Berliner Wirtschaft 10/2020

Der Bauunternehmer Hermann Knauer galt als rastlos, und er starb jung. Dennoch prägte er das Berliner Straßenbild mit markanten Architekturen von Björn Berghausen (BBWA) Entrepreneur mit Stadtgefühl Z u Beginn des 20. Jahrhunderts gehörte Boswau & Knauer zu den renommier- testen Berliner Bauunternehmungen. Mit dem Boom der Wirtschaft, dem Wachs- tum der Städte und dem sprunghaft wachsenden Bedarf an umbautem Raum entstanden in den 1890er-Jahren viele Baugesellschaften neuen Stils, die Fabriken, Warenhäuser, Schulen, Kraftwerke, Krankenhäuser, Museen und Theater bauten. Boswau & Knauer bereicherte Berlin um so markante Gebäude wie das KaDeWe (1904–09), das Grand Hotel Esplanade (1907–08), das Metro- pol-Theater amNollendorfplatz (1906–07) und die Deutsche Waffen- und Munitionsfabriken (1906- 07) am Reinickendorfer Eichborndamm. In der Bandbreite der Gebäudenutzung zeigt sich die Vielfältigkeit des Baukonzerns, der Funktiona- lität des Gebäudes und Repräsentationswillen der Bauherren in Einklang brachte. Das Unterneh- men arbeitete für namhafte Architekten wie Otto Rehnig, Johann E. Schaudt und Paul von Gontard. Hinter der Firma steckte Hermann Knauer, der seine Fachkenntnisse in Abendkursen des Berliner Bautechnikums erworben hatte, von Hause aus aber vor allem Kaufmann war. Sein Stil wird als „rastlos“ beschrieben – er starb 37-jährig im Jahr 1909. In der Frühphase des Unternehmens machte sich Boswau & Knauer einen Namen als Firma für feuersichere Wände, Decken und Gewölbe sowie für „konstruktive Cementarbeiten und Stuccolustro“ (Stuckmar- mor) – also die Verbindung von Funktion und Form. Beides bewiesen auch die Ausstellungs- bauten auf den nationalen und internationalen Gewerbeausstellungen der Zeit. Boswau &Knauer war schnell reichsweit tätig und gründete Fili- alen in Leipzig, Hannover, Hamburg und Düs- seldorf. Im Ersten Weltkrieg führte das Unter- nehmen Kraftwerke, Luftschiff- und Flugzeug- hallen sowie die Lokomotivfabrik Henschel & Sohn in Kassel und das Stahlwerk Böhler & Co. in Düsseldorf aus. Nach der Umwandlung in die AG (1921) und den überstandenen Inflationsjah- ren entstanden das Wernerwerk III für Siemens, Betriebsbahnhöfe für die BVG und das Columbus- haus am Potsdamer Platz. Im Krieg war Boswau & Knauer stark in die Rüstungswirtschaft ein- gespannt und errichtete Fabriken für Maybach in Schöneweide, die Argus-Motorenbau, Pinsch und Schwarzkopf. Nach Kriegsende und Teilung Berlins 1949 wurde der Sitz der Gesellschaft in die Düsseldorfer Filiale verlegt. Nichtsdestotrotz erhielt Boswau & Knauer Bauaufträge aus Ber- lin – etwa der Wiederaufbau des Schillerthea- ters oder Erweiterungen des Kraftwerks Reuter. 1955 waren noch 400–500 Beschäftigte in Berlin, nach der Krise 1964 nur noch 82. 1981 wurde der Berliner Betrieb ganz geschlossen, 1982 ging der Konzern in der Thosti AG auf. Und Boswau? Der Architekt und Bautechni- ker Friedrich Hermann Paul Boswau hatte am 18.12.1892 zusammen mit Knauer „Boswau & Knauer“ gegründet. Schon bald aber spielte er im Unternehmen keine Rolle mehr und schied aus. Er wohnte und arbeitete aber bis mindestens 1898 als Architekt von Stadtvillen in Lichterfelde. Sein Name jedoch blieb dem Unternehmen bis zum Ende erhalten. ■ FOTOS: BBWA Zu den Aufträgen von Boswau & Knauer gehörte der Wiederaufbau des Schillertheaters 1950/51. Kleines Bild: Hermann Knauer, Mitgründer des Unternehmens Zugang zum Wirtschaftsarchiv Die Bestände des Berlin-Brandenburgischen Wirtschaftsarchivs (BBWA) können eingesehen werden. Kontakt und Infos: bb-wa.de BRANCHEN | Historie 44 IHK BERLIN  |  BERLINER WIRTSCHAFT 10 | 2020

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