Hans Christian Ziebertz Vorstandsmitglied Seit April 2021 ist Hans Christian Ziebertz Vor- stand der TRNSFRM eG und der Vollgut eG. Er hat Philosophie, Soziologie und Politikwissenschaft in Berlin und Paris sowie Architektur in Berlin studiert. Die Basler Stiftung Edith Maryon hat im Neuköllner Rollbergkiez 2015 ein mehr als 12.000 Quadratmeter großes Gelände erworben, das zuvor Teil der Kindl-Brauerei war. Drei gemeinwohlorientierte Komplexe sind darauf bereits entstanden. In diesem Jahr will die Vollgut eG die Arbeiten für den Umbau einer weiteren – sehr speziellen – Immobilie starten. Nach den Vorstellungen von Hans Christian Ziebertz und den vier weiteren Vorstandsmitgliedern der Genossenschaft soll auch hier ein ganz eigenes Konzept verwirklicht werden. Berliner Wirtschaft: Was ist so besonders an der Immobilie, die Sie nun umbauen wollen? Hans Christian Ziebertz: Das Gebäude diente der Kindl-Brauerei zur Lagerung abgefüllter Bierflaschen. Daher wurde es als Vollgut-Lager bezeichnet. Davon haben wir uns bei der Namensfindung der Genossenschaft inspirieren lassen, als wir das Erbbaurecht für die Immobilie von der Stiftung Edith Maryon erhalten haben. Das Besondere ist, dass vier Stockwerke des Objekts unterirdische Lagerräume waren. Wir haben also mehr Fläche in den Keller-Etagen als oberirdisch. Wir bezeichnen das Objekt als eine Immobilie zum Liebhaben. Andere würden von einer Problemimmobilie sprechen. Das Vollgut soll zu einem Zentrum für populäre, queere und migrantische Kultur werden. Lassen Sie sich von einem Vorbild leiten? Nein, ein Vorbild hatten wir nicht. Aber wir haben uns, nachdem wir das Konzept erstellt hatten, gefragt, ob es etwas Ähnliches irgendwo auf der Welt schon gibt. Dabei sind wir auf das SESC Pompéia und 24 de maio in São Paulo aufmerksam geworden. Das sind große Kulturzentren in einer ehemaligen Fass-Fabrik und einem ehemaligen Kaufhaus mit einer breit gemischten Nutzung. Man kann dort auch zum Arzt gehen, Sportangebote nutzen, tanzen oder in den Pool auf dem Dach steigen. Was war Ihr Leitgedanke, als Sie Ihr Konzept für das Vollgut entwickelt haben? Die Stiftung Edith Maryon, die Eigentümerin des Objektes, will Grundstücke der Spekulation entziehen und Platz für günstigen Wohnraum sowie soziale und kulturelle Projekte schaffen. Normalerweise ist sie die Ermöglicherin von bereits vorhandenen Projektideen, so wie es auch beim Circular Economy House, dem Berlin Global Village und dem „Alltag“, den auf dem Brauereiareal bereits fertigen Gebäuden, der Fall war. Beim Vollgut ist das anders. Die Voreigentümer wollten das Vollgut-Lager unbedingt im Paket mitverkaufen. Es gab seitens der Stiftung anfangs keine Projektidee dafür. Diese Idee haben Sie dann als Genossenschaft entwickelt? Richtig, auf Wunsch der Stiftung haben wir uns dann um das Konzept gekümmert. Wir haben uns darauf fokussiert, möglichst viel zu erhalten. Das „SchwuZ“ als queerer Club soll zum Beispiel im Vollgut bleiben. Wir wollen auch keinen Neubau, sondern werden nur das umbauen, was unbedingt umgebaut werden muss. Wir werden einen Teil der Halle entfernen, damit mehr Räume Tageslicht erhalten. Wird es neben der Kultur und den Sozialprojekten im Vollgut auch Platz für Gewerbe geben? Wir streben eine breit gemischte Nutzung an. Es wird mit der Korea Town Berlin auch eine Markthalle einziehen. Ich finde, dieses Angebot passt sehr gut in unser Konzept. Es werden koreanische Waren angeboten, die Markthalle bringt also den Menschen die koreanische Kultur näher. Außerdem vermieten wir an eine Kletter- und Boulderhalle, an eine Textildruckerei und eine Holzwerkstatt. » Wir haben das Projekt als Gemeinschaft gestemmt. Das ist das Spannende. Hans Christian Ziebertz FOTOS: AMIN AKHTAR Stadtentwicklung | 31 Berliner Wirtschaft 01-02 | 2025
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