Berliner Wirtschaft März 2021

Führungskraft spricht einmal täglich mit jedem Teammitglied unter vier Augen. An den verschie- denen Standorten der Agentur kommen die Kolle- gen zweimal wöchentlich zu einer Mischung aus Unterhaltung und Arbeit zusammen. Und zwei- mal monatlich schaltet sich die ganze Agentur via Zoom zusammen, um häufig gestellte Fragen zu klären. Dabei zeigte sich auch, dass Homeoffice und gleichzeitig Homeschooling viele Paare vor riesige Herausforderungen stellt. ImSpätsommer 2020 schloss der Mittelständler deshalb einen Ver- trag mit einem Familienservice, der kurzfristig die Kinder betreuen kann und auch psychosozi- ale Aufgaben übernimmt. Auch wenn Minack für das Arbeiten im Homeoffice eine positive Bilanz zieht, beob- achtet er: „Das Bedürfnis nach Gemeinschaft ist ungebrochen. Nach Abschluss der Impfkampa- gne wird sicher eine hedonistische Zeit beginnen.“ Dass an der Zoom-Weihnachtsfeier der Agentur mit Live-Musik, Spielen und Unterhaltung das Gros der Kollegen teilgenommen hat, bestärkt den CEO in seiner Prognose. Als persönliche Les- sons Learned verbucht er, sein Führungsverhal- ten geändert zu haben. „Ich war eher ein kritisch distanzierter Chef, habe in der Krise aber gelernt, mehr Nähe zuzulassen und Emotionen zu zeigen.“ Eine der größten Herausforderungen für die Arbeit im Homeoffice ist aus Sicht von Bit- kom-Präsident Achim Berg die Abgrenzung von Beruflichem und Privatem. Sein Tipp: „Hierbei helfen klare Regeln und Vereinbarungen zwi- schen Arbeitgeber und Arbeitnehmer.“ Dass es noch Nachholbedarf gibt, findet auch das Fach- magazin „Harvard Business Manager“. Die Arbeit im Homeoffice steigere zwar die Produktivität und das Engagement der Mitarbeiter. Kommu- nikation, Wissenstransfer, kreativer Austausch, Kontaktpflege und die Datensicherheit ließen sich aber noch deutlich verbessern. Technik für das Homeoffice Das finden auch die Beschäftigten. Wie sie von ihren Arbeitgebern im Homeoffice unterstützt werden, darüber denken sie nicht nur positiv. Knapp jeder Vierte im Homeoffice beklagt, kei- nerlei Unterstützung dabei erhalten zu haben und nicht einmal über ein Smartphone oder ein Note- book des Arbeitgebers zu verfügen, so die Bit- kom-Studie. Mit 61 Prozent wurde aber immer- hin der Mehrheit ein Notebook gestellt, 29 Prozent erhielten einen Monitor, 20 Prozent ein Smart- phone. Jeder Dritte berichtet laut Bitkom, dass der Arbeitgeber eine Plattform zum Mitarbeiteraus- tausch eingerichtet habe. Jeder Vierte wird bei der Selbstorganisation unterstützt, etwa durch Leit- fäden. 13 Prozent haben eine spezielle Weiterbil- dung machen können. Vertrauen geht über Kontrolle Für produzierende Unternehmen wie die Ahlberg Metalltechnik GmbH spielt das mobile Arbeiten naturgemäß kaum eine Rolle. Der Mittelständ- ler mit Sitz im Technologiepark Berlin-Adlers- hof beliefert vor allem die Automobilindustrie, die 60 Prozent zum Umsatz beisteuert. „Im ers- ten Lockdown mit der zeitweisen Schließung von ganzen Fabriken mussten wir zügig flexibel gegensteuern und das Geschäft mit unseren ande- ren Industriekunden, etwa in der Medizintech- nik, stärken“, sagt Geschäftsführer Mario Ahlberg, der auch im IHK-Branchenausschuss Industrie sitzt. Eigentlich überlässt der Inhaber das Tages- geschäft überwiegend seinen Mitarbeitern, ver- traut auf deren Kompetenzen und hohes Verant- wortungsbewusstsein. Ein bekanntes Zitat hat der Diplom-Kaufmann deshalb als seinen Füh- rungs-Leitspruch umgemünzt in: „Kontrolle ist gut, Vertrauen ist besser.“ Doch in der Pandemie habe er sich deutlich rigider in den Vertrieb eingemischt, um seine Mitarbeiter zu motivieren und als Chef bei den Kunden Flagge zu zeigen. „Ich wollte auch Opti- mismus verbreiten, zeigen, dass wir es hinkrie- gen, und meine Sorgen nicht an die Kollegen weitergeben.“ Flexibilität war seine Devise auch beimPersonaleinsatz. Ingenieure, die imBereich Engineering weniger zu tun hatten, verstärkten die Maschinenbediener in der Produktion. Beweglichkeit, Entscheidungsfreude und Kre- ativität haben sich ausgezahlt. Die Teams hätten gut mitgezogen, sagt der Chef. Um gut 15 Prozent brach der Ahlberg-Umsatz im vergangenen Jahr zwar ein, aber ohne den konsequenten Ausbau anderer Kundengruppen wären es sicher mehr gewesen. Für das laufende Jahr ist Ahlberg opti- mistisch, der Gruppen-Umsatz werde sich wieder in Richtung Vorkrisenniveau bewegen, und auch die Zahl der Beschäftigtenwill er nach einemvor- übergehenden Personalabbau wieder aufstocken auf 170 Mitarbeiter. Festhalten wird der Mittelständler an seinen bewährten individuellen Arbeitszeitmodellen mit flexibler Arbeitszeit, ohne Kernarbeitszeit in Verwaltung, Entwicklung und Konstruktion. „Ein 32-Jähriger etwa fängt bei uns nie vor Mit- IHK-Seminare Die IHK Berlin bietet Führungs-Know-how. Führungskräfte-Praxistraining: ihk-ber- lin.de/fuehrungskraef- te-praxis Zertifikatslehrgang Führungskraft IHK: ihk-berlin.de/fueh- rungskraft Führungsnachwuchs- kräftetraining: ihk-berlin.de/fueh- rungskraeftetraining 25% der Beschäftigten sind nach einer Bitkom-Studie zurzeit ausschließlich im Homeoffice tätig, weitere 20 Prozent arbeiten zeitweise von zu Hause aus. 61% der Mitarbeiter wünschen sich laut einer Umfrage von Stepstone und Kienbaum einen Führungsstil, der unter anderem Selbst- bestimmung fördert. » 21 IHK BERLIN  |  BERLINER WIRTSCHAFT 03 | 2021 SCHWERPUNKT | Führung heute Benjamin Minack Ich habe in der Krise gelernt, mehr Nähe zuzulassen und Emotionen zu zeigen.

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