Berliner Wirtschaft 11/2019
B is die Gesellschaft imHandelsregister ein- getragen ist, müssen Gründer und Notar eineMenge Papierkrambewältigen – doch das soll jetzt anders werden. Die Weichen dafür wurden imApril 2018 gestellt, als die Euro- päische Kommission einen Vorschlag für ein EU Company Law Package veröffentlichte mit dem Ziel, die Digitalisierung weiter voranzutreiben. Teil dieses Pakets war ein Rahmengesetz, das am 31. Juli 2019 in Kraft getreten ist. Hinter EU-Richtlinie 2019/1151 verbirgt sich ein großer Schritt: Alle EU-Mitgliedstaaten sollen künftig sicherstellen, dass Kapitalgesellschaften kom- plett online gegründet, Gesellschaftsunterlagen über das Internet eingereicht und selbst Zweig- niederlassungen imWeb registriert werden kön- nen. Es wird Musterformulare für die Gründung geben – und zwar in der eigenen Landessprache und mindestens in noch einer Sprache, die von „einer möglichst großen Zahl grenzüberschreiten- der Nutzer weitgehend verstanden wird“, voraus- sichtlich also Englisch. Diese Gründungsmuster können, aber müssen nicht für die Online-Grün- dung genutzt werden. Das ganze Verfahren soll nur zehn Tage dauern. Die Online-Gründung spart also nicht nur Geld, sondern auch Zeit. Service zunächst für GmbH und UG Der neue Service ist zunächst nur für bestimmte Kapitalgesellschaften vorgesehen: In Deutschland betrifft dies die GmbH und als Variante wohl auch die für Gründer interessante Unternehmerge- sellschaft (UG). Für eine Aktiengesellschaft (AG) und eine Kommanditgesellschaft (KGaA) könnte Deutschland die Online-Gründung theoretisch auch einführen, aber das ist auf absehbare Zeit nicht zu erwarten. Weitere Gesellschaftsformen sollen später folgen. Für einen Geschäftsführer- wechsel oder Änderungen am Gesellschaftsver- trag der GmbH mussten Gründer bislang auch immer zum Notar. Künftig soll auch das alles online möglich sein. Für die Überprüfung der Identität war bis- her vor allem der Notar zuständig. Dieser über- prüft die Ausweise der Gründer und belehrt jeden Geschäftsführer persönlich über seine Pflichten. Die Gerichte kontrollieren die Formalien vor der Eintragung in das Handelsregister auch noch einmal. Wenn der Notar als vertrauliche Quelle wegfällt, müssen die Gerichte sich anders ver- gewissern, dass die Informationen echt sind. Die EU-Mitgliedsstaaten haben an dieser Stelle freie Hand, wie sie die Vorgaben der Richtlinie umset- zen. Deutschland könnte beispielsweise verlan- gen, dass Gründer den neuen Personalausweis mit Online-Ausweisfunktion vorlegenmüssen. Oder Notare bleiben als prüfende Instanz erhalten, nur dass sie die Identität nicht persönlich, sondern ebenfalls über den Online-Ausweis überprüfen oder über ein Video-Ident-Verfahren, das bereits für die Eröffnung von Bankkonten genutzt wird. Im ersten Schritt benötigen Gründer allerdings einen solchen Personalausweis, hier steht also auch wieder ein Behördengang an. Obendrein würden sie ein spezielles Gerät oder ein NFC-fä- higes Smartphone benötigen, mit dem man sich elektronisch identifizieren kann. Probleme bei ausländischen Gesellschaftern Noch schwieriger wird es, wenn der Gesellschaf- ter der GmbH nicht nur eine natürliche Person in Deutschland sein soll, sondern eine andere Gesellschaft. In dem Fall müsste das Tool so auf- gebaut sein, dass man online einen Handelsregis- terauszug als Existenz- und Vertretungsnachweis beifügen kann. Künftig soll es außerdem mög- lich sein, sämtliche Unternehmensregister auf EU-Ebene aufrufen zu können. Alle europäischen Gesellschaften erhalten hierfür eine europäische Kennung: die EUID. Aber was, wenn auch noch ein Geldgeber aus demAuslandmitmischt? ZumTeil gibt es imAus- land keine vergleichbaren Register, die man ins EU-weite Handelsregister BRIS (Business Regis- ters Interconnection System) einbinden könnte. Die Nachweise werden heutzutage auf Papier und mit aufwendigen Legalisierungsverfahren im jeweiligen Land erbracht. Die Beglaubigung durch einen Notar oder eine öffentliche Stelle und eine Apostille sind der Regelfall. Wie aber über- trägt man das in die digitale Welt? Frist von zwei Jahren für die Umsetzung Diese und andere Fragen lässt die Richtlinie offen. Zwei Jahre haben die EU-Mitgliedsstaaten nun Zeit, die Richtlinie in nationale Gesetze umzuset- zen. Bei besonderen Schwierigkeiten können sie ein Jahr Fristverlängerung beantragen. Denn die digitale Vernetzung der Behörden und Gerichte ist in den verschiedenen EU-Ländern unterschied- lich weit. Von einem einheitlichen Standard sind wir momentan noch weit entfernt. Trotzdem ist der Startschuss gefallen, und die Richtlinie zwingt die Mitgliedsstaaten zumHandeln. Der politische Wille ist da, und die Zeichen deuten in die rich- tige Richtung. ■ Die Autorinnen Astrid Roesener und Martina Meier-Grom sind Rechtsanwältinnen der internatio- nalen Wirtschafts- kanzlei CMS Melina Hanisch, Start-up-Koordinatorin Innovation der IHK Tel.: 030 / 315 10-527 melina.hanisch@berlin. ihk.de Link zur Website der Gründerszene Die Originalversion des Textes unter: gruenderszene.de ILLUSTRATIOIN: GETTY IMAGES/FURKAN; FOTO: FOTOSTUDIIO CHARLOTTENBURG SERVICE | Gründerszene 63 IHK BERLIN | BERLINER WIRTSCHAFT 11 | 2019
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