Berliner Wirtschaft 11/2018
NEUE UNTERNEHMEN & MÄRKTE 61 BERLINER WIRTSCHAFT 11/18 LINK ZUR GRÜNDERSZENE Die Ursprungsversion des Textes gibt es unter: www.gruenderszene.de Unternehmen lassen sich also nur mut- maßen. Start-ups, deren Fokus auf eige- nen Produkten liegt, wie etwa Software- entwicklung, SaaS, FinTech oder indus- triellen Technologien, sind sicherweniger stark betroffen. Hier dürfte die Richtli- nie höchstens Randbereiche betreffen, etwa wenn die eigene PR-Abteilung auf positive Berichterstattung zum eigenen Unternehmen hinweisen oder eine be- stimmte Studie referenzieren möchte. Ob das Gesetz greift, bleibt abzuwarten Genauer hinschauen sollten dagegen Start-ups aus dem E-Commerce oder der Medienwirtschaft. Das sind momen- tan etwa 16 Prozent der deutschen Start- ups. Je nachdem, ob und inwiefern frem- de Inhalte Kern des eigenen Geschäfts- modells sind, sind diese Unternehmen mehr oder weniger von der Reform be- troffen. Eine Vertriebsplattform, die als Vor allem Start-ups aus dem E-Commerce und der Medienwirtschaft müssen sich mit dem neuen Urheberrecht auseinandersetzen klassischer Vermittler auftritt und es den Nutzern überlässt, Produktbilder hoch- zuladen, dürfte stärker betroffen sein als eine Vertriebsplattform, die Kontrolle über die Uploads behält. Es ist meiner Meinung nach richtig, veraltete Regelungen anzupassen. Das europäische Urheberrecht stammt aus einer Zeit, als Google, Facebook, Twitter, Instagram und Co. noch nicht relevant waren. Die bisherigen Regeln passen da- her nicht mehr. Dass Kreativschaffende für ihre Leistungen angemessen entlohnt werden, ist ebenfalls in Ordnung. Ob die momentanen Vorschläge ihr Ziel aber tatsächlich erreichen oder im schlimms- ten Fall sogar das Gegenteil bewirken, bleibt abzuwarten und kann mit guten Gründen skeptisch gesehen werden. Es stellt sich zunächst die Frage, ob ein Leistungsschutzrecht an sich der richtige Ansatz ist. Auf nationaler Ebe- ne hat das Recht keineWirkung und sich als ungeeignet erwiesen. Verlage ha- ben selbst entschieden, ihre Inhalte um- sonst online zu stellen. Einige Medien- unternehmen bieten mittlerweile un- terschiedliche Bezahlmodelle an, die aus Marktsicht sinnvoller erscheinen. Uploadfilter werden bereits einge- setzt, da urheberrechtlich geschützte In- halte ohne Erlaubnis ohnehin nicht ver- öffentlicht werden dürfen. Diese Filter arbeiten aber nicht effektiv, da sie Ver- stöße nicht zuverlässig von erlaubter Sa- tire unterscheiden können. Bis dieses technische Problem gelöst ist und Ge- richte offene Rechtsfragen geklärt haben, geht das im Zweifel zulasten der Mei- nungsfreiheit. Stichwort: Overblocking. Es gibt elegantere Vorschläge, um Jour- nalisten und andere Kreativschaffende an den Einnahmen zu beteiligen – etwa in Form einer Kulturflatrate – oder um Urheberrechtsverstöße zu ahnden. Im Übrigen bleibt letztlich zu be- fürchten, dass vergleichbare Effekte ein- treten werden wie bei der DSGVO: Die Unsicherheit, der Verwaltungsaufwand und die Kosten steigen. Dadurch werden kleine Unternehmen belastet, und eta- blierte Player profitieren davon. ‹ Der Autor ist Rechtsanwalt bei dem Berliner Venture-Capital-Unternehmen Project A
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