Berliner Wirtschaft März 2022

» ist ein offener Umgang im Job mit einer höheren Arbeitszufriedenheit verbunden“, weiß Annika Zawadzki, Principal bei der Boston Consulting Group und Autorin der 2019 veröffentlichten internationalen Studie „Out@Work“, für die die Strategieberatung 4.000 junge Berufstätige und Studenten unter 35 Jahren befragte. Karrierefalle Coming-out Nur 37 Prozent der LGBT-Talente legten gegen- über Arbeitskollegen offen, dass sie lesbisch, schwul, bisexuell oder transsexuell seien. Jedes vierte deutsche LGBT-Talent (LGBT steht für die englischen Bezeichnungen Lesbian, Gay, Bise- xual, Transgender) sieht ein Coming-out im Job als Karrierefalle. Dabei würden beide Seiten – Arbeitgeber und Arbeitnehmer – von einer offe- neren Kultur stark profitieren. Wer sich wohl- fühlt, ist leistungsfähiger, motivierter, engagierter undwechselt seltener, was die Fluktuationskosten senkt. Experten weisen zudem darauf hin, dass Menschen, die ein Coming-out bewältigt hätten, oftmals über besonders ausgeprägte soziale Kom- petenzen verfügten. „Es reicht nicht, einen Regenbogen auf seine Produkte zu drucken. Damit ist man noch lange nicht divers, sondern betreibt Pinkwashing“, warnt Ulli Pridat, Geschäftsführer der bluCom Communication & Events GmbH. In Kürze begin- nen für ihn die wichtigsten Wochen des Jahres. Während der Pride Season von Juni bis August organisiert bluCom bundesweit für Unterneh- men deren Teilnahme an den zahlreichen Ver- anstaltungen am und rund um den Christopher Street Day (CSD). Gleichzeitig berät der gebürtige Thüringer Firmen, wie sie das Thema LGBT im Betrieb verankern können. „Es ist unerlässlich, dass die oberste Führungsebene mit der Umset- zung beginnt und alle Ebenen nach und nach einbindet. Zudem müssen Geld, etwa für spezi- elle Führungskräfteseminare, und Arbeitszeit für Projekte zur Verfügung gestellt werden.“ Arbeitgeber könnten zudem gegenüber Beschäftigten und Öffentlichkeit Flagge zeigen, etwa mit der Teilnahme an der Charta der Vielfalt, durch die sich Unternehmen verpflichtend für ein vorurteilsfreies Arbeitsumfeld einsetzen. Oder bei Karrieremessen wie der von der Berliner Uhlala Group seit 2009 organisierten „Sticks & Stones“, beziehungsweise mit dem Engagement in Uhlalas globalem Leadership-Netzwerk „Rahm“. Eine gute Chance, sich als LGBT-freundlicher Arbeit- geber zu präsentieren und andere zumotivie- Alex Ruthemeier Mitgründer Expatrio Global Services GmbH Studierenden oder Fachkräften aus dem Ausland organisato- risch den Start in Ber- lin erleichtern, das ist das Geschäftsmodell des 2017 gegründeten Unternehmens. Die Belegschaft ist so international wie die Kunden: Mitarbeiter aus 20 Nationen bilden das 30-köpfige Team. Vorige Doppelseite: Anja Tillack, Nicole Engel und Franziska Dietzsch (v. l.) Gründerinnen Klinker& Klunker GmbH  Mitten in der Pandemie gründete das Trio, zusammen mit Andreas Engel, ein Start-up, das Käufer von Immobilien bei Um- und Ausbauten, Gestaltung sowie Bewirtschaftung als Projektmanagement begleitet. 75 Prozent Frauenquote in einer männerdominierten Branche, darauf ist man bei Klinker& Klunker stolz. B evor ausländische Studierende in Ber- lin die Uni besuchen oder internatio- nale Fachkräfte bei einem Unternehmen arbeiten dürfen, gibt es viel zu organisie- ren. Neben der Arbeitserlaubnis müssen sie sich umVisa, Krankenversicherung, Sperr- und Giro- konto, Wohnung, Mobilfunk- und Energiever- sorger-Verträge kümmern. Die 2017 gegründete Expatrio Global Services GmbH hat daraus ein Geschäftsmodell gemacht und hilft ihren Kunden dabei, den bürokratischen Aufwand zu bewäl- tigen. So divers wie die Kunden sind die Mitar- beiter des Unternehmens. 30 Beschäftigte kom- men aus 20 verschiedenen Nationen. „Wir sind ein global aufgestelltes Unternehmen und brau- chen deshalb Kollegen, die sich in unseren Ziel- märkten gut auskennen, die Sprache beherrschen und die Kultur verstehen, sagt Mitgründer Alex Ruthemeier. Als Vorteile diverser Teams nennt er „eine größere Zufriedenheit der Mitarbeiter, eine höhere Innovationsfähigkeit, da die Beschäftigten sehr unterschiedliches Wissen aus verschiedenen Kulturen mitbringen, sowie ein besseres Unter- nehmensergebnis, was auch in Studien nachge- wiesen wurde.“ Immer mehr Unternehmen rücken das Thema Diversity in den Fokus ihrer Personalpolitik. Ziel ist es, das bestmögliche integrative Arbeitsum- feld für alle Mitarbeiter zu schaffen, in dem jeder unabhängig von Geschlecht, Alter, Staatsangehö- rigkeit, Nationalität, politischer Meinung, ethni- scher Herkunft, Familienstand, Fähigkeit oder sexueller Orientierung seine volle Performance zeigen kann. Davon profitieren beide Seiten glei- chermaßen. Wer sich als Arbeitgeber gut positio- niert und überzeugend agiert, kann auch imWett- bewerb um junge Talente und qualifizierte Mitar- beitende punkten. Druck kommt aber auch von außen. Für Konsumenten und Investoren spielt Vielfalt eine zunehmend wichtigere Rolle. Die Berliner Wirtschaft hat mit Unternehmen gespro- chen, welche Erfahrungen sie mit ihren diversen Belegschaften machen. „Ich bin schwul, und das ist auch gut so.“ Mit seinem wohl berühmtesten Zitat sprach Klaus Wowereit 2001 auf dem SPD-Landesparteitag als Spitzenkandidat seiner Partei für die Ber- liner Bürgermeisterwahl aus, was heute – fast 20 Jahre später – für viele Manager in der Wirt- schaft immer noch undenkbar ist. „Das Thema sexuelle Orientierung ist nach wie vor ein Tabu in vielen deutschen Unternehmen. Damit schaden sich die Arbeitgeber vor allem selbst: Denn häufig Franziska Dietzsch Klinker & Klunker GmbH Frauen treffen den besseren Ton und können zwischen unter- schiedlichen Interessen vermitteln. FOTO: CHRISTIAN KIELMANN SCHWERPUNKT | Diversity 20 IHK BERLIN  |  BERLINER WIRTSCHAFT 03 | 2022

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