Berliner Wirtschaft 10/2019

geht es immer noch vor allemdarum, eine Lösung zu entwickeln, die zuverlässig wertvolle neue Erkenntnisse liefert. Für eine erfolgreiche Umset- zung bedarf es einer datenreichenUmgebung. Dies erfordert die Unterstützung aller Beteiligten – ein- schließlich der Patienten. Am Ende werden die Lösungen die beste Unterstützung erhalten, die die Erfahrungen der Menschenmit ihrer Gesund- heitsversorgung verbessern, und nicht die, die ver- suchen, Personal zu ersetzen. Viele Neulinge im Gesundheitswesen unter- schätzen dessen strenges regulatorisches Umfeld. Wenn sie etwa meinen, davon nicht betroffen zu sein, weil sie Software und keine Medizinpro- dukte entwickeln, dann irren sie sich. In der neuen EU-Medizinprodukteverordnung heißt es: „Software, die dazu bestimmt ist, Informationen zu liefern, die zu Entscheidungen für diagnosti- sche oder therapeutische Zwecke herangezogen werden, gehört der Klasse IIa der ISO 13485 an.“ In diesem Fall benötigen Gründer also ein Quali- tätsmanagementsystemnach ISO 13485. Es kostet viel Zeit und Nerven, ein solches System zu imple- mentieren, jedoch ist es unglaublich schwer, es nachträglich zu tun. Gründer sollten es daher bes- ser frühzeitig umsetzen. Dafür benötigen Gründer jedoch Expertenunterstützung. Sie sollten daher während ihrer Recherchephasewissenschaftliche Literatur zum Thema lesen und sich dabei stark auf die Nutzer-Forschung konzentrieren. Nicht zu vergessen: der Nutzen des Produkts Es gibt viele Start-ups mit medizinisch sinnvollen Lösungen, denen es trotzdem nicht gelingt, eine hohe Interaktionsrate bei einer großen Anzahl an Nutzern zu erreichen. Das kann daran liegen, dass die Entwickler zu viel über ihre Lösung und zu wenig über die Probleme der Nutzer nachge- dacht haben. Wenn man verspricht, gesundheit- liche Vorteile zu schaffen, reicht es nicht, dass die Anwendung intuitiv Sinn macht. Vielmehr muss man nachweisen, dass sie auch wirksam ist. Erfolgreich im Gesundheitswesen kann nur sein, wer die Verbindung dieser Welten schafft: benutzerzentrierte agile Softwareentwicklung und den Nachweis des medizinischen Nutzens. Vorbereitung ist alles Das Gesundheitswesen braucht Menschen, die Ideen, Experten und Technologien aus verschie- denen Disziplinen verbinden. Gründer werden jedoch nur erfolgreich sein, wenn sie sich weit aus ihrer Komfortzone begeben, um die Komplexität und die Regularien zu verstehen. Zu viele Möch- tegern-Gründer denken nicht weit genug. Aussa- gen wie „Warum können wir nicht einfach den Radiologen ersetzen, indem wir dem Pflegeper- sonal in der Notaufnahme über Skype sagen, wie man einen Patienten in den CT bringt?“ beenden Gespräche schnell (und zu Recht). Wenn Gründer aber ihre fehlende Branchenerfahrung als Chance verkaufen, um neue Impulse aus anderen Indus- trien zu setzen, könnte der Gewinn groß sein – für die Gründer und für die Gesellschaft. ■ Die Autoren Ali Ciğer arbeitet als Commercial Director bei Pfizer Deutschland. Sven Jungmann ist Vertical Lead Health bei FoundersLane in Berlin. Carlo Schmid agiert als Early Stage Investor bei Cherry Ventures in Deutsch- land. Ole Dammann ist als Chief Digital Officer bei dem klinischen Forschungsunter- nehmen KFGN in Deutschland tätig. Melina Hanisch, Start-up-Koordinatorin Innovation der IHK Tel.: 030 / 315 10-527 melina.hanisch@berlin. ihk.de Link zur Website der Gründerszene Die ungekürzte Version des Textes unter: gruenderszene.de FOTOS: GETTY IMAGES/WESTEND61, FOTOSTUDIO CHARLOTTENBURG 61 BERLINER WIRTSCHAFT 10 | 2019 SERVICE | Gründerszene

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