Berliner Wirtschaft 11/2018

BERLINER WIRTSCHAFT 11/18 60 NEUE UNTERNEHMEN & MÄRKTE VORSICHT BEIM UMGANG MIT INHALTEN I st das Internet tot, oder wird es eher gerecht? Darüber streiten Experten, nachdem das Europäische Parla- ment Mitte September darüber entschie- den hat, ein neues Urheberrecht einzu- führen. Bis zum Frühjahr 2019 will die EU über die finalen Richtlinien abge- stimmt haben. Ziel soll es sein, kreative und journalistische Arbeiten im Internet zu schützen. Dabei geht es vor allem um die Linksteuer und den Uploadfilter. Wer dafür ist und wer dagegen Auf der einen Seite stehen traditionelle europäische Medienhäuser. Sie finden, dass die Reform zwingend notwendig und längst überfällig ist, um die von ih- nen geschaffenen Inhalte im Internet zu schützen und besser monetarisieren zu können. Verlage glauben, dass die Frei- heit des Internets dadurch nicht in Ge- fahr kommen würde, da es genug Aus- nahmen gebe. Beispielsweise fallen nicht kommerzielle Anbieter, Zitate oder Satire nicht unter die Reform. Auf der anderen Seite stehen vor allemdie großen US-Internet-Unterneh- men sowie eine breite Front der europä- ischen Digitalwirtschaft. Diese sehen in der Reform einen Sargnagel für die Frei- heit des Internets. Derartige Maßnah- men würden die Nutzer in ihrer Kreati- vität einschränken, die Kommunikation sowie den Informationsfluss zwischen den Nutzern erschweren und dem Inter- netstandort Europa schaden. Obendrein Das Europäische Parlament hat entschieden, ein neues Urheberrecht mit Uploadfilter und Linksteuer einzuführen – worauf Start-ups sich vorbereiten müssen » Von Andreas Kühnke inhabers. Die ist gegebenenfalls nur ge- gen Bezahlung möglich, auch wenn Un- ternehmen nur Snippets verwenden wollen. Außerdem müssen Gründer das Urheberrecht vorher kontrollieren. Je nach Umfang des Inhalts wird das nur mit technischen Lösungenmachbar sein. Diese wiederum sind – aufgrund ihrer technischen Komplexität und immen- sen Entwicklungskosten – gegebenen- falls nur von einem der großen Player zu erhalten. So soll allein die Entwicklung von YouTubes Content-ID-System min- destens 60 Mio. Dollar verschlungen ha- ben. Für die meisten Start-ups zu teuer. Uploadfilter sollen Bilder, Videos und Musik scannen und urheberrechtlich einordnen, bevor die Inhalte online ge- hen. Das EU-Parlament will die Einzel- heiten jetzt gemeinsam mit den betei- ligten Interessenträgern erarbeiten. Die möglichen Auswirkungen auf das eigene würde die Reform das Nutzungsverhal- ten im Internet verfehlen, die nun mal aus Liken, Sharen und Uploaden eigener sowie fremder Inhalte bestehe. In erster Linie richtet sich die Re- form – wie auch schon die DSGVO und das NetzDG – an die großen US-Kon- zerne. Zwar soll es diverse Ausnahmen für kleinere Unternehmen geben, den- noch könnten Start-ups indirekt be- troffen sein. Unternehmen, die digitalen Content oder nutzergenerierte Inhalte veröffentlichen, sollten die Reform da- her im Blick behalten. Und zwar aus bei- den Richtungen: als Ersteller und Bereit- steller von Content, aber auch als Nutzer sowie Verbreiter von Content. Lizenzen müssen gewährt werden Wer selbst Inhalte erstellt, egal ob für sich oder seine Kunden, und diese auch auf Plattformen wie Facebook veröf- fentlichen möchte, muss dann die not- wendigen Lizenzen gewähren. Sicher- lich werden alle großen Portale hierfür standardisierte Prozesse entwickeln be- ziehungsweise ihre bestehenden Pro- zesse entsprechend erweitern. Unter- nehmen, die das vergessen oder ableh- nen, werden aus der jeweiligen Timeline verschwinden oder gegebenenfalls nur noch mit aussageschwachen Einzel- wort-Links vertreten sein. Start-ups, die fremden Content ver- breiten, müssen an zwei Dinge denken: Sie benötigen die Erlaubnis des Rechte- FOTO: GETTY IMAGES/MASCOT

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