Berliner Wirtschaft 12/2018

UNTERNEHMEN & MÄRKTE 47 BERLINER WIRTSCHAFT 12/18 Geyers Silberrückstände bis ins neue Jahrtausend an. Vielleicht ist trotz der Digitalisierung noch nicht die Zeit ge- kommen, sich von den Begriffen des In- dustriezeitalters zu verabschieden. In der Harzer Straße sind heute noch Syn- chronstudios in Betrieb. Die Nachfolge- rin des Kopierwerks, die CinePostpro- duction GmbH, arbeitet mittlerweile in der Tempelhofer Ringbahnstraße. Geschichte einer Filmfabrik Die Neuköllner Geyer-Werke spezialisierten sich auf die technische Postproduktion und avancierten in den 1920ern zum größten Kopierwerk Deutschlands » Von Jens Beckmann (BBWA) Berliner Urgestein der Kinogeschichte: die Neuköllner Geyer-Werke A ls der junge Kommissar Rath in der Fernsehserie „Babylon Berlin“ nach dem Filmoriginal zu einem de- likaten Fotoabzug sucht, kann ihm der Polizeifotograf weiterhelfen. Denn nur die Geyer-Werke, so weiß er, verwenden das billige Filmmaterial aus der Tsche- choslowakei. Das 1911 von Karl August Geyer als „Kino-Kopier-Gesellschaft mbH“ ge- gründete Unternehmen, ab 1926 „Ge- yer-Werke AG“, war eines der ersten in Europa, die sich auf die Vervielfälti- gung von Kinofilmen spezialisierten. In der Harzer Straße 39–46 ließ die Firma 1927/28 nach Plänen von Otto Rudolf Sal- visberg einen heute denkmalgeschütz- ten, modernen Klinkerbau errichten. Entwicklungs- und Kopiermaschinen wurden automatisiert. Für die Klebe- und Schneidearbeiten war Fließferti- gung das Ziel. Die frühe Geschichte der Geyer-Werke ist die Geschichte einer „Filmfabrik“. Nach dem Zweiten Weltkrieg wur- den Maschinen demontiert, auf denen kurz zuvor noch Propagandafilme ko- piert worden waren. In Hamburg er- schien es Karl A. Geyer dann leichter, eine Betriebsgenehmigung zu erhal- ten. 1954 aber eröffnete das Unterneh- men auch am alten Standort wieder ein Kopierwerk mit bald 300 Beschäftigten. Dieses wurde durch Syn- chronstudios ergänzt. Den Herausforderun- gen durch das Fernsehen begegneten die Geyer-Wer- ke mit eigenen Produktent- wicklungen. Schon 1911 hat- te Karl A. Geyer eine eigene Perforiermaschine entwor- fen. In den 1980er-Jahren verbesserten bei Geyer ent- wickelte Wetgate-Maschinen die Quali- tät fürs Fernsehen. Kratzer im Filmwer- den dabei durch Flüssigkeit ausgefüllt, und so konnten weiße Blitze vermieden werden. 1996 strukturierte die Eigentümer- familie das Unternehmen um und ver- kaufte es bald darauf. In den 2000er-Jahren wurde die Filmnachbearbeitung an den alten Geyer-Standorten Schritt für Schritt digitalisiert. Bis dahin prägten Fotochemi- kalien und ihre Rückstände die Arbeit der Kopierwerke. Nachdem West-Berlin 1989 eine Genehmigungs- pflicht für die Einleitung von Gefahrstoffen ins Abwasser einführte, dauerten die Auseinandersetzungen um UNTERNEHMENSHISTORIE FOTOS: BBWA, ARCHIV DER DEUTSCHEN KINEMATHEK Filmfabrikant Karl August Geyer Für Interessierte geöffnet Das Berlin-Brandenburgische Wirtschaftsar- chiv (BBWA) ist eine Forschungseinrichtung für regionale Wirtschaftsgeschichte und Industriekultur. Bestände können eingesehen werden. Kontakt und Info: www.bb-wa.de BBWA

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