Berliner Wirtschaft 11/2019
Noch wächst Berlin kräftig, doch die aktuelle Umfrage zeigt, dass die Krise der deutschen Industrie auch an der Hauptstadt nicht spurlos vorübergeht von Christian Nestler Risiken schwächen die Dynamik E s ist keine überraschend neue Nachricht, dass die Konjunktur an Schwung verliert. Die heftige Eintrübung der Stimmung auch in Berlin war so aber doch nicht zu erwarten: Der Index des Geschäftsklimas beträgt nur noch 119 Punkte, 24 Zähler weniger als vor einem Jahr. Derart stark verdunkelte sich der Konjunkturhimmel zuletzt 2009, als die Leh- man-Krise die Wirtschaftswelt erschütterte. Vor allemdie Erwartungen der Unternehmen zeugen von zunehmender Skepsis: Der Indikator stürzt um28 Punkte ab. Von 30 Zählern auf aktuell zwei. Die Eintrübung zeigt, dass die Krise der deutschen Industrie auch an Berlin nicht spurlos vorüber- geht. Handelskonflikte und Brexit-Chaos setzen den exportierenden Sektoren zu. Auch im Han- del und Gastgewerbe sieht man wenig Chancen auf bessere Geschäfte in naher Zukunft. Selbst in der Bauindustrie nimmt die Zuversicht rapide ab - die Debatten um Mietendeckel und Enteig- nung mögen dazu beigetragen haben. Noch wächst Berlin kräftig, aber die Vorstel- lung einer von den deutschen Konjunkturproble- men losgelösten Insel ist so kühn wie falsch. Ber- lin mag kein Schwerpunkt des Automobil- und Maschinenbaus sein, doch hier sitzen Zulieferer, Dienstleister und natürlich Unternehmen nahe am Endverbraucher, die von der guten Arbeits- marktlage profitieren. Ist es mit dieser vorbei, lei- det die Binnennachfrage. Da mag trösten, dass die Geschäfte in denmeisten Branchen noch gut lau- fen: Handel, Handwerk und Gastgewerbe erfreuen sich weiterhin großer Nachfrage. Nur ganz leicht trübt sich die Lage bei Immobilien- und IT-Dienstleistern ein. Die Geschäfte in der Indus- trie und bei den unternehmensnahen Dienstleis- tungen jedoch kühlen spürbar ab. Dass die Kon- junktur so bald nicht in warme Gefilde zurück- kehren dürfte, verheißen die Personalplanungen. Deren Indikator sinkt von 28 Punkten vor einem Jahr auf zwölf Zähler. Auch die Investitionsnei- gung nimmt ab, und zunehmend berichten Unter- nehmen über Finanzierungsschwierigkeiten. Die Konjunktur gerät also aus dem Tritt. Gestolpert ist sie allerdings noch nicht, eine Krise kündigt sich nicht an. Aber manmuss sich fragen, ob Berlin auf deutlich langsameres Wachstum und zögerlich steigende öffentliche Einnahmen vorbereitet ist. Ob es bereit ist, endlich mehr für die Schaffung des berühmt-berüchtigten „Brut- toinlandsproduktes“ zu tun und nicht nur über dessen Verteilung zu debattieren. Aber wie sang schon Nana Mouskouri: Only time will tell. ■ 119 Punkte beträgt der Index des Geschäfts- klimas aktuell – das sind 24 Zähler weniger als vor einem Jahr. Christian Nestler, IHK-Bereich Mittelstand & Energie Tel.: 030 / 315 10-286 christian.nestler@ berlin.ihk.de 100 120 140 143 144 110 Geschäftslage 36,5 51,3 12,3 gut befriedigend schlecht Geschäftserwartung Personalpläne 55,8 23,2 21,0 61,0 25,5 13,5 Investitionspläne* 25,9 8,1 26,0 besser gleich schlechter besser gleich schlechter besser gleich schlechter Herbst 2019 Frühjahr 2014 Frühjahr 2010 119 % % % % 100 120 140 143 144 110 Geschäftslage 36,5 51,3 12,3 gut befriedigend schlecht Geschäftserwartung Personalpläne 55,8 23,2 21,0 61,0 25,5 13,5 Investitionspläne 25,9 8,1 26,0 besser gleich schlechter besser gleich schlechter besser gleich schlechter Herbst 2019 Frühjahr 2014 Frühjahr 2010 119 % % % % * Kategorie „Keine Investitionen“ nicht ausgewiesen Geschäftsklimaindex Berlin Der Geschäftsklimaindex ist um 24 Zähler auf 119 Punkte gesunken. Befragt wurden IHK- und HWK-Unternehmen Lage, Erwartungen, Pläne im Herbst 2019 Weniger Personal, weniger Investitionen – die Stimmung der Berliner Unternehmen hat sich deutlich eingetrübt Grafiken: BW Quellen: IHK und HWK Berlin FOTOS: FOTOSTUDIO CHARLOTTENBURG/IHK BERLIN, CHRISTIAN KIELMANN AGENDA | Konjunktur 16 IHK BERLIN | BERLINER WIRTSCHAFT 11 | 2019
Made with FlippingBook
RkJQdWJsaXNoZXIy MzI1ODA1