Berliner Wirtschaft 12/2018
BERLINER WIRTSCHAFT 12/18 14 TITELTHEMA Berliner Wirtschaft: Herr Russ, was macht die Anziehungskraft des Weihnachtsmarkts am Gendar- menmarkt aus? Helmut Russ: Seine Lage an einem der schönsten Plätze Berlins und Europas, die weißen Zelte statt der üblichenHütten, eine gelungene Mischung aus Gastronomie und Händlern sowie ein attraktives Bühnenprogramm. Die Restaurants müssen alle gleichermaßen ansprechen: Der eine bevorzugt ein Glas Champagner, der andere Bier und Brat- wurst. In unserem beheizten 1.000 Quadratme- ter großen Kunsthandwerkerzelt wird nicht nur verkauft, sondern auch vorgeführt. Wir bemühen uns immer um besondere Aussteller, sei es eine Schokoladenmanufaktur oder die eigene Bäckerei, die vor Ort Makronen, Baumkuchen oder Stollen backt.Wir geben eine eigene Show inAuftrag, und die Künstler stehen nicht nur auf der Bühne, son- dern mischen sich auch unter das Publikum. Das Konzept hat sich seit 2003 nicht geändert, aberwir machen natürlich immer ein gewisses Finetuning. Der Markt wurde damals auch etabliert, um in der tourismusschwachen Winterzeit mehr Besucher nach Berlin zu holen – aber auch, um mehr Westberliner in den Ostteil der Stadt zu locken. Ist das gelungen? Im ersten Jahr kamen 250.000 Besucher, 2017 wa- ren es ca. 850.000, davon entfällt je die Hälfte auf Touristen und Berliner. Auch Westberliner haben wir in die Mitte der Stadt entführen können. In denvergangenen drei Jahren gab es zwar nur noch leichte Zuwächse. Aber die Märkte beginnen ja tra- ditionell amMontag nachTotensonntag und haben deshalb unterschiedliche Laufzeiten. 2016 waren es bei uns 41 Tage, 2017 sechs Tage weniger, und in diesem Jahr ist es wieder einer mehr. Wir sind mit einer Fläche von 5.000 Quadratmetern gestar- tet. Heute sind wir bei 7.000 Quadratmetern, eine weitere Expansion ist aber nicht geplant. Marktbetreiber Helmut Russ über notwendige Neuerungen bei Ladenöffnungszeiten, die wirtschaftliche Bedeutung für den Tourismus in Berlin – und das Geheimnis des perfekten Weihnachtsmarktes „Berlin braucht vier offene Adventssonntage“ Welche Rolle spielt die Ladenöffnung an zweiAdvents- sonntagen im Dezember für den Erfolg der Märkte? Eine ganz entscheidende, umTouristen nach Ber- lin zu holen. Da wir ihnen in der Stadt etwas bie- ten wollen, wären aus meiner Sicht vier offene Sonntage absolut notwendig. Die Besucher haben keinVerständnis dafür, wenn sie sonntags vor ver- schlossenen Läden stehen. Ein Bummel über den Weihnachtsmarkt wird gernmit demShopping in den Einkaufszonen verbunden. Der Tourismus ist für Berlins Wirtschaft eine starke Säule. Welche Rolle spielen dieWeihnachtsmärkte? Wir sind natürlich nur ein kleines Rad. Es gibt hier viele Räder, die ineinandergreifen, und Macher mit Durchsetzungsvermögen, die es geschafft ha- ben, dass Berlin mit 31,2 Millionen Übernachtun- gen an dritter Stelle nach London und Paris steht. 2003 lagen wir bei elf Millionen. Einen solchen Aufschwung hätte damals niemand für möglich gehalten. Und dazu tragen die Weihnachtsmärk- te bei. AmGendarmenmarkt haben auch die um- liegenden Gastronomen und Hotels in den damals eher umsatzschwachen ersten Dezemberwochen extrem von unseremMarkt profitiert. Am Gendarmenmarkt müssen die Besucher Eintritt zahlen. Das hat Ihnen schlechte Presse gebracht. Wir brauchen den Eintritt, sonst könntenwir un- ser Konzept gar nicht umsetzen. Allein das Büh- nenprogramm wird in diesem Jahr rund 350.000 Euro kosten. Dazu kommen immense Ausgaben für die Sicherheit. Worauf freuen Sie sich am meisten bei IhremWeih- nachtsmarkt? Auf die Aussteller aus ganz Deutschland, die ich ja meist nur einmal im Jahr sehe. Auf die vielen Be- sucher, vor allem, wenn sie sagen, wie gut es ih- nen gefällt. Und ich würde mich freuen, wenn es eine friedliche Zeit bliebe. FOTO: CHRISTIAN KIELMANN Helmut Russ Seit 2003 beginnen für den Geschäftsführer der WeihnachtsZauber Gendarmenmarkt GmbH immer im April die Vorbereitungen für den Markt in Mitte. Dazu gehören auch Vertragsschlüsse mit 150 Händlern, Künstlern und Gastronomen. Besucher haben kein Verständnis für verschlos- sene Läden. Ein Bummel über den Weihnachts- markt wird gern mit Shopping verbunden.
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