Berliner Wirtschaft Februar 2022
Z wei Prozent – um diesen Wert muss das deutsche BIP in diesem Jahr wach- sen, um zumindest wieder den Stand des Jahres 2019 zu erreichen. Bis vor wenigen Monaten schien dieser Wert leicht zu übertref- fen. Angesichts der aktuellen politischen Krisen ist das nicht mehr sicher. Der Anschluss an die wirtschaftliche Dynamik der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrzehnts wird jedenfalls kein Spa- ziergang und ist keine sichere Sache. Der wirtschaftliche Absturz der Corona-Krise, obwohl gedämpft durch unerhörte staatliche Hil- fen, riss im Jahr 2020 das BIP in ein tiefes Tal, aus dem es nach einem Jahr Wachstum nicht heraus ist: 2,7 Prozent legte das Bruttoinlandsprodukt im vergangenen Jahr zu. Damit bleibt die Wirt- schaftsleistung deutlich unter der vor der Krise. Sorgenvoll stimmt, dass zum Ende des Jahres erneut Bremskräfte das Wachstum dämpften. Wie stark, ist noch unklar. Das Wirtschaftswachstum erhielt 2021 keine Impulse vom privaten Konsum. Zwar regis- trierte man vor allem in Berlin das Wachstum von Online-Anbietern mit Freude, doch allge- mein blieben die Konsumenten zurückhaltend – keine Überraschung angesichts der zahlreichen Unwägbarkeiten. Verglichen zumNiveau des Jah- res 2019, bleibt der private Konsum imMinus. Die Konsumzurückhaltung erklärt sich durch ver- schiedene Effekte: So waren imvergangenen Jahr 361.000 Personenweniger erwerbstätig als vor der Krise, und erstmals seit dem Jahr 2008 sank die reale Kaufkraft im Bundesdurchschnitt. Staatlicher Konsum über Niveau von 2019 Deutlich besser entwickelten sich die Ausrüs- tungsinvestitionen – sie legten um 3,2 Prozent zu. Doch weitet man die zeitliche Perspektive, zeigt sich, dass sie ihr Vorkrisenniveau bei Wei- tem nicht wieder erreicht haben. Um die bereits in den Vorkrisenjahren zu geringe Investitionstä- tigkeit zu überwinden, bedarf es institutioneller Anreize, die nicht allein das Volumen, sondern auch die Effizienz des Kapitaleinsatzes positiv beeinflussen. Nur zwei BIP-Größen liegen über demNiveau des letzten Vorkrisenjahres: der staatliche Kon- sum und die Bauinvestitionen, wobei die erste Größe den erheblicheren Wachstumsbeitrag lie- fert. Die Rolle des Staates als wirtschaftlicher Akteur ist in der Krise also unübersehbar gestie- gen, wobei erhebliche Mittel in die Beschaffung von Impfstoffen und Antigen-Tests flossen. Die Ob das deutsche BIP das für 2022 anvisierte Wachstum erreichen kann, ist angesichts der aktuellen politischen Krisen nicht sicher von Christian Nestler Langer Weg zu einer neuen Dynamik ILLUSTRATION: GETTY IMAGES/JAY RADHAKRISHNAN; FOTO: FOTOSTUDIO CHARLOTTENBURG 10 IHK BERLIN | BERLINER WIRTSCHAFT 02 | 2022 agenda Konjunktur
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