Berliner Wirtschaft 10/2020

Foto oben: Nach Stationen in Dortmund und Frank- furt kam der Raumplaner 1985 als wissen- schaftlicher Mitarbeiter der TU Berlin an die Spree. Foto rechts: Airport-Modell im Büro FOTOS: AMIN AKHTAR Was zeichnet Europas modernsten Flughafen aus, den die FAZ jüngst als „perfekt konstruierte Maschine“ beschrieb, was Sie bei der häufigen Kritik ja gefreut haben dürfte? Wir werben nicht damit, der „modernste Flug- hafen Europas“ zu sein. Wir haben aber eine sehr leistungsfähige Infrastruktur, die in vielen Punk- tenmodernste Technik aufweist, etwa die Informa- tions- und Passagiersteuerungssysteme sowie die Sicherheitstechnik. Der BER verfügt über eine hoch- effiziente Brandschutzanlage und eine Gepäcksor- tieranlage, die 10.000 Gepäckstücke in einer Stunde bewältigt. Es gibt einen Bahnhof direkt unter dem Terminal, von dem aus unsere Passagiere auf direk- tem Weg in den Ankunfts- und Abflugbereich gelangen. Das gibt es an keinem anderen deutschen Flughafen. Nachholbedarf hat Berlin bei Langstreckenan- bindungen. Laut Umfrage der Initiative für mehr direkte Langstreckenverbindungen sind fast drei Viertel der befragten Firmen aus Berlin-Branden- burg mit dem außereuropäischen Geschäftsreise-Flugangebot ab Berlin unzufrieden oder über- haupt nicht zufrieden. Auf welche Änderungen können sich Ihre Fluggäste einstellen? Vor der Corona-Krise gab es Langstreckenverbin- dungen nach Peking, Singapur, Ulaanbaatar, New York, Philadelphia und Toronto. Mittelfristig wird es diese Verbindungen wieder geben – und wei- tere dazu. Daran arbeiten wir. Berlin ist schon jetzt das wichtigste deutsche Ziel für Flugreisende, und es kann nicht sein, dass 80 Prozent unserer Kun- den, die eine Langstrecke buchen wollen, Umwege über Frankfurt, München und andere Standorte neh- men müssen. Corona macht das schwierig ... Aktuell sind die Interkontinen- talverbindungen weltweit fast völlig zum Erliegen gekommen. Nach dem Ende der Pandemie werden wir aber in Berlin das interkontinentale Angebot aus- bauen können, da bin ich mir sicher. Fernost und Nordamerika sind auf jeden Fall Ziele, die wir entwickeln können. Welche Rolle spielt die Digitalisierung? Wir werden in Berlin ein Digital Hub, den wir unter dem Brand „VIA BER“ vermarkten. Wir wollen Umsteigeflüge anbieten und ankommende Airlines mit anderen Airlines vernetzen. Ein Passagier fliegt zumBeispiel mit Easyjet nach Berlin und dannmit Delta Air Lines weiter in die Vereinigten Staaten. Wir als Flugha- fen bieten dafür eine Plattform an und kümmern uns zusätzlich um das Gepäck der Umsteigegäste. Das ist eine Chance für alle, die die Digitalisierung der Buchungssysteme oder der Kundenbeziehun- gen nutzen wollen. Und das bedeutet echte Kon- kurrenz zu den großen Carriern und wird auch den Langstreckenmarkt ein Stück verändern. Vielleicht wird Corona diesen Prozess sogar beschleunigen. Es könnte einen gegenläufigen Effekt geben. Genau wie in der Finanzkrise wird jetzt das Hohelied auf virtuelle Konferenzen statt Geschäftsreisen gesungen. Erwarten Sie, dass der Geschäftsreiseverkehr dauerhaft sinkt? Die Luftverkehrsnachfrage wird sich verändern. Wir beobachten schon seit Jahren, dass der Anteil der Geschäftsreisen am Gesamtaufkommen abnimmt. Der Privatreiseverkehr war zuletzt der Wachstums- markt. Selbst Lufthansa, die sehr stark auf Business- kunden fixiert war, hat sichmittlerweile umgestellt. Hinzu kommt die Debatte über Klimaschutzziele und damit eine andere Sensibilität. Große Unterneh- men haben ihre Reisepolitik verändert und verla- gern kürzere Strecken auf die Bahn. Da ist jetzt auch die Bahn gefordert, den BER künftig mit ICE-Ver- bindungen auszustatten. Mit einem ICE-Zubringer ließen sich zudem mehr Flugverbindungen auf der Langstrecke gewinnen. Und der private Reiseverkehr? … wird weiter wachsen. Das ist für Berlin als Standort sehr posi- tiv, weil wir immer eine starke Destination für Privatreisen waren. Jeder vierte Reisende, der nach Deutschland kommt, will in die Hauptstadtregion. Berlin hat heute bei den Flügen einen Marktanteil von 14 Prozent in Deutschland. Da ist noch weite- res Potenzial. Wir werden aller- dings noch einige Jahre brau- chen, um die Corona-Krise zu überwinden. Was bedeutet das in Zahlen für die Passagierprognosen? Im vergangenen Jahr wurden » Engelbert Lütke Daldrup Wir haben eine sehr leistungsfähige Infrastruktur, die in vielen Punkten modernste Technik aufweist. SCHWERPUNKT | Interview 32 IHK BERLIN  |  BERLINER WIRTSCHAFT 10 | 2020

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