Berliner Wirtschaft 11/2019

närem und elektronischem Handel unterschieden wird. Der Kanal definiert nicht mehr die Kunden- beziehung. Der Kunde sieht vor allem die Marke des Händlers, die Erfahrungen, die er damit macht, und den Service, den er bekommt. Die Retailer werden alle darüber nachdenken, wie sie eine engere Bezie- hung zum Kunden aufbauen können – auch über das Internet. Andernfalls wären sie schlecht beraten. Wer einfach nur ein Sortiment vorhält, wird Prob- leme bekommen. Stellen Sie nicht im Grunde auch in erster Linie ein Sortiment bereit? Nein. Wir haben uns die Frage gestellt, wie die Zukunft des Einkaufens aussieht, und wir glauben: Der Kunde wünscht sich den Händler als einen Part- ner, der seine Bedürfnisse besonders gut versteht. Für uns steht daher nicht die Auswahl des Sorti- ments an erster Stelle, sondern wir wollen erst ein- mal den Kunden kennenlernen, und dann stellen wir ihm zumBeispiel Pullover, Hemden oder Hosen vor, die zu ihm passen. Wir wollen im Grunde die Kundenerfahrung aus einer kleinen inhabergeführ- ten Boutique abbilden, in der Kunden mit Namen begrüßt werden und ganz persönliche Ideen prä- sentiert bekommen. Können Betreiber von Online-Shops ihre Kunden besser kennenlernen als stationäre Händler? Ja, online lernen wir unsere Kunden besser kennen. Wir gehen dabei auch noch deutlich weiter als ein klassischer Online-Shop, weil wir echte Unterhal- tungen mit dem Kunden suchen. Wir stellen ihm konkrete Fragen. Wie alt fühlst Du Dich? Was trägst Du in Deiner Freizeit? Was trägst Du im Büro? Was gibst Du für ein Sakko aus? Mit jedem Besuch ler- nen wir den Kunden noch besser kennen, weil wir sehr bewusst auf seine Antworten und Reaktionen achten. Daraus entwickeln wir Algorithmen. Mitt- lerweile haben wir mehr als 20 davon, mit denen wir unsere Stylisten unterstützen. Und je mehr Kunden Sie haben, desto mehr Daten sammelnSie, unddesto intelligenterwird Ihr Service. Genau, das war auch einer der Gründe für die Fusion mit Modomoto im Juni. Wir haben das gleiche Geschäftsmodell betrieben, saßen nur zehn Minu- ten voneinander entfernt. Da bot sich der Zusam- menschluss an. Zusammen sindwir das größte euro- päische Curated-Shopping-Portal für Männermode. Damit verfügen wir auch über mehr Daten, die uns ein besseres Kundenverständnis ermöglichen. Der Umgang mit diesen Datenwird künftig immer wich- tiger. Ich glaube schon, dass die Player, die jetzt als Online-Händler bezeichnet werden, das bessere Ver- ständnis und die bessere Infrastruktur für das Kun- denverständnis haben. Sie haben sogar einen Head of Data in der Geschäftsführung. Was macht der? Er beschäftigt sich auf der einen Seite damit, wie wir den Kunden noch besser verstehen können. Das heißt, er sucht nach weiteren Datenpunkten, mit denen wir die Style-Vorlieben des Kunden und die Beschaffenheit der Kleidungsstücke noch besser erfassen können, um passgenauere Teile zu emp- fehlen. Diese Personalisierung mithilfe von Daten betrachten wir schließlich als unsere Kernkompe- tenz. Außerdem beschäftigt sich der Head of Data sehr intensiv mit unseren Stylisten, um zu verste- hen, was die besten von ihnen so erfolgreich macht. Macht sich die Arbeit mit den Daten auch in einer besseren Geschäftsentwicklung bemerkbar? Ja, in den letzten drei Jahren sind die Ausgaben pro Einkauf um 30 Prozent gestiegen. Unsere Kunden finden also in den Outfittery-Boxen immer mehr Teile, die sie behalten möchten. Die Produktivität unserer Stylisten ist sogar um 70 Prozent gestiegen. Wie hoch ist die Retourenquote bei Ihnen? Die genaue Zahl nennen wir nicht. Für uns gehören Retouren aber zumGeschäftsmodell dazu. Froh sind In Berlin ist die Wahrscheinlichkeit, neue Mitarbeiter zu bekommen, höher als in anderen Städten. Julia Bösch Million Kunden haben die Shopping-Anbieter Outfittery und Modomoto bislang in neun Ländern eingekleidet. 1 Schuhe, Hemden, Pullover und Jacken gehören zu den Outfits, die Stylisten den Kunden von Out- fittery empfehlen FOTOS: AMIN AKHTAR 32 IHK BERLIN | BERLINER WIRTSCHAFT 11 | 2019 SCHWERPUNKT | Interview

RkJQdWJsaXNoZXIy MzI1ODA1