Berliner Wirtschaft März 2023

Das Magazin der Industrie- und Handelskammer zu Berlin 03/2023 ihk.de/berlin Auf den Punkt Stadtgespräch Mittelstand Berlin braucht ein modernes öffentliches Beschaffungswesen Seite 13 Wir können auch Krise Berlins Unternehmen müssen Herausforderungen etwa bei Lieferketten und Energieversorgung meistern. Das Zauberwort heißt Resilienz. Ein Gespräch dazu mit Armin Seitz von Moll Marzipan Seite 20, Interview Seite 28 Fachkräfte HR-Analyse-Tools erleichtern Unternehmen ihre langfristige Personalplanung Seite 46 Konjunktur Die Wirtschaftslage in der Region hellt sich auf, Risiken bleiben jedoch präsent Seite 14

Kostenfreie Hilfe im Falle eines Cyberangriffs Das leistet die Cyberhotline für Unternehmen ◼ eine zentrale Rufnummer für alle Berliner Unternehmen ◼ im Notfall schnelle Hilfe durch speziell ausgebildete Ersthelfer*innen ◼ Zugri auf ein Netzwerk von privaten IT-Sicherheitsunternehmen, falls eine detailliertere Unterstützung erforderlich ◼ IT-Sicherheits-Webinare ergänzen das Angebot Ob Ransomware, Trojaner oder andere kritische Angri e auf die IT-Systeme: Insbesondere kleine und miˆlere Unternehmen sind Ziel der Angri e, die nicht selten existenzbedrohend sind. Mit der zentralen Cyberhotline bekommen die Berliner Unternehmen die Möglichkeit, im Notfall umgehend erste Hilfe bei Angri en auf ihre IT-Infrastruktur zu erhalten. digitalagentur.berlin/cyberhotline IN ZUSAMMENARBEIT MIT Cyberhotline für Berliner Unternehmen

Editorial | 03 Berliner Wirtschaft 03 | 2023 Berliner Wirtschaft beweist Resilienz Alle reden von Resilienz. Wir auch. Resilienz heißt, Krisen nicht nur zu überstehen, sondern sich durch Anpassungsfähigkeit, Netzwerk- und Lösungskompetenz zukunftssicher aufzustellen. Die Berliner Wirtschaft hat erneut ihre Resilienz bewiesen. Berliner Unternehmen sind besser durch das vergangene Jahr gekommen als befürchtet, bei den Ausbildungsverträgen ist sogar fast das Vor-Corona-Niveau wieder erreicht (S. 14 und S. 48). Resilienz ist aber nicht naturgegeben. Wie Berliner Unternehmen ihre Anpassungsfähigkeit strategisch entwickeln, schildern sie in unserem Titelthema März (S. 20). Auch auf politischer Ebene ist oft von Resilienz die Rede – allerdings meist mit dem Fokus aufs Klima. Ohne Frage ist dieser Aspekt wichtig, aber eine Verengung des Resilienzgedankens auf Klima- fragen wäre fahrlässig. Mehr Resilienz im Sinne von Anpassungsfähigkeit und Lösungskompetenz der öffentlichen Hand ist nämlich nicht nur wünschenswert, sondern zwingend notwendig. So kann und muss etwa das Vergaberecht viel stärker als Instrument für die Standortentwicklung genutzt werden, bislang nehmen Unternehmen die Vergabepraxis der Behörden leider eher als bremsend statt innovativ wahr (S. 13). Der künftige Senat ist gut beraten, Berlin auch in dieser Hinsicht resilienter zu machen. Ihr Digitalisierung Die aktuelle IHK-Umfrage zeigt: Die Digitalisierung gewinnt in Berliner Unternehmen an Dynamik. Vor allem die Flexibilisierung von Prozessen und Arbeitsmodellen ist für Betriebe ein wichtiges Motiv. Deutlich wird aber auch, dass die Herausforderungen weiterhin groß sind. Seite 18 Die „Berliner Wirtschaft“ gibt es auch online: ihk.de/berlin/berliner-­ wirtschaft.de Sebastian Stietzel ist Präsident der IHK Berlin und Geschäftsführer der Marktflagge GmbH, Management & Investments ZEICHNUNG: ANDRÉ GOTTSCHALK; TITEL: AMIN AKHTAR

Inhalt | 04 BRANCHEN 36 Climate Tech Berlin wird Top-Standort für Dekarbonisierungs-Lösungen 39 Start-up Juan Opitz-Silva von MotorSkins im Fragebogen 40 E-Commerce Nach dem Höhenflug stabilisiert sich der Markt 42 Mittendrin Berlin! Gute Ideen für die Belebung der Hauptstadt-Kieze 43 Gründerstory Lena Olvedi hat das Missoir kreiert, ein Urinal für Frauen 44 Medienbarometer Die Branche hat sich im Vergleich gut erholt AGENDA 10 Wiederholungswahl Die Berliner Politik muss jetzt vom Verhandeln zum Handeln übergehen 12 Volksentscheid Kompetenzteam der IHK berät zur Umsetzbarkeit der Klimaneutralität 2030 13 Kolumne Sebastian Stietzel über das „Stadtgespräch Mittelstand“, Thema: Vergabepraxis 14 Konjunktur Umfrage der Berliner und Brandenburger IHKs zeigt leichte Erholung 16 Ausbildungsoffensive Digital Education Lab der IHK eröffnet Berlin Wege in eine Bildung für die Zukunft 18 Digitalisierung IHK-Umfrage zeigt, dass es Unternehmen vor allem um Flexibilisierung geht FOKUS 20 Resilienz Seit drei Jahren stehen Unternehmen vor großen Herausforderungen. Die kleinteilige Struktur Berlins erweist sich dabei als Vorteil 24 Good Practice Kapitalgeber, Fusionen und Übernahmen: Wie das FinTech Raisin gewachsen ist 28 Interview Dr. Armin Seitz über Krisen – und wie Moll Marzipan damit umgegangen ist Dr. Armin Seitz Geschäftsführer der Moll Marzipan GmbH Ich schätze, ich habe in den vergangenen drei Jahren drei Mal von zu Hause aus gearbeitet. Stadtgespräch Mittelstand Das IHK-Gespräch zum Thema Vergabepraxis fand mit Wirtschaftssenator Stephan Schwarz statt 13 20 Resilienz Die Berliner Unternehmen haben sich bemerkenswert kraftvoll gegen aktuelle Bedrohungen gestemmt

03 Editorial | 06 Entdeckt | 08 Kompakt | 57 Seminare 66 Impressum | 66 Was wurde aus … SERVICE 58 Künstliche Intelligenz Auch mittelständische Unternehmenen investieren stärker in Digitalisierung 60 Beratung Wenn Steuerberatungen schwer zu bekommen sind, gibt es Tipps von der IHK 61 Zoll-Workshops IHK vermittelt Wissen zu Fragen der Außenwirtschaft 61 KlimaSchutzPartner Es werden wieder innovative Projekte gesucht 62 Gründerszene Ein Patent anzumelden, ist teuer, doch es gibt Lösungen FACHKRÄFTE 46 Human Resources Personalentscheidungen auf Datenbasis werden wichtiger 48 IHK-Ausbildungsbilanz Zahl der Neuverträge 2022 um 13 Prozent gestiegen 51 Gesundheit Umgang mit psychischen Erkrankungen im Betrieb 52 Verbundberatung Auf innovativen Wegen in der kooperierenden Ausbildung 54 Ausbildungsmarketing Auszubildende berichten in Schulen von ihrem Alltag 55 Good Practice Besco Berliner Steincontor fördert jeden einzelnen Azubi 56 Ehrenamt Prüfer Harald Schuch setzt sich für WEG-Verwalter ein Wiederholungswahl Diskussionsrunde der Spitzenkandidaten und -kandidatinnen bei der IHK 10 ILLUSTRATION: GETTY IMAGES/FSTOP/MALTE MUELLER; FOTOS: AMIN AKHTAR Berliner Wirtschaft 03 | 2023 das uns! Überlassen Sie Professionelle Entsorgungslösungen für: Gewerbeabfälle Bedarfsgerechte Konzepte zur Erfassung Ihrer gemischten Gewerbeabfälle – entsprechend der Gewerbeabfallverordnung Altpapier Beste Preise für Industrie, Handel, Gewerbe, Wohnungswirtschaft und Privathaushalte Gewerbefolien Kostengünstige und umweltgerechte Wertstoffentsorgung Andere Abfälle Zuverlässige Erfassung aller anderen Abfälle zur Verwertung (Glas, Holz, Schrott, E-Schrott) Bartscherer & Co. Recycling GmbH Montanstraße 17-21 13407 Berlin Tel: (030) 408893-0 Fax: (030) 408893-33 www.bartscherer-recycling.de Bestellungen direkt im Onlineshop. Günstige Pauschalpreise für Umleerbehälter von 240 l bis 5,5 cbm.

Wer täglich für Zehntausende Kinder Essen kocht wie die Luna Restaurant GmbH, muss groß denken: Tonnenweise Möhren und Kartoffeln gehen dabei durch die Küche, alles eine Nummer üppiger als zu Hause. Dabei hat der Familienbetrieb 1994 klein angefangen, als Kinderladen-Projekt mit dem Wunsch nach gesunder Kost. Bis heute steht Vollwertküche auf dem Speiseplan. Den Bio-Anteil bei Zutaten beziffert Luna auf 60 Prozent, zudem wird auf regionale Lieferanten sowie saisonales Obst und Gemüse geachtet. Gecatert wird im sogenannten Cook&Chill-Verfahren, bei dem vorgekocht, schnell gekühlt und dann in den Schulen fertig zubereitet wird. Alternativ kochen Luna-Kräfte frisch vor Ort – oder warmes Essen wird komplett angeliefert und ausgebeben. Einen Kapazitätssprung hat das Unternehmen 2018 hingelegt: Seitdem ist Schulessen in Berlin für Eltern kostenlos. Volle Möhre Luna Restaurant GmbH In zwei Schichten dampft es bei Luna in der Spandauer Straße Freiheit. Vom Catering-Weg hängt es ab, wie die Crew Lebensmittel verarbeitet.

Konkret dabei Nachhaltigkeit ist der Dreiklang aus ökonomischen, ökologischen und sozialen Aspekten. Die IHK hilft Unternehmen, dies umzusetzen. IHK-Initiative Alle Informationen zur Nachhaltigkeitsinitiative der IHK Berlin unter: ihk.de/berlin/ nachhaltige-wirtschaft FOTO: ULRICH SCHUSTER Entdeckt | 07 Berliner Wirtschaft 03 | 2023

Kompakt | 08 „Berliner Unternehmen sehen aktuell eine Erholungs-, aber noch keine Aufschwungsphase. Zu viele Risiken stehen noch im Weg. Die Kerninflation ist weiterhin hoch, die Lieferketten sind oft noch unsicher, die Zinsen drohen weiter zu steigen. Die Achterbahnfahrt könnte also weitergehen. Aber so, wie man in der Achterbahn nie in den Himmel fliegt, schlägt man auch nicht ganz auf dem Boden auf.“ Seit Jahren befindet sich die Berliner Wirtschaft im Dauerkrisenmodus und auf Zickzackkurs. Die neue Erholungsphase lässt nur bedingt hoffen Achterbahnfahrt gesagt Jan Eder, Hauptgeschäftsführer IHK Berlin Geduld ist nicht eines jeden Berliner Radelnden erste Tugend, Dynamik in der Vorwärtsbewegung geht oft vor Regelbeachtung. So weit, so alltäglich. Selbst den Langmütigsten aber wirft es aus dem Sattel, wenn er den Fortgang des Radweg-Ausbaus in der Hauptstadt vorgerechnet bekommt. Unlängst vermeldete der Verein Changing Cities den Anteil fertiggestellter Wegstrecken, gemessen an den Zielvorgaben des Mobilitätsgesetzes. Seit der Verabschiedung des radrelevanten Teils 2018 sind es demnach: vier Prozent, 113 Kilometer. Bei konstantem Tempo, so eine Kalkulation des „Tagesspiegel Checkpoint“, benötigt der Ausbau 119 Jahre. Nachrichten wie die Kostenvervierfachung beim Radschnellweg von Wannsee in die City West zwischen der Machbarkeitsstudie 2020 und heute stimmen wenig hoffnungsvoll. Was denkt da ein Pendler, der zum Umstieg bewegt werden soll: Haben die ein Rad ab? Rad ab typisch berlin 15.000 Stunden im Stau standen Berliner Autofahrer 2022. Im Vor-Corona-Jahr 2019 waren es noch 22.300. In Brandenburg sank die Zahl von 18.500 auf 12.500. Im Vergleich zum Vorjahr 2021 gab es keine nennenswerte Veränderung.

7.257 Wohnungen in Berlin verlieren 2023 die Sozialbindung. Insgesamt gibt es in Berlin 89.000 Wohnungen, die mietpreis- und belegungsgebunden sind und nur mit Wohnberechtigungsschein bezogen werden können. Besser als der Schnitt Der Gender Pay Gap ist in Berlin niedriger als in allen alten Bundesländern. Im Süden ist die Differenz am höchsten berliner wirtschaft in zahlen Julian Algner, IHK-Experte für Arbeitsmarktpolitik Tel.: 030 / 315 10-373 julian.algner@berlin.ihk.de unbereinigter Gender Pay Gap hat das Statistische Bundesamt für das vergangene Jahr in Berlin berechnet. 10% Am 10. und 11. Juni findet der Lange Tag der Stadtnatur statt. Berlins größtes Naturfestival zieht mit bis zu 500 Veranstaltungen an unterschiedlichen Orten jährlich über 20.000 Besucher und Besucherinnen in seinen Bann. Im Fokus steht der Artenreichtum Berlins. In den letzten Jahren haben sich auch Unternehmen beteiligt, beispielsweise mit Führungen zum größten Fledermauswinterquartier, mit wild-grünen Innenhöfen und Mitarbeitergärten oder auch mit einer Paddeltour. Bis zum 15. März werden Akteure gesucht, die eine Führung, einen Workshop oder eine Veranstaltung anbieten. langertagderstadtnatur.de brndt Akteure gesucht langer tag der stadtnatur kopf oder zahl Carsten Höltkemeyer Katharina Greis übernimmt zum 30. April bei Solaris die Position des CEO von Dr. Roland Folz. Höltkemeyer ist bereits seit November als designierter CEO im Solaris-Vorstand tätig. Zuvor war er CFO bei der Nets Group und bei Concardis. Neu im Solaris-Vorstand ist auch Chief Risk Officer Ansgar Finken, der von der BHW Bausparkasse AG zu Solaris wechselte. wird zum 1. April kaufmännische Geschäftsführerin bei der Howoge Wohnungsbaugesellschaft. Sie übernimmt die Verantwortung für Finanzen, Controlling, Recht, Einkauf, Personal sowie Konzernrechnungswesen. Von 2019 an hatte sie den Bereich Finanzen/Controlling, IT und Digitalisierung bei der DB Immobilien geleitet. Grafiken: BW Quelle: Statistisches Bundesamt unter 10 10–15 15–20 über 20 BREMEN BERLIN BRANDENBURG MECKLENBURGVORPOMMERN NIEDERSACHSEN SCHLESWIGHOLSTEIN SACHSEN SACHSENANHALT THÜRINGEN BAYERN SAARLAND BADENWÜRTTEMBERG NORDRHEINWESTFALEN RHEINLANDPFALZ HAMBURG HESSEN 21 18 15 17 18 7 10 12 6 6 6 8 21 20 18 23 FOTOS: GETTY IMAGES/SIGFRID LÓPEZ, RAINER KURZEDER, DB IMMOBILIEN, SOLARIS, GETTY IMAGES/FHM Berliner Wirtschaft 03 | 2023

Mit der Entscheidung des Berliner Verfassungsgerichtshofs für eine Wiederholungswahl am 12. Februar 2023 betrat nicht nur das Gericht Neuland, sondern auch die Berliner Politik. Erneut mussten sich die Parteien einem Wahlkampf stellen, der in erster Linie dazu diente, sich voneinander abzugrenzen, unabhängig davon, ob es sich umbisherige Koalitionspartner oder Oppositionsparteien handelte. Entsprechend hitzig diskutierten die Spitzenkandidatinnen und -kandidaten für das Amt des Regierenden Bürgermeisters oder der Regierienden Bürgermeisterin bei einer Diskussionsrunde, zu der die Handwerkskammer Berlin und die IHK Berlin Ende Januar eingeladen hatten. Anhand der Themen Verwaltungsmodernisierung, Fachkräfte, nachhaltige Mobilität und Nach Wahlkampf und Wiederholungswahl ist es höchste Zeit für Argumente und gute Ideen – um die Probleme der Stadt endlich in den Griff zu bekommen von Katharina Zalewski Die Politik muss jetzt handeln FOTOS: AMIN AKHTAR, FOTOSTUDIO CHARLOTTENBURG agenda

mangelnde Versorgung von Kitaplätzen sowie die abnehmende Qualität der Schulabgängerinnen und -abgänger bei gleichzeitig drohender Mehrbelastung durch eine Ausbildungsplatzumlage. Der fehlende Zuzug von Fachkräften, der den hiesigen Fachkräftemangel abmildern könnte. Und über all diesen Fragen und Sorgen steht das Gerüst dieser Stadt: die Verwaltung. Mehr als Verhinderer denn als Ermöglicher nimmt die hiesige Unternehmerschaft den Berliner Verwaltungsapparat wahr und wünscht sich mehr denn je klarere Abgrenzungen der Zuständigkeiten zwischen Bezirk und Senat und eine grundsätzliche Verwaltungsmodernisierung sowie Entbürokratisierung. Fatal ist dies angesichts der Tatsache, dass betriebliche Investitionsentscheidungen auch wesentlich davon abhängig sind, wie die Rahmenbedingungen vor Ort ausgestaltet sind, um Planungsunsicherheiten zu minimieren. Die Stadt braucht Lösungen Auf diese Nöte antwortete die Politik vor dem Wahltag am 12. Februar 2023mit Streit und gegenseitigen Vorwürfen. Argumente und gute Ideen wurden dem Wahlkampf geopfert, Visionen für ein Berlin fehlten dabei gänzlich, und letztlich stand am Ende des Wahlkampfes im Fokus, wer nun wirklich mit wem so gar nicht kann. Dies quittierte die Wählerschaft am Wahlabend. Die einst stärkste Kraft in Berlin, die SPD, verlor gegen die CDU deutlich und konnte ihren zweiten Platz sogar nur hauchdünn gegenüber den Grünenmit um die hundert Wählerstimmen behaupten. Die FDP muss sich dagegen aus dem Abgeordnetenhaus verabschieden. Die rund 150 gewählten Vertreterinnen und Vertreter im Abgeordnetenhaus haben den Rest der Legislatur bis Herbst 2026 Zeit, wichtige Stellschrauben für die Wirtschaft zu stellen. Wer ins Rote Rathaus einzieht, war zu Redaktionsschluss offen. Wer auch immer den Führungsanspruch erhält, für die Wirtschaft ist es wichtig, dass schnell der politische Betrieb wieder aufgenommen wird. So adressierte Sebastian Stietzel, Präsident der IHK Berlin, noch amWahlabend direkt die Erwartungen der Wirtschaft: „Für einen zukunftsfähigen Wirtschaftsstandort Berlin wünschen wir uns statt Enteignungsplänen und neuen Belastungen für die verbleibende Legislatur ein innovations- und wachstumsfreundliches politisches Klima imBerliner Senat, welches einer Weltmetropole gerecht wird und Unternehmen, Investoren, Touristen und Fachkräfte in Berlin willkommen heißt.“ ■ Das Interesse an der Diskussionsrunde der Spitzenkandidaten im Ludwig Erhard Haus war groß pragmatische Stadtentwicklung erläuterten die derzeit amtierende Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD), Senatorin Bettina Jarasch (Bündnis90/Die Grünen), Senator Klaus Lederer (Die Linke), Kai Wegner (CDU), Sebastian Czaja (FDP) und Kristin Brinker (AfD) ihre Pläne für die Stadt in der noch bis 2026 laufenden Legislatur. 840 Unternehmerinnen und Unternehmer nahmen in Präsenz oder digital an der reichweitenstarken Diskussionsrunde teil und meldeten sich vorab oder während der Veranstaltung mit ingesamt 300 Fragen an die Politik. Was die Unternehmen dabei umtreibt? Die Verdrängung der Gewerbe durch Gewerbemietsteigerungen und fehlende Flächen; der geringe Wohnungsneubau, der die Preise in die Höhe treibt; fehlende Lieferzonen für denWirtschaftsverkehr; die Katharina Zalewski, IHK-Politikmanagerin, Geschäftsfeld Wirtschaft & Politik Tel.: 030 / 315 10-244 katharina.zalewski@ berlin.ihk.de Wiederholungswahl | 11 Berliner Wirtschaft 03 | 2023

Nach der Wahl ist vor der Wahl. Bereits am 26. März sind die Berlinerinnen und Berliner wieder zur Abstimmung an die Urnen gerufen. Es geht um den Volksentscheid „Berlin 2030 klimaneutral“. Die hinter dem Volksentscheid stehende Initiative fordert, dass Berlin bereits 2030 klimaneutral sein soll – und nicht erst 2045. Dazu hat die Initiative Änderungsvorschläge für das Klimaschutz- und Energiewendegesetz der Stadt erarbeitet, über die die Wahlberechtigten abstimmen sollen. IHK hat Kompetenzteam eingerichtet So ist derzeit imGesetz eine Senkung von klimaschädlichen Emissionen um 70 Prozent bis 2030, von 90 Prozent bis 2040 und vollständige Klimaneutralität bis 2045 festgelegt. Der abgeänderte Gesetzentwurf sieht dagegen eine Senkung der Emissionen um 70 Prozent bereits bis 2025 sowie Klimaneutralität bis 2030 vor. Eine solche Zielsetzung scheint nicht zuletzt aufgrund der Tatsache, dass die entscheidenden Rahmenbedingungen für den Übergang zu einer klimaneutralen Wirtschaft auf Bundes- und EU-Ebene gesetzt werden, mehr als ehrgeizig. Angesichts der Bedeutung dieses Themenfeldes für die Zukunftsfähigkeit Berlins hat das Präsidium der IHK Berlin deshalb beschlossen, ein Ad-hoc-Kompetenzteam „Berlin 2030 klimaneutral“ einzusetzen. Ein Team aus ehrenamtlicher unternehmerischer Erfahrung und hauptamtlicher Expertise wird erarbeiten, wie etwa unter welchen Voraussetzungen ein klimaneu- trales Berlin realistisch umsetzbar wäre. Folgen für Wettbewerbsfähigkeit Fakt ist: Die Berliner Unternehmen bekennen sich zur Erreichung von Klimaneutralität, haben Roadmaps zur Dekarbonisierung und setzen Maßnahmen zur Einsparung von Energie und zur klimaneutralen Energieversorgung um. Ist aber eine Vorverlegung der Frist von 2045 auf 2030 auch umsetzbar? Und wenn ja, welche Folgen hätte das für dieWettbewerbsfähigkeit Berlins? Auswirkungen auf Wirtschaft und Arbeitsmarkt sind nicht unwahrscheinlich und sollten im Vorfeld mitbedacht werden. Mit diesen Fragen wird sich das Kompetenzteam ebenfalls befassen. Denn klar ist: Es braucht Lösungen, die für alle Beteiligten tragbar sind. Die Umsetzungsgeschwindigkeit von entsprechenden Klimaschutzmaßnahmen hängt wiederumvon Rahmenbedingungen ab wie politischen, wirtschaftlichen und technologischen Faktoren. Zudem braucht es mehr Spielraum für Innovationen und eine schnellere Verwaltung – dies gilt auch mit Blick auf die vielen bereits bestehenden Herausforderungen. Stets müssen die Struktur der Energieversorgung und dieWettbewerbsfähigkeit des Standortes sowohl im deutschen als auch im globalen Kontext mitgedacht werden. Zusammengefasst: Soll ein klimaneutrales Berlin – ob bis zum Jahr 2045 oder bis 2030 – nicht nur Wunschdenken bleiben, müssen dem Ziel der Klimaneutralität realistische Maßnahmen zugeordnet werden. ■ Am 26. März stimmt die Stadt über den Volksentscheid „Berlin 2030 klimaneutral“ ab. Ein Kompetenzteam der IHK berät über die Umsetzbarkeit der Ziele von Andreas Kubala Ehrgeizig. Zu ehrgeizig? 70% weniger klimaschädliche Emissionen bis 2025 sieht der abgeänderte Gesetzentwurf vor. Andreas Kubala, IHK-Public Affairs Manager Energie- und Klimaschutzpolitik Tel.: 030 / 315 10-758 andreas.kubala@berlin. ihk.de ILLUSTRATION: GETTY IMAGES/ISTOCKPHOTO/HALYNA SHNITSER AGENDA | Volksentscheid | 12

Berlin muss mehr wagen Wirtschaft, Politik und Verwaltung sind sich einig: Das öffentliche Beschaffungswesen in Berlin braucht einen deutlichen Schub in Richtung Qualität und Innovation Die Berliner Wirtschaft steht der öffentlichen Hand als Auftraggeber zunehmend kritisch gegenüber, weil Bürokratie und einseitige Preisfokussierung für qualitätsbewusste Unternehmen keine Einladung zur Angebotsabgabe darstellen. Damit schneidet sich die Stadt von innovativen Impulsen aus der Wirtschaft zu Ungunsten der eigenen Leistungsfähigkeit ab – siehe Modernisierungsgrad der Berliner Verwaltung. Die Wirtschaft erwartet von Politik und Verwaltung mehr Verantwortungsbewusstsein für qualitativ hochwertige, zukunftsfeste Beschaffungen, so die Aussage von rund 1.500 Unternehmen in der IHK-Sommerumfrage 2022. Im „StadtgesprächMittelstand – auf einWort mit dem IHK-Präsidenten“ diskutierten dazu sechs Unternehmen mit Wirtschaftssenator Stephan Schwarz, IKT-Staatssekretär und CDO, Dr. Ralf Kleindiek, sowie demLeiter der Zentralen Vergabestelle Charlottenburg-Wilmersdorf, Michael Nestoroff. Wir waren uns schnell einig: Berlin muss mehr wagen, braucht Mut, Offenheit und Flexibilität für neue – innovationsoffene –Wege in der Vergabepraxis. Auf der Hand liegende Lösungen scheitern immer wieder an mangelnden Ressourcen in der Verwaltung. Diese kann die Wünsche der Wirtschaft nachvollziehen: mehr wettbewerbliche Ausschreibungen, fachlicher Austausch mit der Verwaltung, innovationsoffene Leistungsbeschreibungen sowie höheres Gewicht auf qualitative, langfristig wirkende Kriterien gegenüber dem Anschaffungspreis. Die erforderliche Höherausstattung mit Personal (das schwer zu finden ist), Know-how (das gern die Wirtschaft liefert) und Zeit (die eine gute Entscheidung braucht) stehen dazu aktuell noch imWiderspruch. Der IHK-Vorschlag, ein Serviceteam Innovative Beschaffung für die beratende Begleitung komplexer Vergaben ins Leben zu rufen, kommt bei der Verwaltung gut an. Da passt es, dass Senator Schwarz sich selbst mit dem Eingeständnis ins Spiel bringt, dass der Mut zu entsprechenden Veränderungen vom zuständigen Senator ausgehen muss. Staatssekretär Kleindiek stellt einen GovTech-Campus Berlin für die vorwettbewerbliche Zusammenarbeit zwischen Verwaltung undWirtschaft und ein zentrales Landesbeschaffungsamt in Aussicht. Die Ressorts Wirtschaft und Inneres sind für die rechtliche und prozessuale Organisation der öffentlichen Vergabe zuständig. Der Ball liegt also bei ihnen. ■ Meinung In der Kolumne „Auf den Punkt“ positionieren sich Mitglieder des Präsidiums zu wirtschafts- politischen Frage- stellungen aus ihrer persönlichen Sicht. präsidiumsmitglieder beziehen stellung Sebastian Stietzel ist IHK-Präsident und Geschäftsführer der Marktflagge GmbH, Management& Investments FOTO: AMIN AKHTAR Berliner Wirtschaft 03 | 2023 Auf den Punkt | 13

Die aktuelle Konjunkturumfrage der Berliner und Brandenburger IHKs zeigt eine leichte Erholung bei weiterhin präsenten Risikofaktoren von Christian Nestler Klima zwischen eisig und mild Der Konjunkturverlauf gleicht seit drei Jahren einer Achterbahnfahrt: Steilen Abstürzen folgen Passagen schneller Erholung, auf die nach einiger Zeit wieder ein Absturz folgt. Einen sicheren Tritt, einen stabilen Aufwärtstrend hat die Wirtschaft noch immer nicht gefunden. Aktuell befindet sich die Konjunktur wieder in einer Erholungsphase. Das Konjunkturklima der Hauptstadtregion ist nicht mehr so eisig wie noch im Herbst, als viele Unternehmen – aber auch Verbraucher und Politiker – angesichts drohenden Gasmangels und Blackouts äußerst pessimistisch auf den Winter blickten. Diese Befürchtungen haben sich nicht realisiert und werdenmit einiger Sicherheit auch in den kommenden Monaten nicht eintreten. Nicht zuletzt der überdurchschnittlich milde Winter ist dafür ursächlich. Aber auch die massiven energetischen Anpassungsleistungen der FOTOS: AMIN AKHTAR, FOTOSTUDIO CHARLOTTENBURG Vorstellung der Konjunktur-Zahlen: Dr. Wolfgang Krüger, Mario Tobias, Jan Eder und Gundolf Schülke (v. l.) AGENDA | Konjunktur | 14

Indikatoren für das Konjunkturklima Besonders sichtbar ist die Veränderung gegenüber dem Herbst bei den deutlich aufgehellten Geschäftserwartungen 104 Punkte erreicht der Konjunkturklimaindex aktuell. Bei 78 Punkten stand er im Herbst vergangenen Jahres. 39,3 % der Unternehmen bewerten die aktuelle Geschäftslage als gut, das ist ein Zuwachs von 4,6 Prozentpunkten. 0,5 % Wachstum beim Bruttoinlandsprodukt erwartet die IHK Berlin für das laufende Jahr für die Hauptstadt. Wirtschaft, neu erschlossenen Energiequellen und staatlichen Kostenbremsen nahmen dem Risiko zumindest teilweise die Schärfe. Der Konjunkturklimaindex der Wirtschaft in der Hauptstadtregion steigt daher deutlich: von 78 Punkten im Herbst auf 104 Zähler. Angesichts des noch vor einigenMonaten erwarteten wirtschaftlichen Einbruchs ist das ein guter Wert. Doch vergleicht man ihn mit den Zeiten der Hochkonjunktur in den Jahren 2016 oder 2017, wird deutlich, dass eine stabile Konjunktur derzeit weit entfernt liegt: Damals zählte der Index knapp 140 Punkte. Der Preisdruck bei Vorleistungen lässt etwas nach, auch die Lieferkettenproblematik zeigt sich weniger dramatisch als zuletzt. Die Sorge, inflationsresultierend mit einer Arbeitskostenexpansion konfrontiert zu sein, lässt vorerst nach. Doch bleiben alle genannten Risikofaktoren präsent. Mit ihrer baldigen Auflösung ist nicht zu rechnen. „Unternehmerisches Geschick sowie die notwendigen politischen und finanziellen Unterstützungen sind weiterhin Schlüsselfaktoren für die Zukunft“, so Jan Eder, Hauptgeschäftsführer der IHK Berlin, der die Ergebnisse der Konjunkturumfrage gemeinsam mit seinen Amtskollegen Dr. Wolfgang Krüger, IHK Cottbus, Gundolf Schülke, IHK Ostbrandenburg, und Mario Tobias, IHK Potsdam, im Ludwig Erhard Haus vorstellte. Konsum nach Corona hält weiter an Konjunkturstützend wirkt der weiterhin anhaltende Konsum nach Corona in Gastgewerbe und Tourismus. Auch in den Dienstleistungsbereichen hat sich das Konjunkturklima zu Jahresbeginn etwas aufgehellt. Der stabile Arbeitsmarkt und die entspanntere Energiekostenentwicklung stimulieren die Konsumenten weiterhin, die in der Corona-Krise angelegten Ersparnisse aufzulösen. Nicht zuletzt die stark negativen Realzinsen dürften dazu beitragen, dass Konsumentscheidungen zeitnah getroffen werden. Auf kräftigen konjunkturellen Rückenwind wird Berlin dennoch einige Zeit warten müssen. Aktuell sorgen noch zu viele Risiken für Unsicherheit: Zwar nimmt die Inflationsrate langsam ab, aber die Kerninflation bleibt hoch. Weitere Zinsschritte der EZB sindwahrscheinlich. Die angespannte weltpolitische Lage tut ein Übriges. Angesichts dieser wird somanches Unternehmen größere Investitionen vorerst zurückstellen. Der dringend nötige kräftige Aufschwung, der die Perspektive endlich wieder für Zukunftsprojekte, Innovationen und Visionen in der Wirtschaft frei macht – er ist noch nicht in Sicht. ■ Grafiken: BW Quelle: IHK Berlin Christian Nestler, IHK-Experte für Konjunktur Tel.: 030 / 315 10-286 christian.nestler@ berlin.ihk.de 150 Konjunkturklimaindikator 59 139 78 50 75 100 125 '14 '15 '16 '17 '18 '19 '20 '21 '22 '23 2013 jeweils zum Jahresbeginn, im Frühsommer und im Herbst 104 43,2 34,7 22,1 47,1 39,3 13,6 Geschäftslage Jahresbeginn 2023 in Prozent Jahresbeginn 2023 in Prozent Herbst 2022 in Prozent Jahresbeginn 2023 in Prozent Herbst 2022 in Prozent Herbst 2022 in Prozent Jahresbeginn 2023 in Prozent Herbst 2022 in Prozent gut befriedigend schlecht 47,5 8,9 43,6 54,5 22,9 22,6 Geschäftserwartungen gleichbleibend günstiger ungünstiger 35,0 48,8 16,1 40,8 48,0 11,2 Investitionspläne steigend gleichbleibend fallend 54,9 25,7 19,4 58,6 27,7 13,7 Beschäftigungspläne zunehmend gleichbleibend abnehmend Berliner Wirtschaft 03 | 2023

FOTOS: AMIN AKHTAR Melina Hanisch, IHK-Managerin Digital Education Lab Tel.: 030 / 315 10-527 melina.hanisch@ berlin.ihk.de Die Ausbildungsoffensive ist ein zentrales Anliegen der IHK Berlin. Dazu gehört das Digital Education Lab, das nun eröffnet wurde von Maren Dingeldein Bildung für die Zukunft Das Digital Education Lab im Ludwig Erhard Haus ist eine Initiative für die Ed-Tech-Community und für Bildungsunternehmen in Berlin, die hier einen zentralen Standort finden, an dem sie sich zukünftig treffen können – Ende Januar feierte es seinen offiziellen Auftakt. Begrüßt wurden die Gäste aus Wirtschaft und Politik von Stefan Spieker, Vizepräsident der IHK Berlin und Geschäftsführer des Kita-Trägers Fröbel. In seiner Begrüßung wies Spieker, dessen Kernthemen Bildung und Erziehung sind, auf die Veröffentlichung des IQB-Bildungstrends vor vier Monaten hin, durch die die Dimension der Bildungskrise in Berlin noch einmal besonders deutlich geworden sei. Der Vizepräsident betonte, dass die Berliner Wirtschaft sich jedoch nicht darauf beschränke, nur zu kritisieren, sondern auch selbst mit anpacken wolle. „Es freut mich daher ganz besonders, dass die Vollversammlung im Rahmen unserer Ausbildungsoffensive 2,8 Mio. Euro für eine Vielzahl an Maßnahmen bereitgestellt hat. Eines der Teilprojekte ist unser neu eröffnetes Digital Education Lab“, so Spieker, der weiter ausführte, dass wir „in diesem Ideen- und Produktlabor zusammen mit unseren Partnern digitale Innovationen in die Bildungslandschaft bringen und die Bildungsqualität vorantreiben wollen“. Auf einer Tour durch das Lab konnten die Gäste den MakerSpace von Christiani kennenlernen, eineWerkstatt, die klassischeWege mit digitaler Technologie verbindet. Ziel ist es, technische Probleme individuell zu lösen und den innovativen Erfindergeist zu fördern. Weitere Stationen der Tour durchs Lab waren die Showrooms des Start-ups Aivy, das eine auf individuelle Fähigkeiten abgestimmte Arbeitswelt kreierenwill, und das soziale Netzwerk FindMe. Die Digitalagentur Berlin und das Team der IHK-Ausbildungsoffensive stellten die geplanten Projekte vor. Anke Fredericksen-Alde, IHK- Geschäftsführerin Beratung & Service und Bildung & Beruf, blickt zufrieden auf die Eröffnungsveranstaltung zurück: „Aus einer Idee wurde ein Projekt und daraus ein innovatives Produkt – das Digital Education Lab. Unserer Einladung zur Eröffnung sind viele Gleichgesinnte gefolgt, die in Bildung die Zukunft sehen und die die Zukunft der Bildung mit innovativen Ideen und digitalen Lösungenmitgestalten wollen.“ ImDigital Education Lab sind bereits die nächsten Community Events sowie die Zusammenarbeit mit Start-ups und Unternehmen in Planung. ■ Anke Fredericksen-Alde, Carolin Preuss und Melina Hanisch (alle IHK Berlin, v. l.) beim Start des Digital Education Labs. Foto unten: Bei einer Tour konnten die Gäste auch den MakerSpace des Bildungsunternehmens Christiani kennenlernen AGENDA | Ausbildungsoffensive | 16 Berliner Wirtschaft 03 | 2023

Wechseln Sie zu unseren Business-Mobilfunktarifen und holen Sie sich jetzt je SIM-Karte 100 € Bonus. Für Freiberufler:innen und Selbständige.* vodafone.de/bonus 100€ Wechsel- Bonus* Geben Sie sich einen Bonus *Aktion bis 03.04.2023: Bei Abschluss eines Red Business Prime-Tarifs über den Onlineshop (nicht stationär) im Aktionszeitraum bekommen Sie einen Wechselbonus in Höhe von 100€ zzgl. gesetzlicher MwSt. als Startguthaben auf Ihrem Kundenkonto gutgeschrieben (Barauszahlung nicht möglich), wenn Sie Ihre Rufnummer von Ihrem bisherigen Anbieter in Ihren neuen Vertrag mitnehmen. Der Wechselbonus wird für jeden neuen Vertrag gewährt, für den Sie eine Rufnummern-Mitnahme durchführen. Der Auftrag muss bis 03.04.2023 bei uns eingegangen sein. Das Beendigungsdatum des Vertrags mit Ihrem vorherigen Anbieter darf nicht mehr als 90 Kalendertage in der Vergangenheit liegen und höchstens 123 Kalendertage in der Zukunft. Die Mindestvertragslaufzeit beträgt 24 Monate mit einer Kündigungsfrist von 3 Monaten zum Ablauf der Mindestvertragslaufzeit. Vodafone GmbH · Ferdinand-Braun-Platz 1 · 40549 Düsseldorf · vodafone.de

Die Flexibilisierung von Arbeitsmodellen und Unternehmensprozessen ist für 74 Prozent der Berliner Unternehmen ein Hauptgrund für die Digitalisierung, ein Plus von 16 Prozent zum Vorjahr. Als weitere Top-Motive werden die Realisierung von Kostensenkungspotenzialen (42 Prozent, plus neun Prozent) sowie die Kundenbindung (41 Prozent, plus sieben Prozent) genannt. Dies geht aus der jährlichen Digitalisierungsumfrage der IHK hervor, an der sich zwischen November und Dezember vergangenen Jahres knapp 300 Berliner Betriebe beteiligt haben. Bei knapp drei Viertel der Unternehmen kommen Cloud-Lösungen zum Einsatz. Die Potenziale von künstlicher Intelligenz (KI) und maschinellem Lernen (ML) werden mittlerweile von vielen Unternehmen erkannt. So kommen bei 14 Prozent der Betriebe bereits KI/ML-Lösungen zum Einsatz. Weitere 25 Prozent geben an, dies für die nächsten drei Jahre geplant zu haben. Ebenso bemerkenswert ist der relative Sprung bei 5G-Campusnetzen. Gaben 2021 lediglich 0,5 Prozent der Berliner Unternehmen an, 5G-Campusnetze einzusetzen, ist dieser Anteil nun auf sieben Prozent angestiegen. Fachkräfte dringend benötigt Gleichzeitig stellt die digitale Transformation Unternehmen vor vielschichtige Herausforderungen. Die Abhängigkeit von einzelnen externen Lösungen und Anbietern wie beispielsweise Microsoft sowie fehlende zeitliche Ressourcen (je 35 Prozent) werden von den Unternehmen in diesem Jahr als die größten Herausforderungen bei der Digitalisierung gesehen, noch vor dem Kosten- und Investitionsaufwand (34 Prozent). Gut ein Fünftel der Unternehmen sieht den Mangel an IT-Fachkräften als große Herausforderung, und sogar 39 Prozent der Unternehmen geben an, dass fehlende IT-Fachkräfte ein Haupthemmnis für die Verbesserung der Cybersicherheit darstellen. Zudem sehen die Betriebe 24% der Berliner Unter- nehmen wollen künftig Blockchain einsetzen, sieben Prozent tun es bereits. Aktuelle Umfrage der IHK: Berliner Wirtschaft gewinnt bei der Digitalisierung an Dynamik, die Herausforderungen aber bleiben vielschichtig von Henrik Holst Unternehmen wollen Flexibilität Einsatz von Technologien in der Berliner Wirtschaft Wie aus den Umfragen deutlich wird, setzen viele Unternehmen für die Zukunft auf die Möglichkeiten von KI / ML und Blockchain 5G-Campusnetz Blockchain VR /AR Robotik & Sensorik 3D Druck KI / ML IoT Edge Cloud 10 0,5 8 7 24 7 24 7 19 10 16 7 12 10 9 8 15 7 12 9 25 15 25 14 17 18 16 19 16 29 20 28 73 19 75 16 im Einsatz 2022 2021 in 3 Jahren geplant im Einsatz in 3 Jahren geplant AGENDA | Digitalisierungsumfrage | 18

Ausbaubedarf bei den digitalen Kompetenzen von Führungskräften und Mitarbeitenden, insbesondere bei Grundkompetenzen wie demVerständnis digitaler Prozesse und Denkweisen (56 Prozent), demUmgang mit Technologien (47 Prozent) sowie den Themen Datenschutz und IT-Sicherheit (44 Prozent). Politik und Verwaltung sind gefragt Bei allem digitalen Fortschritt der Berliner Wirtschaft braucht es die Politik und Verwaltung als starke Partner, um bessere Rahmenbedingungen für die Digitalisierung sowie ein Ökosystem für digitale Innovationen zu schaffen. Die Bereitstellung leistungsfähiger Breitbandinfrastruktur bleibt dabei weiterhin die Kernforderung der Unternehmen an die Politik (53 Prozent, 9 Prozent weniger als imVorjahr). Das dringliche Anliegen, unternehmensbezogene Verfahren der Verwaltung zu digitalisieren und in einemPortal zusammenzufassen, ist imVergleich zu den Bundesergebnissen bei Berliner Unternehmen noch einmal deutlich ausgeprägter (42 Prozent gegenüber 30 Prozent). Im Bereich IT-Sicherheit wünschen sich Unternehmen von staatlicher Seite vor allem Unterstützung bei rechtlichen Fragen wie beispielsweise Informationen zu gesetzlichen Sicherheits- und Datenschutzstandards oder bei Haftungsfragen. Daneben besteht Informations- und Beratungsbedarf bei der Suche nach vertrauenswürdigen IT-Dienstleistern, bei Risikoanalyen und Lagebildern sowie bei Maßnahmen zur Vorbeugung von beziehungsweise demUmgang mit IT-Sicherheitsvorfällen. Aus den Umfrage-Ergebnisse lässt sich außerdem ableiten, dass für Unternehmen die Themen Digitale Souveränität, Open Source und Open Data weiter an Bedeutung gewinnen. Die Landespolitik sollte daher bei den angekündigten Strategien zu Open Source und Open Data die Wirtschaft mit ins Boot holen und dabei helfen, die digitale Vorreiterrolle Berlins weiter auszubauen. Der Fachkräftemangel sowie die Qualitätssteigerung in der (digitalen) Aus-, Fort- und Weiterbildung sind weitere Großbaustellen, die Politik undWirtschaft in der Hauptstadt gemeinsam meistern müssen. Aus diesem Grund wird die IHK Berlin in den kommenden Monaten gemeinsam mit dem Ehrenamt eine Digitaloffensive 2.0 entwickeln, die digitalpolitische Problemfelder aufzeigen und entsprechende Handlungsempfehlungen an die Politik aussprechen wird. ■ Grafiken: BW Quelle: IHK Berlin 74% der Unternehmen erwarten durch die Digitalisierung flexiblere Arbeitsmodelle und Prozesse. 35% der Befragten aus Berlin nennen Abhängigkeit und Zeitmangel als größte Herausforderungen. 53% der Berliner Betriebe, bundesweit sogar 59 Prozent, mahnen eine bessere Breitbandinfrastruktur an. Umfrage Berliner Ergebnisse unter: ihk.de/berlin/ digiumfrage Henrik Holst, IHK-Geschäftsfeld Wirtschaft & Politik Tel.: 030 / 315 10-623 henrik.holst@berlin. ihk.de Hauptgründe für Digitalisierung In Berlin wie auf Bundesebene ist die Flexibilisierung das wichtigste Argument für Unternehmen * 74 75 43 42 33 26 42 41 32 31 Neuentwicklungen Strategie Kundenbindung Kostensenkungspotenziale Flexibilisierung Herausforderungen bei der Digitalisierung Bei allen Chancen birgt die Transformation auch Probleme, vor allem Abhängigkeit, Zeitmangel und Kosten * 35 30 37 34 34 28 35 34 28 26 Akzeptanz Komplexität Kosten/Aufwand Zeitmangel Abhängigkeit Forderungen an die Politik Die Umfrage macht auch deutlich, dass unzureichende Rahmenbedingungen die Digitalisierung ausbremsen * 53 59 30 30 24 38 20 23 26 10 42 32 31 31 23 22 19 9 Fördermittel Mehr OpenData Digitale Basiskompetenzen Verfahren digitalisieren Breitbandinfrastruktur KI und Technologietransfer Informationssicherheit Fairer Wettbewerb Datengetriebene Geschäftsmodelle Bund Berlin * Mehrfachnennungen möglich, Angaben in Prozent Berliner Wirtschaft 03 | 2023

ILLUSTRATION: GETTY IMAGES/FSTOP/MALTE MUELLER INHALT 24 Agil am Markt Das FinTech Raisin wächst auch in schwierigen Zeiten 26 Sauberes Wasser weltweit Harbauer-Umwelttechnik wird immer gebraucht 27 Flexibel in der Lieferkette Limmer Laser sorgt gegen Ausfälle bei Bauteilen vor 28 „Jede Krise ist immer auch eine Chance“ Dr. Armin Seitz, Moll Marzipan, im Gespräch fokus Berliner Wirtschaft 03 | 2023

KRISENFEST Mit vereinten Kräften stemmen sich Berlins Unternehmen gegen aktuelle Bedrohungen. Die kleinteilige, vielfältige Struktur des Wirtschaftsstandorts erweist sich dabei als Vorteil von Almut Kaspar Resilienz | 21

B esser als befürchtet ist die Wirtschaft in der Hauptstadt durch die Krisen des vergangenen Jahres gekommen. Das Wachstum in Berlin betrug voraussichtlich 2,5 Prozent und lag damit deutlich über dem Bundesdurchschnitt von 1,7 Prozent, die Zahl der Insolvenzen hat sich im Vergleich zu 2019 nicht erhöht. „Kein anderes Bundesland hat mehr neue sozialversicherungspflichtige Beschäftigte verzeichnet“, sagt Michael Biel, Staatssekretär in der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe, „und auch bei den neuen Betrieben liegen wir in allen Kategorien über dem Bund.“ Ein Wachstum werde auch in diesem Jahr erwartet, wenngleich auf niedrigerem Niveau. Auch der aktuelle Konjunkturbericht der Industrie- und Handelskammern in Berlin- Brandenburg bestätigt, dass dieWirtschaft in der Metropolregion den Tiefpunkt, auf den der Konjunkturklimaindex imHerbst gefallenwar, hinter sich gelassen hat (siehe S. 14). Die Geschäftslage der Unternehmen habe sich verbessert, heißt es im Bericht: „Angesichts der äußerst pessimistischen Erwartungen, die zu Beginn des vierten Quartals das Bild dominierten, ist das eine erfreuliche Entspannung der Lage.“ Die Berliner Wirtschaft blicke weit weniger skeptisch als noch im Herbst auf das kommende Halbjahr – mit besseren Geschäften rechnen aktuell 23 Prozent der Betriebe, vor vier Monaten waren es nur neun Prozent. „Das alles fällt nicht vom Himmel, das ist harte Arbeit, die wir gezielt unterstützen“, sagt Staatssekretär Biel. „Für den Neustart nach Corona haben wir gemeinsam mit der IHK und vielen Partnern ein 330-Mi l l ionen-Förderprogramm aufgelegt, und dieses läuft 2023 weiter. Dazu kommen gut 425 Millionen Euro für Liquiditätshilfen, die Heizkostenhilfe für Öl, Kohle und Pellets, von der auch Gewerbetreibende profitieren, und das bald startende Energiekosten-Zuschussprogramm für KMU – insgesamt eine Dreiviertelmilliarde Euro als Schutzschirm und klares Bekenntnis zum Wirtschaftsstandort.“ Dass sich die Wirtschaft in Berlin noch vergleichsweise gut in den Krisen behauptet, bestätigt für Wirtschaftssenator Stephan Schwarz „die besondere Resilienz unseres Standorts“. Schocks aushalten Ökonomische Resilienz, so die Definition von Experten der Bertelsmann Stiftung, sei „die Fähigkeit einer Volkswirtschaft, vorbereitende Maßnahmen zur Krisenbewältigung zu ergreifen, unmittelbare Krisenfolgen abzumildern und sich an veränderte Rahmenbedingungen anzupassen“. Und unternehmerische Resilienz ist nach Gablers WirtschaftsFür Sonja Jost, Vizepräsidentin der IHK Berlin und Gründerin des grünen Chemie- Start-ups Dex- LeChem, zählt, dass die Politik in Krisen die Situation von Unternehmen versteht und schnell handelt FOTO: IHK BERLIN/AMIN AKHTAR FOKUS | Resilienz | 22

lexikon „die Eigenschaft eines Unternehmens, externe Schocks oder Verwerfungen der sozialen, wirtschaftlichen oder politischen Rahmenbedingungen auszuhalten und sich an die neuen Bedingungen anzupassen“. Zwischen Resilienz und Robustheit unterscheidet der Wirtschaftswissenschaftler Markus Brunnermeier und vergleicht Resilienz mit dem Schilf, das im Sturm nachgibt, aber wieder zurückfedert, das sich biegt, aber nicht bricht – im Gegensatz zur robusten Eiche, die dem Sturm bewegungslos trotzt oder, wenn er stärker wird, umfällt. Resilient ist ein Unternehmen, wenn es zum Beispiel auf Digitalisierung setzt, auf einem expandierenden Markt unterwegs ist und strukturell wächst – wie die FinTech-Gruppe Raisin mit eigener Bank und ihren Geldanlage-Plattformen (siehe S. 24). Wenn es Produkte und Dienstleistungen im Portfolio hat, die vor allem von der öffentlichen Hand nachgefragt werden – wie die Harbauer Umwelttechnik (siehe S. 26). Oder wenn es gefragte Medizintechnik anbietet undWert auf Qualität und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit Kunden und Lieferanten legt – wie Limmer Laser (siehe S. 27). Was früher als Schwäche und Nachteil der Berliner Wirtschaft ausgelegt wurde, erweist sich schon länger als Stärke und Vorteil: Die zahlreichen kleinen undmittleren Unternehmen und ein buntes Puzzle an Branchen statt eines dominanten Industriesektors sorgen in ihremZusammenspiel für eine Dynamik, die auch gegen Krisen besser schützt. Staatssekretär Michael Biel erlebt die lokaleWirtschaft als wendig und innovationsfreudig, „was sicherlichmit unserer Innovations- und Kreativlandschaft zusammenhängt und mit der Sogwirkung unserer Stadt auf Talente“. Zur wachsenden Resilienz der Wirtschaft trägt auch die IHK bei. „Die IHK tut ihr Bestes, die Berliner Mitgliedsunternehmen gerade auch in Krisenzeiten zu unterstützen – im Service genauso wie im Bereich der politischen Interessenvertretung“, sagt IHK-Vizepräsidentin Sonja Jost. „Hier ist das Ziel, dass die Politik die Situation der Unternehmen versteht und möglichst schnell, effektiv und unbürokratisch Verbesserungen herbeiführt – zumBeispiel durch die Ausarbeitung und Anpassung der Hilfsmaßnahmen zur Abfederung der gestiegenen Energiekosten.“ Damit die IHK die Sorgen und Nöte der Betriebe adressieren kann, sei es auch so wichtig, „dass möglichst viele Unternehmen Feedback an die IHK geben – zum Beispiel über die Teilnahme an themenspezifischen Umfragen“. Die IHK informiere ihre Mitgliedsunternehmen mit Übersichtsmaterial zu den aktuell wichtigsten Themen und führe zahlreiche Info-Veranstaltungen durch, die zur Stärkung der langfristigen Widerstandsfähigkeit beitragen sollen. So werde beispielsweise zu Fördermitteln imBereich Energieeffizienz und zu Energie- und Umweltmanagement-Systemen beraten. „Außerdem“, so Vizepräsidentin Jost, „hat die IHK seit März vergangenen Jahres einen anlassbezogenen Newsletter zu bundes- und landespolitischenMaßnahmen zur Bewältigung der Energiekrise sowie ein Postfach für Fragen der Unternehmen zu den Auswirkungen des Ukraine-Kriegs eingerichtet – ähnlich wie bereits zur Hochphase der Corona-Pandemie.“ Die Liste könneman noch lange so weiterführen. „Ich selbst bin immer wieder beeindruckt davon, was die Kolleginnen und Kollegen aus Haupt- und Ehrenamt über ihr Tagesgeschäft hinaus alles auf die Beine stellen und mit welch großem Engagement sie sich für unsere Unternehmen einsetzen.“ Sorge vor geopolitischen Spannungen Die Berliner Politik habe viele Unternehmen in vielen Krisen tatkräftig unterstützt, erkennt die IHK-Vizepräsidentin an. Jetzt müsse sie sich auf eine weitere mögliche Krise einstellen. Berlin sei als Exportregion stark auf stabile internationale Beziehungen angewiesen, sagt Sonja Jost. „Deshalb treffen uns geopolitische Spannungen hart, und es ist heute schon absehbar, dass sie eher zu- als abnehmen, beispielsweisemit China.“ Die Politik, sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene, sei nun gefordert, auf die damit verbundenen Probleme zu reagieren und Lösungen zu finden. „Eine Neuausrichtung der Außenwirtschaftspolitik, die die Erhöhung der Resilienz der Wirtschaft zur Folge hat, ist dringend notwendig.“ Je besser das Zusammenspiel von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft funktioniert, desto höher fällt auch die urbane Resilienz aus, die eine Stadt nachhaltiger und zukunftssicherer macht. Dass beispielsweise die Strom-, Wasser- und Energieversorgung derzeit in Berlin gewährleistet ist, führt Wirtschaftsstaatssekretär Michael Biel auch auf die Energiespar-Anstrengungen der Einwohnerschaft und der Unternehmen zurück. „Hier zeigt sich wieder: Herausforderungen geht man am besten gemeinsam an.“ Für die langfristige Versorgungssicherheit sei es notwendig, „die Transformation und den Ausbau erneuerbarer Energien konsequent voranzutreiben – zusammen mit der Berliner Wirtschaft“. ■ IHK-Kontakt zum Thema Kriegsfolgen Zu Fragen, die sich infolge des Kriegs in der Ukraine ergeben, können Unternehmen sich an die IHK wenden: energiekrise@berlin. ihk.de Sonja Jost IHK-Vizepräsidentin Geopolitische Spannungen treffen uns hart, und es ist absehbar, dass sie eher zu- als abnehmen. PLUS Punkte 1 2022 wuchs Berlins Wirtschaft um 2,5 Prozent 2 Die Hauptstadt ist spitze bei neuen Jobs 3 Innovationen, Kreativität und Sogwirkung auf Talente gegen die Krise 4 Land stützt Unternehmen mit 750 Mio. Euro Berliner Wirtschaft 03 | 2023

B ekannt wurde das vor über zehn Jahren gegründete FinTech-Unternehmen Raisin durch seine Geldanlage-Platt- formWeltSparen: Über die können Kunden ihr Erspartes bei Banken im europäischen Ausland anlegen, die für Tages- oder Festgeld mehr Zinsen zahlen als deutsche Institute. Das Geschäftsmodell überzeugte schnell Investoren wie den Wagniskapitalgeber und PayPal-Mitgründer Peter Thiel, die Deutsche Bank oder das US-Finanzinstitut Goldman Sachs, die dem Start-up mit zig Millionen Euro unter die Arme griffen. Damit konnte Raisin ein rasantes Wachstum hinlegen. Eine eigene Bank Heute hat das Unternehmen über 850.000 Kunden und arbeitet in rund 30 Ländernmit etwa 400 Partnerbanken zusammen. „Ende des vergangenen Jahres haben wir die Marke von 30 Milliarden Euro in vermittelten Spareinlagen überschritten“, sagt Raisin-CFO und -Mitgründer Dr. Frank Freund. 2019 übernahm Raisin die Frankfurter MHB-Bank, die seitdem als Raisin Bank AG firmiert und eine hundertprozentige Tochter der Raisin GmbH ist. „Mit der Übernahme haben wir unsere Wertschöpfungskette umfassend erweitert, indem wir die Infrastruktur für das Kerngeschäft durch unsere eigene Bank abdecken können“, erläutert Geschäftsführer Freund. „Wir sind damit in diesem Bereich nicht weiter auf externe Partner angewiesen – zusätzlich bietet die Bank diese Infrastruktur und damit verbun400 Partnerbanken in 30 Ländern hat Raisin. Insgesamt betreut das FinTech 30 Mrd. Euro von 850.000 Kunden. Dr. Frank Freund Aktuell profitieren wir im Kern unseres Geschäfts von der Zinswende. Gut vernetzt Sie finden Dr. Frank Freund auf LinkedIn über den QR-Code: FOTO: RAISIN/LUKAS SCHRAMM dene Dienstleistungen auch anderen Technologie-Unternehmen an.“ Schlagzeilenmachte 2021 die Fusionmit dem Hamburger Konkurrenten Deposit Solutions, der damit die Anlageplattform Zinspilot einbrachte. „Die Integration von Deposit Solutions in Raisin war ein logischer Schritt, denn während Raisin Vorreiter im B2C-Bereich der Sparprodukte war, lag die Stärke von Deposit Solutions primär auf der B2B-Seite“, sagt Frank Freund. Die Fusion der beiden eigenständigen Unternehmen zu einem der größten Open-Banking-FinTechs in Europa sei also die Fusion zweier komplementärer Unternehmen gewesen. „Neben der Konsolidierung eines Wettbewerbers war für die Beschleunigung unseres Wachstums aber vor allem die Zinswende von Bedeutung, durch die wir gegenüber dem Gehalts- und Girokonto, auf dem Verbraucherinnen und Verbraucher den größten Teil ihres Geldes unverzinst liegen lassen, ein langfristiges, nachhaltiges und konkurrenzfähiges Angebot anbieten können.“ Das Angebot beschränkt sich schon lange nicht mehr auf die Vermittlung von Tages- oder Festgeldern, sondern ist ausgeweitet worden auf ETF-basierte Investment- und Vorsorgeprodukte. Auch Finanzinstitute nutzen inzwischen die Raisin-Plattform für eigene Marktplätze, wie beispielsweise die Deutsche Bank mit ihrem Deutsche Bank Zinsmarkt. „Wir sind durch die breite Aufstellung des Unternehmens und die stetige Erweiterung der Wertschöpfung sehr resilient gegen Krisen“, sagt Geschäftsführer Freund. „Aktuell profitieren wir in der Produktkategorie, die den Kern unseres Geschäfts ausmacht, von der Zinswende.“ Sparprodukte wie Tages- und Festgelder hätten seit dem Ansteigen der Zinsen durch die Leitzinserhöhungen stark an Attraktivität in allenMärkten gewonnen. „Auch imB2B-Geschäft, also auf der Seite der Banken, die ihre Produkte auf unserer Plattform anbieten oder Kundengelder über diese einsammelnmöchten, sehen wir eine konstant steigende Nachfrage.“ Dass sein Unternehmen so gut durch die Krisen kommt, führt Raisin-CFO Frank Freund nicht nur auf das Wachstum und die Diversifikation über verschiedene Produkte, Dienstleistungen und Märkte zurück, sondern auch auf seine Beschäftigten: „Unser engagiertes Team schafft es, sich schnell jeder Marktsituation anzupassen und stetig das Produkt und die Marke zu optimieren – das alles festigt unsere Stellung im Markt und beschert unserem Geschäftsmodell eine starke Resilienz.“ ■ Das FinTech Raisin ist auch in schwierigen Zeiten gewachsen – durch Kapitalgeber, Fusionen und Übernahmen. Diversifikation und Schnelligkeit sind gefragt Agil am Markt FOKUS | Resilienz | 24 Berliner Wirtschaft 03 | 2023

RkJQdWJsaXNoZXIy MTcxNDM4Mw==