Berliner Wirtschaft Januar/Februar 2025

IHK Berlin Vollversammlung wählt Manja Schreiner zur Hauptgeschäftsführerin Seiten 14 und 16 Inklusion Preise für Unternehmen, die Menschen mit Behinderung beschäftigen Seite 44 Gemeinsam die Stadt entwickeln Lebendige Zentren brauchen kreative Ideen. In Neukölln verwirklicht Hans Christian Ziebertz das genossenschaftliche Projekt Vollgut Seite 20, Interview Seite 30 IHK-Check Positionen zur Bundestagswahl So stehen die Parteien zu Themen der Wirtschaftspolitik Seite 12 Das Magazin der Industrie- und Handelskammer zu Berlin 01-02/2025 ihk.de/berlin

Nachhaltig wirtschaften – Abfälle recyceln Behälterbestellungen direkt im Onlineshop Kostengünstige und zuverlässige Entsorgung von Altpapier & Gewerbe- abfällen Bartscherer & Co. Recycling GmbH Entsorgungsfachbetrieb Montanstraße 17-21 I 13407 Berlin Tel: (030) 408893-0 I Fax: (030) 408893-33 E-Mail: bartscherer@bartscherer-recycling.de www.bartscherer-recycling.de

Sebastian Stietzel ist Präsident der IHK Berlin und Geschäftsführer der Marktflagge GmbH, Management & Investments Berlin ist eine Stadt des Wachstums. Das betrifft die Wirtschaftskraft, die Einwohnerzahl, leider auch die Summe ungelöster Herausforderungen. Wohnungsbau, Gewerbeflächensicherung, Digi- talisierung, Infrastruktur, um nur einige Beispiele zu nennen. Die IHK bringt sich bei all diesen Themen sowohl im Senat als auch vor Ort konstruktiv ein. Das betrifft in besonderem Maße die Stadtentwicklung, wo wir uns als IHK mit Konzepten und Projekten umfassend beteiligen. Deshalb ist es erfreulich, dass es zunehmend positive Beispiele gibt, die Stadt neu zu denken und Berlin für die Zukunft fit zu machen (S. 20). Konzepte für die Zukunft begegnen uns derzeit auch allerorten in Form von Wahlversprechen. In drei Wochen wählen wir bekanntermaßen einen neuen Bundestag. Ein guter Anlass, die Parteien zu fragen, wie sie die für die Wirtschaft relevanten Themen in der nächsten Legislatur- periode angehen wollen (S. 12). Antworten gibt es am 12. Februar in unserer IHK-Wahlarena und auf unserer Webseite. Sie haben also die Wahl, deshalb abschließend mein Appell: Gehen Sie wählen! Ihr Kooperation Mit dem Ziel, die technologieorientierte Wertschöpfung in Berlin zu steigern, vernetzen sich Wirtschaft und Wissenschaft immer stärker. Mitte Januar haben die IHK und die Technische Universität Berlin eine Kooperationsvereinbarung zur Intensivierung ihrer Zusammenarbeit unterzeichnet. Seite 18 Die „Berliner Wirtschaft“ gibt es auch online: ihk.de/berlin/berliner-­ wirtschaft Sie haben die Wahl – gehen Sie wählen! ZEICHNUNG: ANDRÉ GOTTSCHALK; TITEL: AMIN AKHTAR Editorial | 03 Berliner Wirtschaft 01-02 | 2025

AGENDA 10 Politikgespräch Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch bei der IHK 12 Bundestagswahl Positionen der Parteien zu wirtschaftsrelevanten Handlungsfeldern 14 Vollversammlung IHK-Gremium verabschiedet Arbeitsprogramm und wählt Nachfolgerin von Jan Eder 16 Hauptgeschäftsführung Manja Schreiner, die neue Hauptgeschäftsführerin der IHK Berlin, über ihre Ziele 17 Kolumne Thomas Groth über die Notwendigkeit, schnell Wohnungen zu bauen 18 Kooperation IHK und TU Berlin vereinbaren stärkere Zusammenarbeit zur Förderung des Standorts 19 Wassertourismus IHK-Studie zeigt anhaltendes Wachstum in der Region FOKUS 20 Stadtentwicklung Innovative Ideen und das Zusammenspiel vieler Akteure beleben die Kieze 24 Unternehmenspraxis Blick auf die Konzepte von Marsano, Mientus und einer lokalen Initiative 28 Gastbeitrag So werden Zentren lebendig: Von Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey und Staatssekretär Michael Biel 30 Interview Hans Christian Ziebertz über das Projekt der Vollgut eG auf dem Areal der Kindl-Brauerei Wir bezeichnen das Objekt als eine Immobilie zum Liebhaben. BRANCHEN 36 Mobilität Branche sucht nach Konzepten für E-Roller & Co. 38 Start-up Beatrice Teschner von Farmasista im Kurzinterview 39 Wettbewerb Klimaschutzpartner Berlin schreiben wieder Preis aus 40 Standort CEO Roland Sillmann über die Vorhaben von Wista 42 Verkehrswirtschaft Beim Treffen der Branche stand E-Mobilität im Fokus 43 Kultur Neuer Besucherrekord im Friedrichstadt-Palast Hauptgeschäftsführung Die Bedeutung einer starken Unternehmerschaft für die Stadt zu vermitteln, ist eins der Ziele von Manja Schreiner 16 20 Stadtentwicklung Vielfältige Angebote, Events und Technologie können Einkaufslagen mehr Attraktivität verleihen Hans Christian Ziebertz Vorstand der TRNSFRM eG und der Vollgut eG 30 Inhalt | 04

03 Editorial | 06 Entdeckt | 43 Impressum | 50 Seminare | 65 Gestern & Heute | 66 Zu guter Letzt FACHKRÄFTE 44 Inklusion Preis verliehen an Betriebe, die auch auf Mitarbeitende mit Behinderungen setzen 46 Verbundausbildung Verbundberatung kann dank weiterlaufender Förderung ihr Erfolgskonzept fortführen 47 Auszeichnung Jahrgangsbesten wurden im Ludwig Erhard Haus geehrt 49 Ehrenamt Prüferinnen und Prüfer stärken gesamte Wirtschaft 51 Schlichtung Auch 2024 konnte die IHK Berlin zahlreiche Konflikte in der Ausbildung beilegen SERVICE 56 Gründerszene Wer mit mehreren zusammen gründet, sollte Regelungen für Konfliktfälle festlegen 59 Sachverständige Geballte Expertise für das Gastgewerbe traf sich zum Austausch in Berlin 60 Wirtschaftssatzung Satzung der IHK Berlin für das Geschäftsjahr 2025 62 Beratung Wichtige Informationen zur E-Rechnung auf einen Blick Inklusion Vier Berliner Unternehmen wurden im Auditorium Friedrichstraße mit dem Inklusionspreis ausgezeichnet 44 Schreiben Sie uns Worüber möchten Sie in der „Berliner Wirtschaft“ informiert werden? Senden Sie Ihre Anregungen per Mail an: bw-redaktion@berlin.ihk.de FOTOS: IHK BERLIN/JENS AHNER, AMIN AKHTAR, SANDRA RITSCHEL; ARTWORK: ASCS/CLARA NABI UNTER VERWENDUNG VON GETTY IMAGES/FSTOP/DIGITAL VISION/IMAGE SOURCE/THE IMAGE BANK/MOMENT RF (4) Berliner Wirtschaft 01-02 | 2025 Inhalt | 05 we repair companies Vom Startup bis zum Großunternehmen, unsere modularen Angebote liefern schnell konkrete Ergebnisse, zum Beispiel: Klarheit und Orientierung für die Ausrichtung und Innovationskraft Ihrer Unternehmung. Business Innovation Kompass: Von der Idee zum umsetzbaren und vergleichbaren Geschäftsmodell an einem Tag. Business Innovation Turbo: Innovation Workshops zum Team Building nutzen! Team Work: +49 30 2861 0829 Mehr erfahren unter: www.neoxphere.de

Telefonzellen vermittelten einst die Illusion von Diskretion. Tatsächlich waren sie eng und zugig. Wer davor wartete, hörte Gespräche unfreiwillig mit. Die Zellen sind passé, der Wunsch nach Privatheit im öffentlichen Raum ist geblieben, erst recht in Zeiten von Überall-Kommunikation und mobilem Arbeiten. Dem trägt die Qoob GmbH Rechnung. Pods heißen die spacigen Kapseln des Unternehmens aus Halensee. Aufgestellt wurden sie bereits neben dem Shoppingcenter Alexa, vor dem Boulevard Berlin an der Steglitzer Schloßstraße und am Potsdamer Platz, wo Qoob-Mitarbeiterin Stefanie Sloboda (Foto) schon mal eingestiegen ist. Die Kabinen sind schallisoliert, klimatisiert, bequem, haben schnelles Internet und sind über eine App variabel buchbar. Handy-Telefonate sind darin ebenso möglich wie Arbeiten am Laptop – oder schlicht eine Ruhepause. Abgekapselt FOTO: ULRICH SCHUSTER Entdeckt | 06

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„Eine effiziente Willkommenskultur ist ein entscheidender Faktor für die wirtschaftliche Attraktivität Berlins. Die Einführung der zentralen Einwanderungsstelle hat eindrucksvoll gezeigt, welche Bedeutung digitale Prozesse für eine solche Struktur haben. Sie trug dazu bei, Bearbeitungsstaus abzubauen und die Bearbeitungszeiten deutlich zu verkürzen. Dieser Erfolg sollte als Vorbild für die Digitalisierung weiterer Verwaltungsprozesse in Berlin dienen.“ Seit einem Jahr hat Berlin eine zentrale, moderne und funktionierende Einbürgerungsstelle Vorbild für die Digitalisierung gesagt 750 Millionen Euro wird die Berliner Energie und Wärme AG in das Heizkraftwerk Charlottenburg investieren – unter anderem in eine moderne Gas-KWK- und eine Power-to-heat-Anlage. Bis 2030 will die BEW ganz aus der Kohle ausgestiegen sein. kopf oder zahl Dennis Korf Christoph Heuing ist seit dem 1. Januar neuer Geschäftsführer beim Spieleentwickler Wooga. Korf hat lange Zeit im App-Store- Business gearbeitet. Unter anderem war er acht Jahre Product Director für das Social-Casino- Poker-Segment von Azerion in Amsterdam. Danach, im Jahr 2023, war er zur israelischen Wooga- Muttergesellschaft Playtika gewechselt. wird zum 1. Mai neuer Geschäftsführer der Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg GmbH. Derzeit ist der Diplom-Geograf noch Geschäftsführer des Verkehrsverbunds Mittelthüringen, für den er seit 14 Jahren tätig ist. Die Neubesetzung ist nötig, weil Vorgängerin Ute Bonde im Mai 2024 zur Senatorin für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt ernannt wurde. Nicole Korset-Ristic, Vizepräsidentin IHK Berlin FOTOS: VERKEHRSVERBUND MITTELTHÜRINGEN, PLAYTIKA, GETTY IMAGES/NATNAN SRISUWAN, AMIN AKHTAR Berliner Wirtschaft 01-02 | 2025 Kompakt | 08

'12 '13 '14 '15 '16 * = Schätzung IBB Bruttoinlandsprodukt Berlin, preisbereinigt '17 '18 '19 '20 '21 '22 '23 '24 '25 -0,2 0,3 2,7 3,6 5,1 4,3 3,5 2,9 -2,5 3,3 4,5 1,6 1,3* 1,5* Berlins BIP wächst weiter Die Investitionsbank Berlin (IBB) rechnet im laufenden Jahr mit einem Wachstum von 1,5 Prozent berliner wirtschaft in zahlen Patrick Schulze, IHK-Experte für Statistik Tel.: 030 / 315 10-226 patrick.schulze@ berlin.ihk.de Wachstum erwartet die Investitionsbank Berlin für Berlin im Jahr 2024. 1,3 % Die Co-Finanzierung des ÖPNV aus dem Berliner Etat im Rahmen der sozialverträglichen Daseinsvorsorge ist geübte Praxis. Neu ist, nicht nur Mittel für Verkehrsbetriebe aufzuwenden, sondern einkommensunabhängig auch für einzelne Fahrgäste. Wer ein Berlin-Abo für 29 Euro hat, erhält ab März dafür das Deutschlandticket, das eigentlich 58 Euro kostet. Die Differenz erstattet, trotz Haushaltsloch, das Land: rund 60 Mio. Euro für 270.000 Abonnenten. Immerhin die gucken wohl zufrieden in die U-Bahn-Röhre. bw Was finden Sie typisch? Schreiben Sie uns: bw-redaktion@berlin.ihk.de Abo-Prämie typisch berlin Grafiken: BW Quelle: Statistik Berlin-Brandenburg Kompakt | 09

Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch verdeutlichte bei der IHK, dass eine Umlage das Ausbildungsproblem nicht löst. Sie hat andere Ideen von Holger Lunau „Ich öffne Ihnen die Schulen“ 1 2 3 agenda

Kommt sie, oder kommt sie nicht? Diese Frage bewegte die Unternehmerinnen und Unternehmer beim Wirtschaftspolitischen Frühstück der IHK Berlin mit Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch Mitte Januar. Die Ungewissheit bezog sich jedoch nicht auf das Erscheinen der Politikerin, die sich pünktlich dem Publikum stellte, sondern vielmehr auf die vom schwarz-roten Senat angekündigte Ausbildungsplatzumlage. Sollten bis zum 30. April dieses Jahres nicht mindestens 2.000 zusätzliche betriebliche Ausbildungsstellen geschaffen werden, drohen den Betrieben Zwangsabgaben. Allerdings wird dieses von der Wirtschaft unisono abgelehnte Druckmittel selbst in der Landesregierung kritisch betrachtet, so auch von der Bildungssenatorin. Diese Umlage „hilft keinem jungen Menschen“, räumte sie bei ihrem Auftritt vor rund 250 Gästen im Ludwig Erhard Haus ein. Sie setze vielmehr auf ein größeres Engagement der Unternehmen, insbesondere auch beim Thema Berufsorientierung. Alarmierend schlechte Grundkenntnisse Dass dieses Thema durchaus mehrere Facetten hat und die Ursachen für Tausende freier Lehrstellen bei zugleich Tausenden Ausbildungsplatzsuchenden vielschichtig sind, wurde bei den Ausführungen der Senatorin deutlich. Ihren Angaben zufolge erfüllen in der 8. Klasse 70 Prozent der Jugendlichen die Mindeststandards in Mathematik nicht, bei den Kompetenzen Lesen und Rechtschreibung werden die Mindeststandards zu 60 Prozent nicht erreicht. Zehn Prozent aller Jugendlichen verlassen die 10. Klasse – sofern sie diese überhaupt schaffen – ohne Abschluss oder berufliche Orientierung. Von den Ausbildungsverträgen werden im Jahresschnitt 35 Prozent aufgelöst, und die Hochschulen melden eine Abbrecherquote von 35 Prozent im Erststudium, wobei es beim Zweitstudium ähnlich aussieht. Zugleich finden laut einer IHK-Umfrage 40 Prozent der ausbildungswilligen Unternehmen keine passenden Bewerber. Dieses Lagebild ist seit Jahren prinzipell unverändert. Dass sich angesichts der wirtschaftlichen Lage daran etwas ändern muss, darin sind sich Politik und Wirtschaft einig. Aber wie soll das gelingen? Für Günther-Wünsch hat ein Veränderungsprozess bereits begonnen. „Ich öffne Ihnen die Schulen“, betonte sie. Es gebe künftig verbindliche Praktika in den Klassen 9 und 10, das Fach Wirtschaft-Arbeit-Technik (WAT) werde ausgebaut, und ab 2025/2026 sei das 11. Pflichtschuljahr für jene vorgesehen, die keinen Ausbildungsplatz oder andere schulische Perspektiven haben. In diesem Zusammenhang dankte die Politikerin der IHK Berlin für entsprechende Unterstützung, richtete aber zugleich einen Appell an die Wirtschaft: „Wir brauchen Betriebe, die die jungen Menschen aufnehmen.“ Angesichts des Mangels an Fach- und Arbeitskräften „dürfen wir keinen Einzigen zurücklassen“, betonte sie. Die Berufsorientierung spiele dabei eine große Rolle. „Derzeit entlassen wir Schüler, die nicht ausreichend beruflich orientiert sind“, resümierte Günther-Wünsch. Hier brauche es ein System der festen Kooperation zwischen Schule und Wirtschaft. Gesellschaftliches Umdenken erforderlich Dass eine bessere Bildung und Vorbereitung auf die Berufswelt nicht mittels nur einiger Maßnahmen, sondern nur mit gesellschaftlichem Umdenken erreicht werden kann, wurde während der Gesprächsrunde mehr als deutlich. Ein Beispiel: In Berlin streben nach der Grundschule 52 Prozent der Schülerinnen und Schüler auf ein Gymnasium. Allerdings kehren davon 30 Prozent wieder an andere Schulen zurück, weil sie den höheren schulischen Anforderungen nicht genügen. Für Günther-Wünsch ist das nicht verwunderlich, weil es in der Gesellschaft die weitverbreitete Auffassung gebe, nur wer ein Abi mache, der werde etwas. Allerdings, in den anderen Bundesländern gibt es von vornherein strengere Maßstäbe für den Besuch eines Gymnasiums, denn dort steht nur für 20 bis 25 Prozent der Schüler- schaft dieser Schulweg offen. Der Vorteil ist, dass pädagogische Kräfte und Mittel effizienter eingesetzt und die Jugendlichen besser auf eine berufliche Karriere vorbereitet werden können. Digitalpakt 2.0 für die Schulen Angesprochen auf die Digitalisierung der Schulen, sagte Günther-Wünsch, im nächsten Jahr sei für alle Berliner Schulen schnelles Internet verfügbar. Die vom Bund bereitgestellten Mittel, auch für Computer und Tablets, würden ausgeschöpft. Allerdings stelle der Support ein großes Problem dar. Zwar laufe die Qualifizierung des pädagogischen Personals, aber es brauche auch externe Partner. Die dafür benötigten finanziellen Mittel könnten aus dem Landeshaushalt nicht zur Verfügung gestellt werden. Dazu brauche es einen Digitalpakt 2.0, sagte die Senatorin in Richtung Bundespolitik. Sie hoffe, dass es nach der Bundes- tagswahl dazu klare Signale gebe. ■ 1 Katharina Günther- Wünsch setzt auch auf ein größeres Engagement der Unternehmen 2 Der scheidende IHK-Hauptgeschäftsführer Jan Eder moderierte die Diskussion mit der Senatorin 3 IHK-Präsident Sebastian Stietzel begrüßte die Bildungssenatorin im Ludwig Erhard Haus Katharina Günther-Wünsch Die Ausbildungsplatzumlage hilft keinem jungen Menschen. FOTOS: IHK BERLIN/AMIN AKHTAR Wirtschaftspolitisches Frühstück | 11 Berliner Wirtschaft 01-02 | 2025

Von Bürokratieabbau bis Luftverkehr: Vor der Bundestagswahl am 23. Februar hat die IHK Berlin Parteien zu wirtschaftsrelevanten Themen befragt Politische Positionen Luftverkehr Welche konkreten Maßnahmen planen Sie, um die Konnektivität des Luftverkehrsstandortes und insbesondere der Hauptstadtregion zu verbessern sowie Steuern und Abgaben auf den Flugbetrieb zu senken? Wohnungsneubau Welche Maßnahmen planen Sie – z. B. Anpassungen im Baugesetzbuch und in der Bau- nutzungsverordnung –, um den Wohnungsbau in wachsenden Städten wie Berlin zu beschleunigen? Bürokratieabbau Welche konkreten Maßnahmen planen Sie, um die bürokratischen Belastungen für Unternehmen spürbar und nachhaltig abzubauen? Steuer- und Finanzpolitik Welche Hebel wie etwa steuerpolitische Maßnahmen (Absenkung der Unternehmenssteuer) oder die Reform der Schuldenbremse sollen Ihrer Meinung nach ergriffen werden, um die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft zu stärken? Ausbildungsgarantie/ Umlage Welche Maßnahmen planen Sie, um die duale Ausbildung zu stärken und zusätzliche Belastungen für Unternehmen, wie eine allgemeine Ausbildungsumlage, zu verhindern? Wir bekräftigen die Forderung der MPK-Ost nach mehr Langstreckenflügen vom BER. Wir sprechen uns für eine Bundesratsinitiative zur Senkung der Luftverkehrsteuer und ein neues Gebührenmodell am BER aus, ausgehend von Passagierzahlen und europäischen Flughäfen mit gleicher Ausgangssituation. Wir planen Ansiedlungsgespräche mit internationalen Airlines, verstärktes Marketing über VisitBerlin, eine Marktstudie zur Stärkung der BER-Konnektivität und politische Verhandlungen zur Senkung von Abgaben. Zudem setzen wir auf den Round Table Tourismus und Wettbewerbsgleichheit bei der Luftverkehrsteuer. Priorität setzen wir auf den Ausbau der Schiene als klima- freundliche Alternative zum Flugverkehr im Inland. Zur Unter- stützung eines klimaschonenderen Luftverkehrs fördern wir nachhaltige Kraftstoffe und Technologien zur Kraftstoff- einsparung. Eine befristete Sonderregelung soll bei Wohnungsbauvorhaben Ausnahmen vom Planungsrecht ermöglichen. Die Bauordnung muss entschlackt, Vorschriften/ Standards reduziert und Genehmigungsverfahren schneller umgesetzt werden. In Berlin sind wir mit dem Schneller-Bauen- Gesetz vorangegangen. Wir setzen auf das Berliner Schneller-Bauen-Gesetz, Bürokratieabbau und ein Investitionsprogramm für sozialen Wohnungsbau. Weitere Punkte: Genossenschaftsförderung, kommunales Vorkaufsrecht, Eigenkapitalzuschüsse, langfristige Darlehen, serielles Bauen, Wohnraum für Azubis und Studierende. Um bezahlbaren und bedarfsgerechten Wohnraum zu schaffen, fördern wir den kommunalen und genossenschaftlichen Wohnungsbau. Wir erhöhen die Mittel der sozialen Wohnraumförderung und beschleunigen vor allem durch Digitalisierung die Planungs- und Genehmigungspraxis. Wir machen Bürokratieabbau zur Chefsache und holen unter anderem den Nationalen Normen- kontrollrat in das Bundeskanzleramt. Wir beseitigen mit Entrümpelungsgesetzen und Bürokratie-Checks überflüssigen Papierkram. Statistikpflichten und Doppelstrukturen bauen wir ab. Wir setzen auf den Ausbau des Digitalen Wirtschaftsservices, die Einführung einer Genehmigungsfiktion bei Fristüberschreitung und den Abbau des Schriftform- erfordernisses. Diese Maßnahmen ermöglichen Unternehmen eine effizientere und schnellere Abwicklung ihrer Anliegen und schaffen Planungssicherheit. Wir fördern sektorübergreifenden Bürokratieabbau mit Praxis- checks, Verwaltungsdigitalisierung, reduzierten Notarpflichten und eine erweiterte KMU-Definition. Informations- und Berichtspflichten prüfen wir und koordinieren den Abbau auf Bundes-, Landes- und EU-Ebene. Wir werden die Unternehmenssteuerbelastung auf maximal 25% reduzieren, den Solidaritätszuschlag abschaffen sowie Verlustverrechnung und Abschreibungen verbessern. Wir wollen Turboabschreibungen für einen schnellen Wachstums- impuls. Wir setzen auf eine Reform der Schuldenbremse und der Erbschafts- und Schenkungsteuer mit Mindestbesteuerung großer Betriebsvermögen. Wir befürworten eine einheitliche Basis-Körperschaftsteuer von 15% auf europäischer Ebene für faire Wettbewerbsbedingungen und Investitionsanreize. Wir senken die Stromsteuer auf das EU-Minimum, übernehmen Netzentgelte und stärken die Strompreiskompensation für energieintensive Unternehmen. Öffentliche Investitionen sichern wir durch eine Reform der Schuldenbremse, private durch eine Investitionsprämie. Mit dem Bündnis für Ausbildung wollen wir in Berlin bis 2025 dauerhaft 2.000 zusätzliche unterschriebene Ausbildungsverträge schaffen. Mit mehr Berufsorientierung an Schulen und Praktika in Betrieben wollen wir für Jobs in Industrie- und Handwerksfirmen begeistern. Wir setzen auf eine Ausbildungsgarantie, frühzeitige Berufsorientierung an Schulen und die Arbeit der Jugendberufsagenturen. Wir unterstützen die Anhebung der Mindestausbildungsvergütung und streben bis 2025 zweitausend zusätzliche Ausbildungsverträge an. Bei Nichterreichen greift eine allgemeine Ausbildungsumlage. Wir stärken die Ausbildung mit höheren Mindestvergütungen, Azubi-Deutschlandticket, gefördertem Führerschein, neuen Wohnheimen und erweitertem BAföG-Anspruch. Kleine und mittelständische Betriebe unterstützen wir durch eine solidarische Ausbildungsumlage. AGENDA | Bundestagswahl | 12 Berliner Wirtschaft 01-02 | 2025

Wir wollen die Luftverkehrsteuer streichen und Luftsicherheitsgebühren auf ein wettbewerbsfähiges Niveau senken. Für den BER werben wir für eine stetig wachsende Anzahl an Langstreckenflügen. Ein grünes Verbot von Inlandsflügen lehnen wir ab. Der BER leidet unter überbordenden Nebenkosten. Die Folgen sind mangelnde Standortattraktivität und Reduzierung des Strecken- angebots, was zu steigenden Ticketpreisen und sinkendem Flugverkehr führt. Wir schlagen vor, die Luftverkehrsteuer und klimaschutzbegründete Flug- hafengebühren abzuschaffen. Die deutschen Standortkosten sind zu hoch. Entscheidender Faktor bei den Standortkosten ist die Luftverkehrsteuer. Die Abgabe muss deutlich reduziert werden. Perspektivisch brauchen wir für die Luftverkehrsteuer eine wettbewerbsneutrale europäische Lösung. Ein Ausschnitt: Verbesserte steuerliche Abschreibungen. Sonderabschreibung ohne unnötige Einschränkungen. Sofortiges Baukostenmoratorium. Beschleunigte Genehmigungsverfahren, entschlackte Umweltgutachten. Rechtlicher Vorrang für Wohnungsbau. Einführung eines „Gebäudetyp-E“. Ausufernde gesetzliche Vorgaben behindern preiswerte Wohnungen. Baugesetzbuch und Raumordnungsgesetz wollen wir auf die ideologiefreien Regelungen von vor 2021 zurückführen und eine Reduzierung der Wohnnebenkosten durch die Abschaffung von EEG-Umlage, CO2-Steuer und Gebäudeenergiegesetz (GEG). Wir benötigen vor allem mehr bezahlbaren Wohnraum. Daher wollen wir ein milliardenschweres Programm für sozialen Wohnungsbau auflegen und insbesondere gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaften fördern. Ferner brauchen wir einen bundesweiten Mieten- deckel. Sofortiges dreijähriges Moratorium für Bürokratie. Umfassende Abschaffung von Dokumentations- pflichten, stattdessen Stichpunktkontrollen. Ein jährliches Bürokratieabbaugesetz und Einführung einer standardisierten zeitlichen Befristung von Gesetzen. Mehr Genehmigungsfiktionen. Die Berichts- und Dokumentationspflichten für den Mittelstand müssen drastisch reduziert werden. Wir wollen das Berliner Vergabegesetz, das Lieferkettensorgfalts- und das Verpackungsgesetz abschaffen, die Nachhaltigkeitsberichterstattung reduzieren und die DSGVO und das Vergaberecht vereinfachen. Durch eine überbordende Bürokratie werden Kostenbelastungen verursacht und vor allem kleine Unternehmen von Förderchancen und öffentlichen Ausschreibungen ausgeschlossen. Wir wollen Prozesse verschlanken sowie Berichts- und Nachweispflichten reduzieren. Unternehmenssteuerlast auf unter 25% drücken, u. a. durch Senkung der Körperschaftsteuer. Abschaffung Soli. Abschreibungsmöglichkeiten für Unternehmen verbessern. Sonderabschreibungen für bewegliche Wirtschaftsgüter und Immobilien. Mehrwertsteuer in der Gastro- nomie auf 7% senken. Die Unternehmenssteuern in Deutschland sind zu hoch und behindern Zukunftsinvestitionen. Wir fordern eine Senkung auf ein konkurrenzfähiges Niveau. Die Reform der Schuldenbremse lehnen wir ab, da sie zukünftige Generationen belastet. Es bedarf einer Reform der Schuldenbremse, um Investitionen zu finanzieren. Wir brauchen eine Steuerpolitik, die große Vermögen und Kapitaleinkünfte stärker heranzieht und verhindert, dass große Konzerne sich der Finanzierung des Gemein- wesens entziehen können. Zusätzliche Belastungen für Unternehmen wie eine Ausbildungsumlage lehnen wir ab. Stattdessen wollen wir Bildungs- ziele wie die Stärkung von „technischen Fächern“ mit Blick auf bundesweite Standards stärker durch den Bund regeln. Ein Meister muss wieder genauso viel wert sein wie ein Master. Wir lehnen die Ausbildungs- umlage ab, da sie Unternehmen belastet und zweifelhaften Steuerungserfolg hat. Wir bevorzugen einen bildungspolitischen Ansatz zur Verbesserung der Ausbildungs- und Studierfähigkeit junger Menschen, inklusive früher Berufsorientierung und wirtschaftsnäherer Schulausbildung. Die duale Ausbildung muss finanziell attraktiver werden und jungen Menschen mehr Anreize bieten, sodass wir den zukünftigen Fachkräftebedarf decken können. Ausbildungen müssen besser entlohnt werden und eine Perspektive für späteren beruf- lichen Aufstieg bieten. Anmerkung Von der Partei Die Linke hat es leider bis zum Redaktionsschluss keine Rückmeldung an die IHK Berlin gegeben. Statements Die ungekürzten Antworten der Parteien auf alle zehn von der IHK gestellten Fragen finden Sie unter dem Link wie dem QR-Code: ihk.de/berlin/fragen-bw Bundestagswahl | 13 Berliner Wirtschaft 01-02 | 2025

Positionspapiere, Arbeitsprogramm und der Wechsel in der Hauptgeschäftsführung bestimmten die Vollversammlungssitzung der IHK Berlin von Dr. Mateusz Hartwich Wachablösung bei der IHK IHK-Präsident Sebastian Stietzel (r.) mit dem scheidenden Hauptgeschäftsführer Jan Eder und dessen Nachfolgerin Manja Schreiner Sebastian Stietzel Präsident der IHK Berlin Manja Schreiner wird mit ihrer umfangreichen Expertise und Tatkraft dafür sorgen, dass die IHK Berlin das Gesamtinteresse der Berliner Wirtschaft wirksam gegenüber Politik und Verwaltung vertritt und die IHK als Servicedienstleister für die Unternehmen noch sichtbarer wird. AGENDA | Vollversammlung | 14 Berliner Wirtschaft 01-02 | 2025

E s war einer dieser Momente, wenn Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zusammenkommen, und das ist für eine Sitzung der Vollversammlung (VV) der IHK Berlin alles andere als alltäglich. Das „Parlament der Unternehmen“ hatte über eine Personalie zu entscheiden, über die nahe und ferne Zukunft und diskutierte leidenschaftlich über ein Thema aus dem Hier und Jetzt. Dass IHK-Hauptgeschäftsführer Jan Eder nach 22 Jahren an der Spitze der 340.000-Mitglieder-Organisation seinen Vertrag auslaufen lässt, war seit Anfang 2024 bekannt. Die Suche nach einem geeigneten Nachfolger oder einer geeigneten Nachfolgerin lief weitgehend geräuschlos ab, bis am Tag vor der offiziellen Bestellung durch die VV der Name der Kandidatin an die Medien durchsickerte. Die Überraschung im Saal hielt sich also in Grenzen, als Manja Schreiner, erfahrene Verbandsleiterin und zwischenzeitliche Berliner Verkehrssenatorin, gegen 16.45 Uhr als vom Präsidium bestimmte Anwärterin vorgestellt wurde (siehe auch Interview S. 16). Sie sei schon „etwas aufgeregt“, gestand die neue Hauptgeschäftsführerin, um anschließend ihren Lebensweg zu skizzieren. Dass die Entscheidung der Vollversammlung kein Selbstläufer wird, merkte man an der Diskussion, in der auch kritische Fragen nach ihrer Bilanz als Senatorin oder nach ihrer parteipolitischen Zugehörigkeit gestellt wurden. Das Ergebnis der Abstimmung fiel dann eindeutig aus, und Schreiner trat ihr Amt am 2. Januar 2025 an. Gut gefüllte Tagesordnung Die historische Dimension der Wachablösung an der Spitze der Hauptstadtkammer – die IHK bekommt nicht nur die erste Hauptgeschäftsführerin, sondern auch eine mit ostdeutscher Biografie – konnte in der Sitzung kaum ihre volle Wirkung entfalten, denn die Tagesordnung ließ keine Atempause zu. Mit der Verabschiedung des IHK-Arbeitsprogramms und des Haushalts für 2025 standen weitere zentrale Themen auf der Agenda, die des Austausches der Vollversammlungsmitglieder bedurften und letztlich jeweils mit überwältigender Mehrheit beschlossen wurden. Auch die längerfristige Perspektive stand auf dem Programm, denn das Ehrenamt und Hauptamt der Industrie- und Handelskammer erarbeitet in einem intensiven Prozess das Zukunftsbild „Weltmetropole 2035“. Kontrovers wurde anschließend über das Positionspapier „Taxi und Mietwagen“ diskutiert. In der Branche haben sich seit der Entwicklung von Plattformen zur Bestellung von individuellen Personenfahrten per Handy immer wieder Wettbewerbsfragen ergeben. Der Berliner Senat will demnächst darüber entscheiden, ob die Einführung von Mindestentgelten im Berliner Mietwagenverkehr auf den Weg gebracht werden soll, wogegen sich das IHK-Positionspapier in der vorgelegten Fassung aussprach. Die frisch gewählte Hauptgeschäftsführerin wurde in der kontrovers geführten Diskussion auf frühere Meinungsäußerungen als Verkehrssenatorin angesprochen und somit gewissermaßen von ihrer eigenen Vergangenheit eingeholt. Damals hatte sie sich offen für Mindestpreise gezeigt. Manja Schreiner bekräftigte, dass ein sauberer Wettbewerb aktuell nicht möglich sei, da Berlin es versäumt hatte, klare Rahmenbedingungen zu setzen. Mindestpreise seien in der Praxis schwierig, ergänzte sie, eine Klagewelle gegen die Regelung sei absehbar. In einer knappen Abstimmung entschied die Vollversammlung, das Positionspapier abzulehnen. Die IHK-Vollversammlung beschloss weitere Positionspapiere, etwa zur Nutzung von Biomasse oder zur Beschäftigung von Älteren, jedoch fielen die Diskussionen zu diesen Tagesordnungspunkten etwas verhaltener aus. ■ Viele Themen auf dem Schirm: IHK-Präsident Sebastian Stietzel leitete die Sitzung der IHK-Vollversammlung im Dezember Ergebnisse Die Positionspapiere und das Arbeits- programm 2025 finden sich unter dem Link oder dem QR-Code: ihk.de/berlin/ mitmach-ihk/meine- vollversammlung FOTOS: IHK BERLIN/JENS AHNER Vollversammlung | 15 Berliner Wirtschaft 01-02 | 2025

Manja Schreiner, die neue Hauptgeschäftsführerin der IHK Berlin, im Gespräch über ihre vorrangigen Ziele von Claudia Engfeld „Wirtschaft, das Fundament für die Stadt“ konkret zu unterstützen. Insbesondere das Thema der dualen Berufsausbildung liegt mir dabei sehr am Herzen. Das spiegelt sich in meinem beruflichen Werdegang, und ich bin froh und glücklich, dass ich all meine Expertise nun bei der IHK Berlin einbringen darf. Welche Ziele haben Sie sich gesetzt? Ich habe schon in der kurzen Zeit im Amt ein sehr engagiertes Team in der IHK Berlin erlebt und erfahren, wie viele tolle Produkte die IHK unseren Unternehmen anbietet, welche sinnstiftenden Projekte wir initiieren und mit welchem Herzblut sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und unsere ehrenamtlich engagierten Unternehmen einbringen. Deshalb ist es eines meiner Kernanliegen, den Mehrwert von Wirtschaft stärker im allgemeinen Bewusstsein zu verankern. Eine starke Wirtschaft ist das Fundament für eine prosperierende Stadt, für uns alle. Als Hauptgeschäftsführerin der IHK habe ich mir das Ziel gesetzt, den Berlinerinnen und Berlinern die Bedeutung einer starken Unternehmerschaft für die Stadt noch besser zu vermitteln. Was dürfen die Mitgliedsunternehmen von Ihnen erwarten? An erster Stelle natürlich einhundertfünfzigprozentigen Einsatz für die Interessen der Berliner Wirtschaft. Aber die IHK bietet ihren Mitgliedern ja über die Interessenvertretung hinaus einen enormen Mehrwert, sei es bei den Service- und Beratungsangeboten, der Aus- und Weiterbildung oder Netzwerkveranstaltungen. Und diese Angebote werden wir – im Austausch mit den Unternehmen – weiter ausbauen, um noch direkter und besser an den Bedürfnissen unserer Mitgliedsunternehmen zu sein. Worauf sollte sich die Politik bei der HGF Manja Schreiner einstellen? Berlin hat eine Menge sattsam bekannter Baustellen. Für den Wirtschaftsstandort Berlin ist es überlebenswichtig, dass diese Baustellen endlich beseitigt werden. Die IHK Berlin steht als Partner bei der Problemlösung bereit. Das werde ich freundlich, ausdauernd und unnachgiebig auf allen Ebenen einfordern – genauso wie ich freundlich, ausdauernd und unnachgiebig auf Missstände hinweisen werde. ■ Herzensangelegenheit duale Berufsausbildung: Manja Schreiner, Haupt- geschäftsführerin der IHK Berlin S eit 2. Januar ist Manja Schreiner Hauptgeschäftsführerin der IHK Berlin. Die ehemalige Verkehrssenatorin bringt 15 Jahre Erfahrung in der Verbandsvertretung mit, darunter beim Zentralverband des Deutschen Handwerks und der Fachgemeinschaft Bau, die sie fünf Jahre als Hauptgeschäftsführerin führte. Berliner Wirtschaft: Was hat Sie am meisten an der neuen Aufgabe gereizt? manja schreiner: Die IHK Berlin ist das Sprachrohr der Wirtschaft. In keiner anderen Organisation gibt es so viele Unternehmen aller Größen und Branchen. Diese Vielgestaltigkeit zeigt sich in der Themenbreite. Das Spektrum erstreckt sich auf fast alle Senatsverwaltungen, neben Wirtschaft auf Stadtentwicklung, Verkehr, Kultur, Gesundheit und Bildung. Mir war es schon immer ein Bedürfnis, mich auf der einen Seite für gute Rahmenbedingungen für die Wirtschaft einzusetzen und gleichzeitig aber auch die Unternehmen ganz FOTO: PHILIPP ARNOLDT Berliner Wirtschaft 01-02 | 2025 AGENDA | Hauptgeschäftsführung | 16

Berlin braucht Wohnungen, und das möglichst schnell Normalverdiener haben auf dem Mietmarkt kaum eine Chance – das Schneller-Bauen-Gesetz des Senats ist ein erster Schritt in die richtige Richtung Die Versorgung der Bevölkerung mit leistbarem Wohnraum ist eines der drängendsten aktuellen Probleme und birgt sozialen Sprengstoff. Während Haushalte mit einem überdurchschnittlichen Einkommen auf dem freien Mietwohnungsmarkt bei Angebotsmieten von mehr als 17 Euro pro Quadratmeter noch gute Chancen haben, eine verfügbare Wohnung zu finden, sieht es im mittleren und geförderten Segment schlecht aus. Wer eine Wohnung hat, womöglich noch mit einem „alten“ Mietvertrag, ist fein raus. Nur dürfen sich die Lebensumstände nicht ändern – Kinder, Trennung oder Zusammenzug können dazu führen, dass man bei seiner Suche auf den üblichen Portalen schnell auf dem Boden der Realität ankommt. Vielleicht hat man Glück, durch Mund-zu-Mund-Propaganda eine der wenigen Wohnungen zu ergattern, die von den freien Wohnungsunternehmen gar nicht mehr auf den Portalen geschaltet werden, da innerhalb von Minuten die Posteingänge durch Hunderte Bewerbungen geflutet werden. Ansonsten kann es schwer werden. Vergessen wir nicht die Wirtschaft. Der Wohnraummangel wird hier zum Standortnachteil. Viele Firmen wollen expandieren, dies gilt nicht nur für Berlin, sondern auch für das Brandenburger Umland, wo der Speckgürtel rund um Berlin auch zunehmend „Speck ansetzt“. Die Mitarbeitenden schätzen die Nähe zur Hauptstadt, und viele würden auch gerne in der Stadt wohnen. Der Wohnraummangel wird jedoch auch hier zum richtigen Problem, wenn die dringend benötigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht ausreichend versorgt werden können. Es gibt keine einzelne Lösung, um Wohnungen in allen Segmenten bereitzustellen. Mehr Wohnraum erfordert Verdichtung, modulares Bauen, Aufstockungen, die Nutzung von Brachen und beschleunigten Neubau. Schon die Dauer der Bebauungsplanverfahren ist in Berlin jedoch viel zu lang, sie liegt bei durchschnittlich über neun Jahren. Der Senat ist mit seinem im August beschlossenen Schneller-Bauen-Gesetz, das Ende 2024 in Kraft getreten ist, auf einem ersten Erfolg versprechenden Weg. Größere Vorhaben (ab 50 Einheiten) können dann vom Senat gesteuert werden. Neben einer Antragskonferenz „Alle Beteiligten an einen Tisch“ sollen klare Zuständigkeiten das Berliner „Pingpongspiel“ zwischen Senat und Bezirken regeln und Verantwortlichkeiten klären. Dabei soll eine gesamtheitliche, verbindliche Festlegung der Vorgehensweise vor Überraschungen schützen. Nicht zuletzt sind Fristsetzungen für Anträge und Bearbeitungen in der Verwaltung ein Instrument, das die Verfahren beschleunigen kann. Aus meiner Sicht ein erster Schritt in die richtige Richtung. ■ Meinung In der Kolumne „Auf den Punkt“ positionieren sich im monatlichen Wechsel Mitglieder des Präsidiums zu wirtschaftspolitischen Fragestellungen aus ihrer persönlichen Sicht. präsidiumsmitglieder beziehen stellung Thomas Groth ist Geschäftsführer der Allod Immobilien- und Vermögensverwaltungsges. mbH & Co. KG sowie Präsidiumsmitglied der IHK Berlin FOTO: IHK BERLIN/AMIN AKHTAR Auf den Punkt | 17 Berliner Wirtschaft 01-02 | 2025

IHK und TU Berlin vereinbaren intensivere Zusammenarbeit – zur besseren Nutzbarkeit technologiegetriebener Innovationen von Holger Lunau Antriebsmotor für den Standort Kreativität, Erfindergeist und wissenschaftliche Exzellenz sind die Antriebsmotoren für eine Wirtschaft, die im Wesentlichen von Humankapital lebt. Das trifft auch auf Berlin zu. Aus diesem Grund ist es erklärtes und von der Politik unterstütztes Ziel, in der Bundeshauptstadt Wirtschaft mit Wissenschaft noch enger zu verzahnen. Auch die IHK Berlin und die Technische Universität Berlin (TU) wollen ihre Zusammenarbeit intensivieren. Am 15. Januar unterzeichneten die Präsidentin der TU Berlin, Prof. Dr. Geraldine Rauch, und IHK-Präsident Sebastian Stietzel im Coworking Space EINS der TU eine entsprechende Kooperationsvereinbarung. Es ist inzwischen das vierte Abkommen dieser Art, das von der IHK Berlin initiiert wurde. IHK und TU arbeiten bereits bei rund einem Dutzend Vorhaben zusammen, um neben der Ausbildungsqualität auch die Innovationskraft in Berlin voranzubringen. Derzeit werden Projekte zur Arbeitsmarktintegration internationaler Studierender, zur verbesserten Berufsorientierung von Schülerinnen und Schülern sowie eine neue Lehrveranstaltung „Entrepreneurship Education“ entwickelt. Um die Innovationsdynamik zu steigern, sind unter anderem Pilotprojekte zur besseren Nutzung geistigen Eigentums, zur Förderung von Hochschulausgründungen und zur Vernetzung universitärer Spin-offs mit etablierten Unternehmen im Rahmen des Berliner Startup-Factory-Konzepts „UNITE“ geplant. „Die großen Aufgaben der digitalen Transformation, der Energiewende, der Mobilität und des Gesundheitswesens können nur durch eng verzahnte Partnerschaften zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft bewältigt werden“, betonte IHK-Präsident Stietzel bei der Unterzeichnung. Gemeinsam mit der TU Berlin würden Kräfte gebündelt, um komplexe, technologiegetriebene und soziale Innovationen „Made in Berlin“ nicht nur sichtbar, sondern auch wirtschaftlich nutzbar zu machen. Ziel sei es, schneller aus der Forschung in die Praxis zu kommen. TU-Präsidentin Rauch betonte, dass die größten Herausforderungen die stärksten Allianzen verlangen. „Gerade in einer angespannten wirtschaftlichen Lage müssen und wollen wir Lösungen finden, die über den Mangel hinauswachsen“, sagte sie. Diese Partnerschaft sei der Beweis dafür, dass Wissenschaft und Wirtschaft zusammen mehr erreichen können – ob bei der Sicherung von Fachkräften für die Braincity Berlin, der Stärkung von Start-up-Aktivitäten oder der Entwicklung innovativer Technologien. ■ Kooperation besiegelt: TU-Präsidentin Geraldine Rauch und IHK-Präsident Sebastian Stietzel, flankiert von den Staatssekretären Henry Marx (l.) und Michael Biel Stefanie Dümmig, IHK-Public-Affairs-Managerin Tel.: 030 / 315 10-328 stefanie.duemmig@berlin.ihk.de Nadine Battista, Stabsstelle Science and Society des TU-Präsidiums nadine.battista@tu-berlin.de FOTO: IHK BERLIN/INES HASENAU AGENDA | Kooperation | 18 Berliner Wirtschaft 01-02 | 2025

Studie der IHKs aus Berlin und Brandenburg belegt anhaltendes Wachstum des Wassertourismus in der Hauptstadtregion von Simone Blömer Stadt, Land, Fluss Dort, wo es Touristen hinzieht, entwickeln sich weitere Angebote: Gastronomen, Hoteliers, Bootsvermieter und andere Dienstleister schwimmen erfolgreich im Kielwasser mit und sorgen wiederum für Arbeitsplätze und Wachstum. Initiiert wurde die Studie von den Berlin-Brandenburger IHKs, der Wassertourismus Initiative Nordbrandenburg (WIN), dem ADAC Allgemeiner Deutscher Automobil-Club (Berlin-Brandenburg und München), dem Bundesverband Wassersportwirtschaft, dem Wirtschaftsverband Wassersport und der Messe Boot & Fun in Berlin. Das mit der Studie beauftragte Konsortium Projekt M und Heike Helmers Tourismuskontor haben fast 800 Betriebe befragt, die Rücklaufquote lag bei rund 20 Prozent. Die Nachfrage bei Boots-Charter, Kanuvermietung, Fahrgastschifffahrt und Sportboothäfen ist seit der ersten Erhebung 2014 gestiegen, die Anzahl der Anbieter im Chartersegment hat sich in den letzten zehn Jahren verdoppelt, in Berlin sogar fast verdreifacht. Doch die Herausforderungen sind nicht weniger geworden: Es gibt zu wenig Liegeplätze, obwohl etwa jeder vierte Hafen seine Liegekapazitäten erhöht hat. Viele haben für die Erweiterung auch keine Genehmigung erhalten. Auch fehlt es an Arbeitskräften, und es gibt dringenden Sanierungsbedarf. Doch trotz der Herausforderungen werden die Zukunftsaussichten der Branche weiter positiv eingeschätzt. ■ Die Fahrt durchs Regierungsviertel ist ein Klassiker im Angebot der Fahrgastschifffahrt Was selbst Einheimische häufig nicht wissen: Berlin ist mit seinen Gewässern Teil des größten Wassersport- und Wassertourismusreviers im europäischen Binnenland. Und während die Pandemie viele Wirtschaftszweige vor existenzielle Nöte gestellt hat, erfuhr der Wassertourismus in der Region einen enormen Wachstumsschub. Da die Menschen nicht reisen konnten, entdeckten sie die vielfältigen Freizeitaktivitäten an und auf dem Wasser. Und dieser Trend setzt sich fort. Das belegen die Ergebnisse der IHK-Gemeinschaftsstudie 2024 „Wirtschaftliche Effekte im Wassertourismus in Berlin und Brandenburg“. Mit rund 6.100 Beschäftigten und einem Jahresbruttoumsatz in Höhe von 300 Mio. Euro ist der Wassertourismus ein bedeutender Wirtschaftsfaktor in der Region, Berlin wie Brandenburg profitieren vom Steueraufkommen dieser Branche. Simone Blömer, IHK-Key-AccountManagerin Handel, Tourismus und Gastgewerbe Tel.: 030 / 315 10-432 simone.bloemer@ berlin.ihk.de IHK-Veranstaltung Am 13. Februar stellt die IHK die Ergebnisse vor, mit anschließender Diskussion. Anmeldung unter: 300 Mio. Euro Jahresumsatz erwirtschaftet der Wassertourismus in der Hauptstadtregion. FOTO: GETTY IMAGES/RICO WASIKOWSKI Berliner Wirtschaft 01-02 | 2025 Wassertourismus | 19

INHALT 24 Mehr als Blumen und Möbel Marsano in Mitte setzt auf ein Gesamtkonzept 26 Handel als Ort des Erlebens Exklusivität stationär und online bei Mientus 27 Quartier mit viel Potenzial Interessengemeinschaft belebt Leipziger Straße 28 Handel als Lebensader Gastbeitrag von Franziska Giffey und Michael Biel 30 „Eine Immobilie zum Liebhaben“ Hans Christian Ziebertz, Vollgut eG, im Interview Neue Angebote, Events und Technologie machen Einkaufslagen attraktiver fokus

Die Stadt lebt Innovative Ideen und das Zusammenspiel vieler Akteure bringen frischen Wind in Einkaufsstraßen. Die IHK ist dabei: mit der Initiative „Mittendrin Berlin!“ und den Business Improvement Districts von Jens Bartels Wer sich über die Stimmung im stationären Einzelhandel in Berlin einen Überblick verschaffen möchte, kann sich mithilfe ganz unterschiedlicher Instrumente über die Lage informieren. Eine Möglichkeit ist die Messung der Besucherzahlen in den wichtigsten Geschäftsstraßen. Dieser Indikator ist für das gerade zu Ende gegangene Jahr positiv. „2024 waren die Berliner Einkaufslagen, an denen wir die Passantenfrequenzen messen, durchschnittlich drei Prozent voller als im Vorjahr“, weiß Julian Aengenvoort, Geschäftsführer von Hystreet.com. Das Unternehmen erfasst die Besucherströme in Haupteinkaufsstraßen automatisiert mit eigenen Laserscannern an rund 320 Standorten in Europa. In Berlin sind es mehr als zehn Standorte. „Insgesamt ist das für die deutsche Hauptstadt eine sehr erfreuliche Entwicklung und zeigt auch die Resilienz der Menschen gegenüber der gesamtwirtschaftlich schwierigen Situation“, so Aengenvoort. Die belebteste Einkaufslage in der Stadt ist laut den Zahlen von Hystreet.com die Tauentzienstraße. „Die Beliebtheit basiert – soweit wir das abschätzen können – auf verschiedenen Faktoren, unter anderem der zentralen Lage, den attraktiven Einzelhandelsangeboten wie KaDeWe und Europa Center sowie touristischen Highlights wie der Gedächtniskirche.“ Gerade Shopping-Events wie verkaufsoffene Sonntage, Stadtevents oder zuletzt der Black Friday locken nachweislich mehr Menschen in die Geschäftsstraßen, mit Steigerungen der Besucherzahlen von bis zu 40 Prozent. Sie eröffnen dem stationären Einzelhandel nach Ein- » Stadtentwicklung | 21 Berliner Wirtschaft 01-02 | 2025

schätzung des Hystreet.com-Geschäftsführers ein enormes Potenzial, um höhere Umsätze zu erzielen. Eine wichtige Rolle für die Attraktivität der vielen Berliner Zentren nehmen außerdem die abwechslungsreichen Kunst- und Kulturangebote der Hauptstadt ein. Sie tragen maßgeblich zur Belebung und Aufwertung des öffentlichen Raums bei und schaffen zusätzliche Anziehungspunkte für den Besuch von Quartieren. Auch für den Handel selbst gibt es eine ganze Reihe von Möglichkeiten, Einkaufsstraßen lebendiger und attraktiver zu gestalten. Darauf weist Theresa Schleicher in ihrer „Zukunftsstudie Handel 2025“ hin. Besonderes Augenmerk legt die Handels-Zukunftsforscherin dabei auf aktuelle Trends und die Innovationskraft im chinesischen Einzelhandel. „In den großen Städten Chinas sind besonders die Einkaufsstraßen und die stationären Geschäfte sehr stark durch Erlebnisse und Design geprägt, nur wenige Läden gleichen einander“, sagt die Expertin. „Im Fokus steht oft die auffällige Inszenierung, besonders spielerisch ist man diesbezüglich etwa in der Außenarchitektur.“ So lassen zum Beispiel Luxusanbieter die Außenfassade wie eine Handtasche aussehen, wenn sie solche Produkte auch im Geschäft verkaufen. Dieser Aufwand wird betrieben, um Spaß am Flanieren und letztendlich auch den Konsum zu fördern. „In Berlin funktioniert das nicht immer, denn natürlich haben wir bauliche Vorgaben und auch denkmalgeschützte Gebäude, aber einige Impulse wie der spielerische Ansatz lassen sich sinnvoll übertragen“, ist sich die Handels-Zukunftsforscherin sicher. Darüber hinaus fordert Theresa Schleicher für die Hauptstadt insgesamt mehr Kreativität auf kleiner Fläche statt großer, sehr theoretisch konzipierter Konzepte, in denen bis heute die Berliner Bevölkerung selten spannende, alltagsrelevante Inspiration findet. Flankierend dazu könnten in Zukunft auch innovative Dienstleistungen die Anziehungskraft des stationären Einzelhandels fördern. Mit neuen Technologien lässt sich zum Beispiel exakter bestimmen, was Kunden in bestimmten Kiezen gerne nachfragen. Oder gekaufte Produkte könnten günstig und schnell direkt nach Hause geliefert werden. In Städten wie Schanghai gehören solche Angebote längst zum Alltag im Einzelhandel. Initiative als passgenaues Instrument Grundsätzlich ist mehr denn je das Zusammenspiel ganz unterschiedlicher Akteure gefragt, um neue Ideen und Konzepte in Quartieren und Geschäftsstraßen in die Tat umzusetzen und gleichzeitig den aktuellen Herausforderungen des Einzelhandels wie etwa der Schließung vieler kleiner inhabergeführter Geschäfte oder der wachsenden Dominanz des Onlinehandels die Stirn zu bieten. Zur Unterstützung dieses Zusammenspiels gibt es passgenaue Instrumente wie die Initiative „Mittendrin Berlin!“. „Die Initiative zeigt seit zwei Jahrzehnten, wie durch die Zusammenarbeit von Wirtschaft, Verwaltung und privaten Akteuren attraktive und lebendige Standorte gefördert werden können“, freut sich Robert Rückel. „Sie bietet eine Plattform, um innovative Ideen für Einkaufsstraßen zu entwickeln und sowohl öffentliche als auch private Investitionen in den öffentlichen Raum anzustoßen“, fügt der Vizepräsident der IHK Berlin hinzu. Dadurch entstehen neue Kooperationsstrukturen, die die Wettbewerbsfähigkeit der Standorte stärken und nachhaltige Lösungen für die aktuellen Herausforderungen bieten. „Auf diese Weise profitiert der stationäre Einzelhandel direkt von der gesteigerten Attraktivität und Lebendigkeit der prämierten Standorte, was zu einer höheren Kundenfrequenz und einem verbesserten Einkaufserlebnis führt“, weiß Robert Rückel. „Zudem werden durch die Initiative langfristig Netzwerke aufgebaut, die den Einzelhandel in seiner Funktion als zentraler Bestandteil vitaler Stadtzentren stärken.“ Am 30. Januar 2025 startet die neue Runde von „Mittendrin Berlin!“. „Diesmal geht es um Angebote für leer stehende Erdgeschossflächen und neue ,Dritte Orte‘, also Räume, die abseits von Wohn- und Arbeitsort zu Austausch und Begegnung einladen“, sagt Marco Mehlin. „Dabei bin ich Julian Aengenvoort Geschäftsführer Hystreet.com 2024 waren die Berliner Einkaufslagen durchschnitt- lich drei Prozent voller als im Vorjahr. ARTWORK S.20–22: ASCS/CLARA NABI UNTER VERWENDUNG VON GETTY IMAGES/FSTOP/DIGITAL VISION/IMAGE SOURCE/THE IMAGE BANK/MOMENT RF (4) FOTOS: HYSTREET.COM, IHK BERLIN/AMIN AKHTAR 40 % Besucherzuwachs verzeichnen Einkaufsstraßen durch verkaufsoffene Sonntage, Stadtevents oder den Black Friday FOKUS | Stadtentwicklung | 22 Berliner Wirtschaft 01-02 | 2025

ganz besonders gespannt auf die neuen Kooperationen, da sich der Wettbewerb 2025/26 auch gezielt an Akteure aus der Kunst- und Kreativwirtschaft richtet“, so der Geschäftsführer von Raumscript. Das interdisziplinäre Planungsbüro bildet seit 2005 die kommunikative Schnittstelle zwischen den Initiatoren und den Teilnehmenden des Projekts. Um Quartiere auch in Zukunft attraktiv zu halten, bleiben nach Überzeugung von Mehlin auf lange Sicht gerade Zwischennutzungen ein wichtiges und erfolgreiches Instrument der Stadt- und Zentren- entwicklung. „Kooperationen zwischen Unternehmen, Eigentümern, Bezirken sowie engagierten Anwohnern sind dabei ein Muss.“ In Zukunft wird sich neben Initiativen wie „Mittendrin Berlin!“ auch die im Dezember 2024 verabschiedete Novellierung des Berliner Gesetzes zur Einführung von Immobilien- und Standortgemeinschaften (BIG) zu einem wichtigen Instrument für die Verbesserung der Standortqualität entwickeln. Denn mit dem BIG wurde nicht nur die Grundlage für die Weiterführung des „BID Ku’damm-Tauentzien“ als Business Im- provement District (BID) beschlossen, sondern mit dem neuen Gesetz erwachsen auch neue Möglichkeiten, durch die Zusammenarbeit aller relevanten Akteure die Bildung neuer Standortgemeinschaften gezielt zu fördern. IHK setzt auf Standortgemeinschaften Die IHK Berlin begrüßt die Entscheidung des Abgeordnetenhauses. Sie hat sich bereits seit Jahren für das Gesetz eingesetzt. Nun wird sich die Kammer stark für die Umsetzung engagieren. So ist dank einer speziell geschaffenen Personalstelle bei der IHK Berlin schon jetzt ein „BID-Koordinator“ tätig, der die Industrie- und Handelskammer extern zum Thema BID vertritt. Er wird aktiv in die Geschäftsstraßen gehen und die Entwicklung der BID-Landschaft in der Hauptstadt mit dem Ziel vorantreiben, künftig möglichst viele BIDs zu initiieren. Im Frühjahr plant die IHK Berlin zudem eine praxisnahe Auftaktveranstaltung, um die Wirtschaft mit dem Thema vertraut zu machen, die wichtigsten Akteure rund um BIDs zusammenzubringen und das eigene Engagement zu skizzieren. Der stationäre Einzelhandel Berlins kann sich also im Jahr 2025 auf viele neue Impulse freuen. ■ Robert Rückel Vizepräsident IHK Berlin Mittendrin Berlin! bietet eine Plattform, um innovative Ideen für Einkaufsstraßen zu entwickeln. John Marquart, BID-Koordinator Tel.: 030 / 315 10-762 john.marquart@ berlin.ihk.de Simone Blömer, IHK-Key-Account- Managerin Handel, Tourismus und Gastgewerbe Tel.: 030 / 315 10-432 simone.blömer@ berlin.ihk.de Karina Stolte, IHK-Public-AffairsManagerin Stadt- entwicklung Tel.: 030 / 315 10-446 karina.stolte@ berlin.ihk.de Zentreninitiative Mittendrin Berlin! Save the Date: Die Auftaktveranstaltung von „Mittendrin Berlin!“ findet am 24. Februar, 18 bis 20 Uhr, in der Stadtwerkstatt (KarlLiebknecht-Straße 11, 10178 Berlin) statt. Nähere Informationen folgen Ende Januar über die Mittendrin-Website: berlin.de/mittendrin Details zum Termin gibt es auch im Newsletter. Die Möglichkeit, sich dafür anzumelden und stets auf dem Laufenden zu bleiben, besteht online hier: berlin.de/mittendrin/ newsletter Stadtentwicklung | 23 Berliner Wirtschaft 01-02 | 2025

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