Berliner Wirtschaft März 2021

Die aktuelle Situation nagt am Selbstwert- gefühl vieler Führungs- kräfte. Ergebnisse kommen. Die meisten Mitarbeiter arbei- ten eigenbestimmt, selbstverantwortlich und ver- lässlich und folgen den Werten des Unternehmens. Allerdings nagt die aktuelle Situation amSelbstwert- gefühl vieler Führungskräfte. Warum? Sie können jetzt nicht mehr durch volle Büroetagen laufen, Aufgaben delegieren und kontrollieren, dass alles so läuft, wie sie es sich vorstellen. Jetzt bedarf es eines anderen Selbstbilds von Führung. Wie sieht das aus? Führung wird in Zukunft weniger Kon- trollmechanismen haben, dafür aber agiler und verteilter sein. Mitarbeiter werden sich viel stärker selbst führen. Und die Kommunikation verläuft nicht mehr so stark hierarchisch zwischen Vorgesetztem und Mitarbeitern, son- dern stärker im Team. Dazu brauchen wir aber eine neue Vertrauenskultur. In der weniger Kontrolle herrscht? Ja, viele Führungskräfte haben sich bisher einer Kontrollillusion hingegeben. Auch im Büro wuss- ten viele, wie sie die Kontrolle aushebeln können. Dass Arbeit nur über Kontrolle zu organisieren ist, basiert auf einemMenschenbild, das sich nicht auf- rechterhalten lässt. Wie kommenwir zu dieser neuenVertrauenskultur? Indem wir mehr auf das achten, was gut läuft. Bei vielen Führungskräften steht heute das eigene Miss- trauen im Fokus. Sie sehen das, was nicht so gut läuft, aber nicht, dass das Team größtenteils vertrauens- würdig arbeitet und Ergeb- nisse liefert. Natürlich gibt es gerade in dieser Zeit auch Mitarbeiter, diemit der Situ- ation nicht zurechtkommen und weniger produktiv sind als zuvor im Büro. Aber das sind relativ wenige. Vielen Führungskräften fällt es aber schwer, dieses Verhält- nis realistisch abzuschät- zen. Es bedarf der Selbst- entwicklung der Führungspersönlichkeiten und der Erweiterung der inneren Haltung. Tabus brechen auf. AlsowirdCorona die Führung langfristig verändern? Auf jeden Fall. Führung wird in Zukunft agiler wer- den. Führungskräfte zeigen auf, welche Ergebnisse sie erwarten. Die Mitarbeiter entscheiden dann selbst, wie sie diese erreichen wollen. Bei Führung geht es manchmal auch darum, den Mund zu hal- ten. Das ist eine großartige Lernchance – mal nicht beteiligt zu sein und die anderen machen zu lassen. Daraus ergibt sich ein Raum für mehr Selbstführung. Gibt es so etwas wie einen längerfristigen Ent- wicklungspfad, den gute Führung durchläuft? Die Reifung beginnt mit der Selbstentwicklung und besteht darin, Führungskommunikation transpa- renter und emotionaler zu gestalten und dadurch komplexere Aufgabenstellungen besser zu bewälti- gen. Von der Orientierung an Zahlen geht es zu einer stärkenorientierten Führung. Mit der Fähigkeit zur Selbstreflexion wächst die Fähigkeit zur emotiona- len Führung. Wir nehmen unsere eigenen Gedan- ken und Gefühle besser wahr und erkennen deren Subjektivität. Das ist der Beginn von Agilität. Die nächste Entwicklung wäre ein Führungsteam, das Martin Permantier SCHWERPUNKT | Interview

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