Berliner Wirtschaft 10/2020

Wenn Deutschland aus der Verschuldung herauswachsen soll, brauchen Unternehmen ein besseres Steuersystem von Michael Gneuss/DIHK Wirtschaft muss wettbewerbsfähig bleiben I m Herbst 2021 wird der neue Bundestag gewählt. ImWettstreit der Parteien werden auch Steuerthemen eine wichtige Rolle spie- len. Zuletzt haben die wirtschaftspolitischen Maßnahmen in der Corona-Krise gezeigt, welche Lenkungsfunktionen damit einhergehen kön- nen. Unternehmen können durchdachte Refor- men aus demFinanzministerium gut gebrauchen. Ein Blick auf die Baustellen im Steuerrecht, die derzeit besonders intensiv diskutiert werden. Wie bleibt die deutsche Wirtschaft in Coro- na-Zeitenwettbewerbsfähig? Die Staatsschulden- quote steigt im Zuge der immensen staatlichen Hilfsprogramme sowie der Steuerausfälle um gut 20 Prozentpunkte auf etwa 80 Prozent des Brut- toinlandsprodukts. Die Wirtschaftsforscher sind sichweitgehend einig: Aus der Verschuldungmuss Deutschland herauswachsen. Und die Bundesre- gierung antwortet mit einem Konjunkturpaket, das „Wumms“ machen soll. Auch DIHK-Steuerchef Rainer Kambeck sieht in besseren Rahmenbedingungen für Unterneh- men einen Hebel, um ein stabiles und hohes Wirt- schaftswachstum in der kommenden Dekade zu ermöglichen. „Dazu gehört vor allem ein Steuer- system, das Firmen wettbewerbsfähiger macht“, sagt Kambeck. Doch genau daran hapert es noch. In einer Rangliste, in der die Schweizer Hoch- schule IMD die Wettbewerbsfähigkeit von 63 entwickelten Volkswirtschaften einordnet, fällt Deutschland immer weiter ab und belegt derzeit nur Platz 17. „Die größte Schwachstelle Deutsch- lands ist nach wie vor die hohe Abgabenlast“, sagt IMD-Chef-Volkswirt Christos Cabolis. Hohe Belastung durch Unternehmensteuer Ein Jahr vor der nächsten Bundestagswahl rückt daher die Unternehmensbesteuerung auf die poli- tische Agenda. Mehr als zwölf Jahre ist es her, dass in Deutschland die letzte große Unternehmen- steuerreform in Kraft trat. Die Bundesregierung wollte damals denWirtschaftsstandort Deutsch- land für Unternehmen attraktiver machen. Die Steuerbelastung für Kapitalgesellschaften sank daraufhin von 38,6 auf 29,9 Prozent. Seitdem hat es viele kleinere Neuregelungen für die Wirt- schaft gegeben, aber keine hat die Steuerlast der Unternehmen weiter verringert. Im internationalen Vergleich steht Deutsch- land deshalb inzwischenmit an der Spitze bei der Steuerbelastung der Unternehmen. Der Durch- schnitt in OECD-Staaten liegt bei 23,5 Prozent. Das Mittel der EU-Staaten ist mit rund 22 Pro- zent sogar noch etwas geringer. Frankreich, der- zeit bei der Unternehmensbesteuerung zusam- men mit Deutschland vorn, plant für 2022 eine Reform, die die Belastungen senken soll. Druck auf die Steuersätze haben 2018 die USA mit einer großen Unternehmensteuerreform gemacht. Dort zahlen die Unternehmen nun nur noch etwa 25 Prozent Steuern. Modernisierung der Körperschaftsteuer Ein Reformplan, der ohnehin im Bundesfinanz- ministerium in Arbeit ist und nun noch mehr Bedeutung bekommen könnte, ist ein Optionsmo- dell imRahmen eines Körperschaftsteuer-Moder- nisierungsgesetzes. Dieses Modell sieht vor, dass sich große Personengesellschaftenwie Kapitalge- sellschaften besteuern lassen dürfen. Personen- FOTOS: GETTY IMAGES/RALF HIEMISCH, FOTOSTUDIO CHAARLOTTENBURG beträgt die Steuer- belastung für deutsche Unternehmen, die damit deutlich über dem EU-Durchschnitt von rund 22 Prozent liegt. 29,9% SERVICE | Steuergesetz 58 IHK BERLIN  |  BERLINER WIRTSCHAFT 10 | 2020

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