Berliner Wirtschaft März 2022

mich als Firmenchef dort in bunten Klamotten auf einemWagen präsentieren. Aber kommt das wirklich im Unternehmen an? Kann ich mich dort wirklich im Arbeitsalltag zeigen, wenn ich als Frau Frauen liebe oder als Mann Männer liebe? Sie haben noch ein zweites Beratungsfeld, in dem Sie Frauen erklären, wie sie sich besser in Szene setzen können. Wer wendet sich in diesem Bereich an Sie? Es geht weniger um das „In-Szene-Setzen“, son- dern mehr um die Sichtbarkeit und Kommunika- tion. Weibliche Vorstandsmitglieder sind auf mich zugekommen und habenmich gebeten, ihnen bei der Positionierung zu helfen. Es geht dabei auch umPer- spektivenvielfalt in der Kommunikation. Wer findet in den Medien statt? Muss es immer der CEO sein, der das Interview gibt? Oder kann es auch eine Kol- legin sein, die im Zweifel von dem Fachthema sogar mehr versteht? Mir macht es Spaß, dabei zu helfen. Ich habe mir meine Positionierung selbst aufgebaut und weiß, was man imUmgang mit klassischen und sozialen Medien falsch machen kann. ■ Tijen Onaran rät Unternehmen, mehr Frauen in Führungspositio- nen zu etablieren. Das Tuch hat sein Vorbild in dem großen Motiv auf der linken Seite, einer ikonischen Darstellung der amerikanischen Frauenbewegung. Die Bilder hängen in ihrem Büro Julian Algner, IHK-Geschäftsfeld Wirtschaft & Politik Tel.: 030 / 315 10-373 julian.algner@ berlin.ihk.de Durchgesetzt wird Vielfalt mit Quoten, gegen die es aber oft Widerstände gibt. Haben Sie dafür Verständnis? Die Diskussionenwerden oft sehr emotional geführt. Menschen haben Angst, dass sie nicht mehr gese- hen werden oder dass sie ihre Karrierechancen oder sogar ihren Arbeitsplatz verlieren, weil zumBeispiel junge weibliche Talente kommen und gefördert wer- den. Diese Ängste gilt es abzubauen. Ich bin immer erstaunt, wenn wir über eine Quote sprechen und Menschen sich aufregen. Jedes Unternehmen hat Innovationsziele, jedes Unternehmen hat Umsatz- und Renditeziele. Aber bei konkreten Zielen für Viel- falt kommt es zur Kritik. Sind Sie für oder gegen Quotenregelungen? Ich bin generell für Zielsetzungen. Ohne Ziele gibt es keine Visionen, und es kann auch keinen Erfolg in puncto Vielfalt geben. Die Quote ist ein konkre- tes Ziel. Es muss einen ganz konkreten Plan geben, sonst entwickelt sich nichts. Einige Unternehmen koppeln die Bonus-Ausschüttungen ihrer Vorstands- mitglieder an das Erreichen der Diversitätsziele. Inte- ressanterweise verändert sich dann ganz schnell etwas. Es ist eigentlich traurig, dass wir ökonomi- schen Druck brauchen. Aber so ist es nun einmal: Ohne konkrete Vorgaben sind Menschen oft orien- tierungs- und ambitionslos. Firmen brauchen also Ziele für mehr Vielfalt. Was erleben Sie, wenn Vielfalt ohne konkrete Ziele umgesetzt werden soll? Dann bleibt vieles an der Oberfläche. Es werden zum Beispiel am Christopher Street Day auf einem Wagen mit dem Firmenlogo Regenbogenfahnen geschwenkt. Aber das reicht nicht. Vielfalt ist hoch- komplex. In den USA und in einigen anderen Ländern gehen die Unternehmen sogar noch einen Schritt weiter und sprechen nicht nur über Diversity, son- dern auch über Inklusion. In Deutschland verste- hen die meisten darunter die Chancengleichheit für Menschenmit Behinderung. Aber der Begriff umfasst eigentlich noch viel mehr, nämlich ganz allgemein Partizipation, Teilhabe und Zugehörigkeit. Was bedeutet der Schritt von der Vielfalt zur Inklusion in Unternehmen? Wenn in einen Vorstand, der rein männlich besetzt ist, eine Frau berufen wird, die aber so wie Männer agieren muss, dann sieht das lediglich nach Viel- falt aus. Damit ist aber noch keine Partizipation des weiblichen Geschlechts im Vorstand erreicht. Und noch einmal zum Christopher Street Day: In kann 31 IHK BERLIN  |  BERLINER WIRTSCHAFT 03 | 2022

RkJQdWJsaXNoZXIy ODUxMjI4