Berliner Wirtschaft März 2022
und die Krise der vom Grammo- fon verdrängten Salonorchester drückte auf den Absatz. Am 11. April 1838 hatten der Notenstecher Eduard Bote und der Kaufmann Gustav Bock ihren Musikverlag an der Jägerstraße/ Ecke Oberwallstraße aufgemacht. Zu ihren Erfolgen zählten Longseller wie ein Tanzalbum mit leich- tem Klaviersatz, das von 1842 bis 1882 aufgelegt wurde, und die Akquise des ungarischen Komponisten und Dirigen- ten Jacob Eduard Engel. Dieser öffnete als Gatte von Auguste Kroll demMusikhaus ständige Präsenz in der Kroll-Oper. Jacques Offenbach und seine Bühnenerfolge sind ebenfalls eng mit dem Verlag Bote & Bock verbunden. Gustav Bock starb 1863, sein Bruder Emil übernahm, dem 1871 der Sohn des Gründers, Hugo, folgte. Dieser baute sich in der Musik- szene einen großen Namen auf, nicht nur durch Unterhaltungsmusik vom Schlage des Dauer- brenners „Eisenbahn-Actien-Schwindel-Galopp“ von Albert Leutner, sondern auch durch eine fachlich hoch angesehene Zeitschrift und sein Engagement für die preußische Marschmusik. Dieses trug ihm Titel und Ehren ein, etwa den schon seinem Vater verliehenen Titel „Hofmusi- kalienhändler“. Wie sein Sohn Anton war Hugo Bock stark in der Gründung der Verwertungsge- sellschaft Gema involviert. Der Verlag stand in der Nazizeit unter poli- tischem Druck, weil Gustav Bock Jude gewesen war, und musste 1945 die Bombenzerstörung des Hauptgeschäfts in der Leipziger Straße überste- hen. Der Neustart fand in der Hardenbergstraße statt, flankiert vom Musikaliengeschäft mit dem größten Sortiment Berlins im neuen Europa- Center ab 1965. Nachdem das Unternehmen fünf Generationen in Familienhand gewesen war, kaufte das ebenfalls traditionsreiche Londoner Musikhaus Boosey & Hawkes Bote & Bock 1996. Und Bote? Eduard Bote stieg schon 1847 wie- der aus demMusikverlag aus undmachte sichmit einer Steindruckerei selbstständig. ■ Der Musikverlag Bote & Bock prägte über eineinhalb Jahrhunderte maßgeblich die Berliner Musikszene von Björn Berghausen (BBWA) Generationen von Noten A ls Hugo Bock vor 90 Jahren am 12. März 1932 für immer die Augen schloss, konnte das in Familienhand geführteMusikalien- haus Bote & Bock auf fast hundert erfolg- reiche Jahre zurückschauen. Allerdings hatte der „commercienrätlichste aller preußischen Com- mercienräte“, wie Peter Tschaikowsky denMusik- verleger genannt hatte, auch die erste große Krise des Verlages erlebt, nämlich den Rückgang des Notenverkaufs an Privathaushalte, in die immer mehr Musik von der Platte kam. Auch der Ton- filmmit der Abschaffung der Stummfilmmusiker Ladengeschäft am ersten Standort, der sich ab 1838 an der Jägerstraße/Ecke Oberwallstraße befand Zugang zum Wirtschaftsarchiv Die Bestände des Berlin-Brandenburgischen Wirtschaftsarchivs (BBWA) können nach Vereinbarung eingesehen werden. Kontakt und Infos: bb-wa.de Hugo Bock setzte sich für den Schutz des Urheberrechts ein. Er war Mitbegründer der Gema FOTOS: BBWA 47 IHK BERLIN | BERLINER WIRTSCHAFT 03 | 2022 BRANCHEN | Historie
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