Berliner Wirtschaft 11/2018
BERLINER WIRTSCHAFT 11/18 22 MEINUNG & MACHER ternehmer, die sich heute super gesund und su- per kräftig fühlen, denken nicht daran, dass auch wieder einAbschwung kommen kann. Dieser Fall kann aber jederzeit eintreten, und dann wird es für viele Unternehmen sehr schnell sehr schwie- rig. Wir empfehlen deshalb schon jetzt, die Fi- nanzierungsstrukturen zu hinterfragen und kri- sentauglich zu machen. Es ist nun einmal sinn- voll, mit Airbag zu fahren. Straub: Ja, denn in der Krise wird es schwer, in- nerhalb der Systeme etablierter Banken Finan- zierungszusagen zu erhalten. Aus diesem Grund halten wir es auch für falsch, gegenwärtig bei- spielsweise Ersatzinvestitionen ausschließlich aus dem Cashflow zu finanzieren. Besser ist, jetzt die günstigen Finanzierungsmöglichkeiten inAn- spruch zu nehmen oder das Eigenkapital aufzu- stocken, um im Krisenfall auf finanzielle Reser- ven zurückgreifen zu können. Kurzum: Sie raten also, schon vor einer Krise mit Bürgschaften ein finanzielles Polster aufzubauen? Straub: Es ist besser, jetzt schon eine Finanzie- rungsstruktur zu schaffen, mit der Unternehmen auch einen Abschwung überstehen – unter Um- ständen auchmit zusätzlichemEigenkapital. Da- bei können wir helfen. Das sagen Sie jetzt, weil Sie gern Ihren Geschäfts- zweck erfüllen möchten – sprich: Sie möchten Bürg- schaften vergeben. Hartung: Wir wollen möglichst nicht in die Situ- ation kommen, in der auchwir nicht mehr helfen können. Wenn ein Unternehmen erst einmal in Schwierigkeiten ist und nach klassischer Defini- tion keine Finanzierung mehr bekommen kann, dann haben auch wir keine Möglichkeiten mehr. Wir müssen also früher ansetzen. Aber keines- wegs wollen wir eine Krise herbeireden, nur da- mit unser Geschäft besser läuft. Das läuft seit Be- ginn des Jahres ohnehin sehr gut. Gegenüber dem Vorjahreswert konnten wir bis Ende September die verbürgten Finanzierungen um44 Prozent auf 56 Millionen Euro steigern. Wie ist Ihnen das gelungen? Hartung: Diese Zahl zeigt, wie groß das Potenzial in Berlin ist, wenn die Bürgschaftsbank bekannter wird. Hamburg hat beispielsweise doppelt so vie- le Bürgschaften wie Berlin, ist aber deutlich klei- ner. Auch eine Stadt wie Bremen hat proportio- nal mehr Geschäft als Berlin. Ist das ein Problem für Sie? Hartung: Wir wollen das ändern. Wir sind eine echte Bank, die alle aufsichtsrechtlichen Pflich- ten zu erfüllen hat.Wennwir noch kleinerwären, könnten wir als Bank nicht mehr existieren. Wir sind mit 27 Mitarbeitern sehr schlank aufgestellt, und daranwird sich auch nichts ändern. Aberwir können sehr viel mehr mit unseren Mitteln er- reichen. Wir schätzen, dass nur 20 Prozent der Firmenkundenberater in den Banken detaillierte Kenntnisse unserer Instrumente haben, und un- ter den kleinen undmittleren Unternehmen ken- nen uns nur zwei oder drei Prozent. Wo wollen Sie in fünf Jahren stehen? Hartung: Wir gehen davon aus, dass wir in fünf Jahren das Geschäftsvolumen verdoppelt haben und in der Stadt deutlich bekannter sind. Durch unsere neue digitale Plattform muss ein Unter- nehmer künftig nicht mehr selbst von A nach B und C laufen, um eine Bank zu finden, die sein Vorhaben finanziert. Wie vielen Firmen müssen Sie eine Absage erteilen? Straub: Ungefähr jedem zweiten Antragsteller. Aber wir verknüpfen das in der Regel mit wert- vollen Empfehlungen.Wir raten zumBeispiel, ei- nen anderen Weg einzuschlagen oder vielleicht nicht die gesamte Investition auf einmal zu reali- sieren oder zunächst andere Maßnahmen imUn- ternehmen durchzuführen und später noch ein- mal vorzusprechen. Gibt es bestimmte Fakten, auf die Sie besonders kri- tisch blicken? Straub: Für uns ist wichtig, dass wir einen Unter- nehmer vor uns haben, der voll hinter dem Un- Peter Straub (l.) und Steffen Hartung vermitteln auch Eigenkapital in Form von stillen Beteiligungen durch die Mittelständische Beteiligungsgesellschaft Berlin FOTO: CHRISTIAN KIELMANN Steffen Hartung will den Bekanntheits- grad der Bürgschafts- bank deutlich steigern Unter den kleineren und mittleren Unternehmen kennen uns nur zwei oder drei Prozent.
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