Berliner Wirtschaft Januar 2022
F ür sein ehrenamtliches Engagement im IHK-Schlichtungsausschuss zur Beilegung von Streitigkeiten von Ausbildenden und Auszubildenden bei der IHK Berlin bringt Dr. Markus Kelber gleich zwei Voraussetzungen mit: Er ist als Partner in der Mittelstandskanz- lei Zenk Rechtsanwälte Fachanwalt für Arbeits- recht, und er absolvierte vor seinemStudium eine Ausbildung imZimmererhandwerk. „Ich finde es interessant, auch mal auf der anderen Seite zu sitzen und Entscheidungen treffen zu können.“ Kelber, der seit 2013 Arbeitgebervertreter im Schlichtungsausschuss ist, hat seitdem an rund 15 Schlichtungsverfahren teilgenommen – mit einer überdurchschnittlich hohen Einigungs- quote von 80 Prozent. Ein solches Verfahren, in demkostenfrei Kon- flikte in Ausbildungsverhältnissen ohne Gericht geklärt werden können, wird entweder durch den Azubi oder den Betrieb auf Antrag bei der IHK eingeleitet. Zu einem zeitnahen Verhandlungs- termin treffen sich die Beteiligten dann in einer Räumlichkeit der IHK Berlin. 40 Schlichterinnen und Schlichter, die jeweils für fünf Jahre beru- fen werden, gehören aktuell dem Ausschuss an: 23 Arbeitgebervertreter – bestimmt von der IHK Berlin – und 17 Arbeitnehmervertreter, benannt über den Deutschen Gewerkschaftsbund. Im vergangenen Jahr wurden rund 60 Schlichtungsanträge gestellt. „Beantragt wer- den Schlichtungsverfahren nicht nur von Aus- zubildenden, sondern auch von Ausbildungsbe- trieben“, sagt Katrin Dummer von der IHK-Ge- schäftsstelle Schlichtungsausschuss Ausbildung. „ZumBeispiel, wenn Probleme mit Auszubilden- den betriebsintern nicht mehr zu klären sind oder keine Verbesserung in Sicht ist, ein Ausbildungs- abbruch aber vermieden werden soll.“ Das sei auch ein Beleg für das Ausbildungsengagement der Betriebe. In etwa 60 Prozent aller Schlich- tungsgespräche, an denen neben den Streitenden jeweils ein Arbeitgeber- und ein Arbeitnehmer- vertreter teilnimmt, kommt es zu Einigungen, durch die Arbeitsgerichtsverfahren vermieden werden können. Bevor eine Auseinandersetzung vor dem Arbeitsgericht verhandelt wird, muss der Schlich- tungsausschuss angerufen werden. Überwiegend handele es sich, so Kelber, um Kündigungsstrei- tigkeiten – wenn also einem Azubi nach diver- sen Abmahnungen fristlos gekündigt wird, weil er seinen Pflichten nicht nachgekommen ist. „Wir Schlichter versuchen dann nach Anhörung bei- der Parteien, den Ausbilder zu überzeugen, die Kündigung zurückzunehmen, sagen dem Azubi aber auch klar: Wenn das noch einmal vorkommt, dann ist tatsächlich Feierabend.“ Entschieden wird der Streit durch einen einvernehmlichen Spruch der Schlichtenden, der innerhalb von einerWoche von beiden Seiten anerkannt wer- denmuss. Ist das nicht der Fall, steht der Weg zum Arbeitsgericht offen. Ein Schlichtungsgespräch dauere in der Regel etwa 45 Minuten, so Kelber. Kristina Fuhrmann, Personalerin bei Ikea in Spandau, ist Schlichterin seit 2006. Die Mehrzahl der Streitgegenstände seien Fehlzeiten. „Ich hatte mal einen Fall, bei dem ein Auszubildender ein halbes Jahr vor seiner Prüfung wegen Fehlzeiten gekündigt wurde, weil er einen privaten Schick- salsschlag verkraftenmusste – dann lag es auf der Hand, dass wir sagten: Kommt, beide Seiten rei- ßen sich zusammen. Der Betrieb gab dem Azubi noch eine Chance.“ Seit Anfang 2018 gehört auch Vivien Hermel dem Schlichtungsausschuss an. Die Immobilien- maklerin hat bereits im Alter von 25 Jahren 2011 ihr Unternehmen Living in Berlin gegründet. „Die Fälle, an deren Klärung ich bislang beteiligt war, fingen oft mit Kleinigkeiten an“, sagt Hermel. „Der Azubi kommt oft zu spät oder hat keinen Bock oder bringt schlechte Leistung, lügt den Chef an. Oder aber der Arbeitgeber verspricht irgendwel- che Sachen und hält sich dann nicht dran, for- dert, dass der Azubi ständig auch nach der Berufs- schule noch arbeiten kommt.“ Letzteres war konkret Thema eines Schlich- tungsgesprächs, bei dem ein Auszubildender beklagte, dass sein Ausbildungsentgelt immer zu spät überwiesen werde. „Er hatte zudem kei- nen richtigen Arbeitsplatz, musste viel kopieren und Kaffee kochen – er fühlte sich nicht gefor- dert, obwohl seine schulischen Leistungen sehr gut waren.“ Das Ausbildungsverhältnis wurde dann mit Schlichterhilfe einvernehmlich aufge- löst. „Und der Arbeitgeber hat schließlich mitge- holfen, einen neuen Ausbildungsplatz zu finden.“ Katrin Dummer von der IHK, die jedes Schlichtungsgespräch moderiert, weiß um den Wert dieser Verfahren – für beide Seiten. „Und natürlich ebenso für uns, die IHK, die mithilfe ihrer äußerst engagierten Ehrenämtler viele Aus- bildungsverhältnisse retten kann.“ ■ Vivien Hermel Die Fälle, an deren Klärung ich bislang beteiligt war, fingen oft mit Kleinig- keiten an. Katrin Dummer, IHK-Schlichtungs beratung Tel.: 030 / 315 10-361 katrin.dummer@ berlin.ihk.de Interesse am Schlichter-Ehrenamt? Weitere Informati- onen dazu und zum Schlichtungsverfahren unter: ihk-berlin.de/ ausbildung-schlichten (1) Dr. Markus Kelber, Partner in der Mittelstands- kanzlei Zenk (2) Kristina Fuhrmann ist Personalerin bei Ikea in Spandau (3) Vivien Hermel, Geschäftsführerin Living in Berlin 3 FOTOS: AMIN AKHTAR 43 IHK BERLIN | BERLINER WIRTSCHAFT 01 | 2022
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