Berliner Wirtschaft Januar 2022

Antje Meyer im Interview mit Redakteur Michael Gneuss Jahren mit hoher Rasanz an Fahrt auf. Der Bera- tungsbedarf steigt massiv. War Nachhaltigkeit vorher für Unternehmen eher ein „Nice to have“, so sehen jetzt sehr, sehr viele darin ein „Must have“. Worin sehen Sie den Treiber für das Interesse? Da kommen mehrere Faktoren zusammen. Der Druck aus der Zivilgesellschaft spielt eine Rolle. Greta Thunberg und Fridays for Future haben das Bewusstsein für Klimaschutz in der Wirtschaft spür- bar gesteigert. Wahrscheinlich noch wichtiger sind die Regulierungen und damit verbundenen Auflagen für Firmen innerhalb der Lieferketten. Wer seine Kli- mabilanzen nicht imGriff hat, muss damit rechnen, Aufträge zu verlieren. Daten zur Nachhaltigkeit wer- den heute in Ausschreibungen abgefragt. Und jetzt gewinnt Sustainable Finance an Bedeutung. Was bedeutet das für Unternehmen? Im Bereich der Kapitalanlage suchen die Investo- ren immer stärker nach nachhaltigen Investments. Gerade bei Banken und Versicherungen hat dieses Thema im vergangenen Jahr massiv an Fahrt auf- genommen. Das reicht bis zur Beurteilung der Kre- ditwürdigkeit. Nachhaltige Unternehmen werden künftig bei der Kapitalbeschaffung Vorteile haben. Reagieren Unternehmen auf Druck oder werden sie auch aus eigenem Antrieb nachhaltiger? Die Motivationen, die hinter dem nachhaltigen Wirtschaften stehen, sind sehr komplex. Die meis- ten Unternehmen reagieren aktuell eher auf Druck. Aber es gibt auch Vorreiter, die Nachhaltigkeit vom Herzen her betreiben, echte Überzeugungstäter. Der übliche Weg ist aber, dass die ersten Schritte durch Druck ausgelöst sind und in den Führungsetagen dann die vielfältigen Chancen erkannt werden, die sich rund um das Thema Nachhaltigkeit ergeben können. Wenn dieser Mindshift einsetzt, kann eine enorme Dynamik ausgelöst werden, die zu positiven Veränderungen im gesamten Unternehmen führt. Dann kommt es zur nachhaltigen Transformation. Richtig. In einem Unternehmen hat alles mit allem zu tun. Wenn ich nachhaltige Produkte habe, verän- dere ich auch die Prozesse. Digitalisierung ermög- licht smarte Lösungen, ich brauche möglicherweise andere Qualifikationen, das Marketing muss anders argumentieren und, und, und – der Purpose – der Sinn – der gesamten Organisation verändert sich. Es geht nun um das Wirtschaften im Rahmen der planetaren Grenzen. BrauchenUnternehmen das Argument „Nachhaltig- keit“ auch imKampf gegen den Fachkräftemangel? Ja, die neue Generation will wissen, für wen sie ihre Zeit und ihre Energie investiert. Der Anspruch an das Verhalten des Arbeitgebers ist groß. Diese Generation ist leistungsorientiert, sehr reflektiert und interna- tional orientiert. Berlins Chance besteht darin, sich als ein Arbeitsmarkt mit nachhaltig ausgerichteten Arbeitgebermarken zu positionieren. Andernfalls besteht die Gefahr, dass die jungen Talente sich Her- ausforderungen in anderen Städten suchen. Nachhaltigkeit ist für Sie eine Gemeinschaftsauf- gabe. Setzen Sie also auf Kooperationen? Unbedingt. Unter den 17 Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen ist übrigens das 17. die Koope- ration. Uns geht es imNetzwerk Unternehmensver- antwortung ja primär auch um das Vernetzen, also Kooperieren. Der Grund ist ganz einfach: Wir wis- sen, dass wir die besten Lösungen nicht allein fin- den können. Und vor allem finden wir gemeinsam schneller Lösungen. ■ Julia Knack, IHK-Expertin für Nachhaltigkeit Tel.: 030 / 315 10-846 julia.knack@berlin. ihk.de FOTO: AMIN AKHTAR SCHWERPUNKT | Interview 32 IHK BERLIN  |  BERLINER WIRTSCHAFT 01 | 2022

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