Berliner Wirtschaft 11/2019

Nicht nur Jan Eder stellte seine Fragen. Auch das Auditorium nutzte die Möglichkeit, Antworten von der Berliner Grünen- Politikerin zu bekommen IHK-Mitglieder fragen ... zur Verkehrswende und zum Schulbau. „Allein die Schulbauoffensive hat ein Volumen vergleich- bar mit dem BER.“ Das reiche aber nicht. Kapek möchte deshalb noch in dieser Legislaturperi- ode eine Klima- und Grünbauoffensive star- ten. Beim Wohnungsbau setze die Koalition auf einen Dreiklang aus Bauen, Ankaufen, Regulieren. Dass der heftig umstrittene Mietendeckel kommt, daran ließ Kapek keinen Zweifel. „Wir werden denMietendeckel auf denWeg bringen.“ Er müsse rechtlich haltbar, umsetzbar und gerecht sein. Grundsätzlich sei problematisch, dass 80 Pro- zent des Mietrechts auf Bundesebene entschie- den würden. Den Ländern müsse ein größeres Mitspracherecht bei Instrumentenwie Kappungs- grenzenverordnung, Modernisierungsumlagen oder Umwandlungsgebot eingeräumt werden. Neben Wohnen liegt der Grünen besonders der Verkehr am Herzen. Regulative autofreie Kieze von 8 bis 18 Uhr seien weltweit State of the Art. Wenn nicht zügig gehandelt werde, würde man in fünf Jahren lamentieren und sehen, wie „Provinz- städte“ wie München es vorgemacht hätten. Darü- ber hinaus brachte Kapek einen neuen Anlauf für ein Zusammengehen Berlins und Brandenburgs ins Spiel. „In fünf Jahren sollten wir über eine ernst zu nehmende Länderfusion reden.“ Kapeks Vorschlag, Verkehrsflächen in Ber- lin stärker für den Wohnungsbau zu nutzen, konterte in der anschließenden Diskussions- runde IHK-Hauptgeschäftsführer Jan Eder mit der Frage: „Warum nicht das Tempelhofer Feld?“ Einer Bebauung erteilte Kapek jedoch eine klare Absage: Ohne neue Volksbefragung sollte man das Thema nicht anfassen. Wirtschaftsvertreter verwiesen auf die immer noch sehr günstigen Berliner Bestandsmieten von gut sechs Euro und wünschten sich eine Versachlichung der Diskus- sion, statt wie Kapek von „Mietenwahnsinn“ zu reden. Es müsse vielmehr Investitionsanreize geben. Öffentliche Gelder sollten auch nicht für Findlinge und grüne Punkte auf Kreuzber- ger Straßen verschwendet werden. Eine Aufre- gung, die Kapek nicht nachvollziehen konnte und meinte, dass Berlin auch mal „Experimentierfeld für Verrücktes“ sein dürfe. In einem Punkt aber herrschte am Ende offenbar Konsens. Um die Einheit 30 Jahre nach der Wiedervereinigung bis zum 3. Oktober 2020 endgültig zu vollziehen, so Kapek, sollten alle Bundesministerien nach Berlin ziehen. Zumin- dest die Stärke des Beifalls signalisierte, dass viele im Raum ihr recht gaben. ■ Dr. Paul R. Seger, Schweizer Botschafter in Deutschland „Wenn wir ein Thema wie die Mieten­ debatte in der Schweiz hätten, hätten wir eine Volksabstimmung dazu. Ist das hier auch möglich?“ Unsere Kultur ist da eine andere, ich sehe das eher kritisch. In der Schweiz werden teilweise auch Dinge zur Volksabstimmung gebracht, die wir hier niemals so entscheiden würden.“ Matthias Klussmann, Vorstand ML Real AG „Das Problem bei der Angebotsmiete sind einzelne Unbekannte. Unternehmen wie die Deutsche Wohnen können sich das gar nicht leisten. Die Verwaltung versagt, und Sie toppen das noch mit dem Mietendeckel.“ Es reicht nicht, der Verwaltung die Schuld zu geben. Die Branche ist hier auch in der Verantwortung. Ich glaube nicht, dass es sich nur um vereinzelte schwarze Schafe handelt.“ FOTOS: KERSTIN JANA KATER AGENDA | Wirtschaftspolitisches Frühstück 12 IHK BERLIN | BERLINER WIRTSCHAFT 11 | 2019

RkJQdWJsaXNoZXIy MzI1ODA1