft März 2023

T echnologische Standards haben heute ein sehr hohes Level erreicht. Selbst hochinnovative Start-ups können für ihre Produkte oft keinen breiten, über bekannte Standards hinausgehenden Patentschutz erlangen. Unzählige Patente weltweit schützen Technologien und lassen jungen Marktteilnehmern wenig Raum für wertvolle Produktmonopole. Eng formulierte Patentansprüche können möglicherweise geschützt werden. Aber die so beschriebenen technischen Lösungen betreffen oft nur Details und können vom Wettbewerb leicht umgangen werden. Patentschutz für alle wichtigenWirtschaftsräume in Europa, Asien und Nordamerika ist zudem sehr kostspielig. Für manche Geschäftsmodelle – zumBeispiel imBereich der Vergleichs- und Vermittlungsportale, in der Software-Entwicklung oder in der herstellenden Industrie, also der sogenannten Old Economy – sind das Urheberrecht sowie der Geheimnis- und Know-how-Schutz eine Alternative zumPatentschutz. Diese Schutzrechte sind im deutschen und europäischen Raum durchaus stark und werden von mächtigen Verordnungen und Gesetzen gestützt. Ein Nachteil ist jedoch die mangelnde Registrierbarkeit. Recherchen sind schwierig. Rechtsverletzungen fallen oft nicht auf oder sind nicht leicht beweisbar. Designschutz für Apps und Verpackungen Der Designschutz, auch Geschmacksmusterschutz genannt, bietet eine Alternative oder Ergänzung sowohl für einfachere Formen, die nach dem Urheberrecht keine Aussicht auf Nachahmungsschutz hätten, als auch für funktionale Produkte, die keinen Patentschutz erlangen. Anders als im Urheberrecht wird bei einem Design keine „künstlerische“ Leistung gefordert. Es reicht nach einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs aus, wenn der Designer eine bestimmte Form oder Gestaltung nicht nur aus rein technischen Gründen gewählt hat, sondern in erster Linie aus ästhetischen Erwägungen. So kann die gewählte Anordnung eines Motors Designschutz erhalten, wenn sie nicht nur technisch, sondern ästhetisch bedingt ist, wie das Oberlandesgericht Frankfurt/Main entschied. Auf die technische Neuheit der Motorentechnik selbst kommt es nicht an. Interessante weitere Beispiele für sinnvollen Designschutz sind (digitale) Benutzeroberflächen, einzelne Interieur-Elemente einer Fahrzeugkabine oder etwa auch Verpackungen. Auch vergleichsweise schlichte Entwicklungen wie beispielsweise Griffe, Halterungen, Gefäße, Verschalungen oder Bedienoberflächen können designschutzfähig sein. Anders als im Urheberrecht muss ein Design keine bestimmte „Schöpfungshöhe“ aufweisen. Wichtig ist für den Schutz eines Designs nur, dass es neu ist und sich von bestehenden Mustern unterscheidet. Formale Hürden niedrig An die Abbildungen, die ein Unternehmen bei der Anmeldung eines Designrechts einreichenmuss, werden – jedenfalls im europäischen Raum– nur geringe Anforderungen gestellt. Selbst Fotografien und einfache Zeichnungen können ausreichen. Wer sein Design in Europa registriert, schafft damit auch bereits wichtige Voraussetzungen für die Schutzerstreckung ins Ausland, etwa in Richtung USA und China. Alle Formerfordernisse der Ämter im Ausland können bei einer europäischen Basisanmeldung bereits mitberücksichtigt werden. Bei guter Vorbereitung kann das die Kosten für eine spätere Erweiterung des Designschutzes begrenzen. Ohnehin ist der Designschutz im Vergleich zum Patentschutz unschlagbar günstig. Ein europäisches Geschmacksmuster kostet 350 Euro Gebühren. Werden mehrere Designs, auch zum Beispiel Gestaltungsvarianten, gleichzeitig angemeldet, sind weniger als 100 Euro pro Design möglich. Damit erlangt man bereits Schutz für die ersten fünf Jahre. Wird ein geschütztes Design verletzt, lässt sich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes eine Unterlassungsverfügung erreichen, die den Vertrieb eines ähnlich designten Konkurrenzprodukts effektiv stoppt. Einstweiliger Rechtsschutz kann in Deutschland oft ohne mündliche Verhandlung und innerhalb von einer bis zu fünf Wochen zumoderaten prozessualen Gesamtkosten erlangt werden. Schutz bald selbst im Metaverse Die EU-Kommission hat gerade erst Ende November 2022 umfangreiche Vorschläge für die Novellierung des europäischen Designschutzrechts veröffentlicht. Sowohl beim Gemeinschaftsgeschmacksmuster als auch in den nationalen Designgesetzen soll die Definition des „Designs“ und des geschützten „Erzeugnisses“ in Richtung „digital“/virtuell erweitert werden, sodass in Zukunft auch Designs geschützt sein sollen, die etwa nur in einem Metaverse existieren. Damit eröffnet sich einweites Feld gerade auch für Start- ups, ihre Gestaltungen schützen zu lassen und sich vom Wettbewerb abzugrenzen. ■ Melina Hanisch, IHK-Fachreferentin Start-ups und Finanzierung Tel.: 030 / 315 10-527 melina.hanisch@ berlin.ihk.de Link zur Website der Gründerszene Die Originalversion des Textes unter: gruenderszene.de (kostenpflichtig). Der Autor Marcus Nothhelfer ist Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht sowie Partner der Münchner Sozietät Arqis. Zu seinen Gebieten zählen auch Gewerblicher Rechtsschutz, Markenrecht, Wettbewerbsrecht, IT-Recht, Handelsrecht und Vertriebsrecht. FOTOS: GETTY IMAGES/WE ARE, FOTOSTUDIO CHARLOTTENBURG Berliner Wirtschaft 03 | 2023

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