Berliner Wirtschaft 10/2018

E s ist früh am Morgen auf einem Ber- liner Firmenparkplatz: Ein junger Mann steuert seinen schwarzen Porsche Pa- namera auf einen der firmeneigenen Stellplätze vor dem Gebäude, parkt und macht sich auf den Weg zum Büro. Wenig später nä- hert sich ein Paketbote dem Fahrzeug mit ei- ner Sendung unter dem Arm. Vor dem Koffer- raum des Wagens bleibt er stehen. Ein kurzer Klick auf die Smartwatch an seinem Handge- lenk, schon öffnet sich die Heckklappe. Ein aus- gefeilter Diebstahlversuch? Nein, ein Pilot-Pro- jekt des Automobilkonzerns Porsche in Zusam- menarbeit mit dem Berliner Startup XAIN, das die beiden Unternehmen in einem Kurzfilm vorstellen. Wer das Video weiterverfolgt, sieht, dass der Bote kurzerhand seine Sendung im Fahrzeug platziert und den Kofferraum umge- hend wieder schließt. Zeitgleich erhält der Be- sitzer über sein Smartphone die Information, dass sein Wagen von einer zugriffsberechtig- ten Person geöffnet wurde – und weiß, dass seine Sendung eingetroffen ist. Verschlüsselt und verkettet: Sicherheit dank Blockchain Das junge Berliner Unternehmen hat gemein- sam mit dem baden-württembergischen Sportwagenhersteller weltweit das erste Mal Blockchain-Technologie in ein Fahrzeug imple- mentiert, getestet und verschiedene Authen- tifizierungs- und Zutrittsszenarien entwickelt. Im Fokus aller Anwendungsfälle: die Sicher- heit. Dass sich nur autorisierte Personen mit Zugriffscode Zugang zum Fahrzeug verschaf- fen können, gewährleistet die Technologie, die den Lösungen zugrunde liegt. Denn XAIN hat sich neben Künstlicher Intelligenz (Artificial In- telligence, kurz: AI) auf Blockchain-Lösungen speziell für Anwendungsfälle zu Access Control (Zugriffsbeschränkungen) spezialisiert. Heißt: Alle Datensätze, so genannte „Blöcke“, die für ein Zutrittsszenario notwendig sind, liegen in ei- ner dezentralen Datenbank, also über viele Ge- ANZEIGE Blockchain-Hotspot Berlin Das Berliner Startup XAIN hat gemeinsam mit Porsche erstmals Blockchain-Technologie erfolgreich in ein Auto integriert. Wie das junge Unternehmen in der Hauptstadt durchstartet, weshalb Blockchain für Betriebe aller Branchen interessant und wie wichtig Netzwerken ist. Blockchain Schlüsseltechnologie Die Blockchain gehört in diesem Jahr laut Bitkom zu den wichtigsten Trendthemen für die Digitalbranche in Deutschland. Jedes vierte IT- und Telekommunikations- Unternehmen sieht in ihr einen maßgeblichen Technologie- und Markttrend. Und nicht nur die Digitalwirtschaft ist von der Bedeutung der Blockchain überzeugt: Laut einer Befragung des internationalen Marktforschungs- und Beratungsinstituts YouGov gehen 44 Prozent der deutschen Mittelständler davon aus, dass die Technologie sich durchsetzen wird. Drei Prozent der befragten Betriebe nutzen Blockchain bereits im eigenen Unternehmen, neun Prozent planen ihren Einsatz. Und immerhin 17 Prozent denken darüber nach. Laut einer Erhebung von Sopra Steria Consulting erwarten die Anwender vor allem, dass das bestehende Geschäft durch den Einsatz von Blockchain effizienter, schneller oder günstiger wird. Praktische Erfahrung mit der Technologie, so die befragten Fach- und Führungskräfte großer Unternehmen aus unterschiedlichen Branchen, fehle allerdings noch. Erste Blockchain-basierte Systeme seinen zwar insbesondere für eine schnellere Zahlungs- und Kaufabwicklung sowie zum Nachweis der Identität im Einsatz, die meisten Unternehmen befinden sich jedoch noch in der Informations- und Entscheidungsphase. räte verteilt. In den Blöcken werden sämtliche Datentransaktionen gespeichert und synchro- nisiert. Durch kryptografische Verfahren sind die einzelnen Blöcke miteinander zu einem Netzwerk „verkettet“ und bauen aufeinander auf, indem jeder Block den vorhergehenden an- hand einer hinterlegten Prüfsumme bestätigt. „Allein durch die dezentrale Speicherung bietet sich Hackern ein wesentlich komplexerer An- griffsvektor als bei Anwendungen, deren Daten alle auf einem zentralen Server liegen“, erklärt Felix Hahmann, einer der Gründer und Chief Operating Officer (COO) von XAIN einen der Vorteile der Blockchain. Hinzu kommt: „Durch die Verkettung der Datensätze ist es nahezu unmöglich, sie zu manipulieren. Es wäre nötig, sämtliche miteinander verknüpften, dezentral verteilten Informationen im selben Moment zu verändern“, sagt Hahmann. Starke Szene: Wie XAIN in Berlin durchstartet Eine Technologie mit enormem Potenzial, die sich, so Experte Hahmann, für die verschie- densten Anwendungsfälle in nahezu allen Bran- chen eignet. XAIN konzentriert sich vorrangig auf Kunden aus der Automobilindustrie. Nahe- liegend, denn die Gründer Felix Hahmann und Leif-Nissen Lundbæk trafen vor einigen Jah- ren bei ihrem früheren gemeinsamen Arbeit- geber Daimler aufeinander. Lundbæk forsch- te damals parallel zum Job an der Universi- tät Oxford und dem Imperial College London zu den Themen Blockchain und Kryptografie. Auch Hahmann befasste sich als studierter In- formatiker seit einigen Jahren mit der Techno- logie. Anfang 2017 gründeten die Jungunterneh- mer in Berlin die XAIN AG sowie im Mai 2018 zusätzlich eine Foundation. Über Letztere stel- len sie Teile des von ihnen entwickelten Proto- kolls als Open Source auch anderen Entwick- lern zur Verfügung. Angst vor Konkurrenz haben sie dabei nicht: „Dieser neue Markt ist groß ge- nug, da kommt man sich kaum in die Quere“, sagt Hahmann. Felix Hahmann, COO und Gründer von XAIN

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