Berliner Wirtschaft Januar 2022

D ie Auswirkungen der Pandemie rücken ein Thema vermehrt in den Fokus vie- ler Unternehmen: die – drohende – Insolvenz, sei es die eigene oder die der Geschäftspartner. Muss die immer das Aus für ein Unternehmen bedeuten? Nein. Die schlichte Abwicklung einer Firma ist ein altbackenes Ver- ständnis eines Insolvenzverfahrens. Auch aktu- elle gesetzgeberische Entwicklungen verdeutli- chen den Trend hin zur Sanierung. Denn die Insolvenz ist ein durchaus ver- meidbares Krisenstadium – wenn sie rechtzei- tig erkannt wird. Gründerinnen und Gründer oder Geschäftsführer müssen frühzeitig han- deln, schon wegen der Gefahr der Insolvenzver- schleppung. Wer zu lange wartet, kann zivil- und strafrechtlich haftbar gemacht werden. Außer- dem erhöht ein frühes Eingreifen die Chancen für eine erfolgreiche Krisenbewältigung erheblich. Die Möglichkeiten sind dabei vielseitig. Gemein haben sie aber, dass sie nur so lange zur Verfügung stehen, wie mit einer Kooperation der Lieferanten, Banken und sonstigen Gläubigern zu rechnen ist. Die erste Voraussetzung für eine erfolgrei- che Sanierung ist das frühzeitige Erkennen einer existenzbedrohenden Krise. Die Alarmglocken sollten spätestens dann läuten, wenn Erträge nicht mehr dauerhaft generiert werden können und dadurch das Eigenkapital aufgezehrt wird. Insbesondere, wenn sich das sogar schon auf die Zahlungsfähigkeit des Unternehmens auswirkt. Hat die verunsicherte Hausbank bereits um ein Gespräch gebeten? Muss die Geschäftsfüh- rung erkennen, dass die Kreditmöglichkei- ten weitgehend ausgeschöpft sind und drin- gende Zahlungen anstehen? Diese oder ähnli- che Umstände sind Anzeichen dafür, dass eine insolvenzrechtlich relevante Krise bevorsteht oder sogar bereits eingetreten ist. Dann müssen Gründerinnen und Gründer schnell ermitteln, wo sie mit ihrem Unternehmen stehen. Krisenfrühwarnsystem ist Pflicht Einen sinnvollen Anhaltspunkt für das Erken- nen einer Krise bietet zum Beispiel die „Früh- erkennungstreppe“ des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie. Die Einrichtung eines Krisenfrühwarnsystems ist nicht nur sinnvoll, sondern aufgrund des am 1. Januar 2021 in Kraft getretenen Gesetzes über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unterneh- men (StaRUG) sogar eine gesellschaftsfor- mübergreifende Pflicht für die Geschäfts- leitung. Um eine Haftung zu vermeiden, müssen Geschäftsführer fortlaufend das Unternehmen im Hinblick auf den Ein- tritt einer drohenden Krise überwachen – die sogenannte Pflicht zur ständigen wirt- schaftlichen Selbstprüfung – und gege- benenfalls geeignete Gegenmaßnahmen ergreifen. Noch immer heiß diskutiert wird die Frage, wie in diesem StadiumKonflikte zwi- schen der Geschäftsleitung und den ande- ren Stakeholdern aufgelöst werden können, Insolvenz, Pleite, Bankrott: In Deutschland werden Unternehmen in Krisen schnell abgeschrieben. Dabei gibt es viele Sanierungsmöglichkeiten – Teil 1 von Lisa Berzl und Robert Brahmstaedt Handeln, bevor es knallt Auch wenn die Gefahr bei einer unternehmerischen Schieflage nicht so offenkundig ist wie bei einem Kaktus, gibt es Alarm- zeichen, die man erkennen kann FOTOS: GETTY IMAGES/RICHARD DRURY, FOTOSTUDIO CHARLOTTENBURG SERVICE | Gründerszene 56 IHK BERLIN  |  BERLINER WIRTSCHAFT 01 | 2022

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