Berliner Wirtschaft 10/2018
MEINUNG & MACHER 25 BERLINER WIRTSCHAFT 10/18 Wie sehen Sie denn generell die Zukunftsperspekti- ven für Erdgas? Erdgas ist keine Brückentechnologie, sondern auf Dauer Teil einer dekarbonisierten Energieversor- gung. Ich glaube, dass Gasversorger aufgrund der Gas-Infrastruktur große Zukunftschancen haben. Diewird auch nach der Energiewende gebraucht. Das Produkt, das in den Leitungen transportiert wird, wird sich jedoch verändern. Früher hatten wirwasserstoffhaltiges Stadtgas in den Leitungen. Heute mischen wir schon Biogas oder syntheti- sche Gase bei, zukünftig ist sehr viel mehr reiner Wasserstoffmöglich. Ein Hinweis: Die Diskussion um Stromtrassen nach Süddeutschland wäre re- lativ leicht zu lösen, wenn man als dauerhafte Al- ternative erneuerbaren Stromüber Power-to-Gas in Wasserstoff umwandelt und in der Gas-Infra- struktur speichern und transportieren würde. Das geht? Ja, die deutsche Jahres-Windstromproduktion dürfte nur rund 20 Prozent des Energiegehaltes des deutschen Gasnetzes ausmachen. Ein anderes Beispiel für die Nutzung von Gas-Infrastruktur im Rahmen der Energiewende ist unser Gasspeicher unter dem Olympiastadion, der stillgelegt wer- den soll. Aber warum nutzen wir ihn nicht wei- ter als Labor für die Energiewende, um zum Bei- spiel Wind- und Solarstrom aus Brandenburg in Wasserstoff umzuwandeln und dort zu speichern und bei Bedarf weiterzuverkaufen?Wir überlegen gerade, wiewir ein solches Projekt mit Fördergel- dern und weiteren Partnern umsetzen könnten. Auf welchemWeg kann Berlin Ihrer Ansicht nach die schnellsten Fortschritte beim Klimaschutz erzielen? Es gibt ein paar kleine Schritte, die sehrwirkungs- voll sind. Allein der Austausch einer alten Gashei- zung gegen eine neue kann 30 Prozent CO 2 ein- sparen. Im Verkehrsbereich würde ein höherer Anteil von Gas-Fahrzeugen nicht nur CO 2 spa- ren, sondern auch den durch Verbrennung ent- stehenden Feinstaub auf null reduzieren. Auch die Lärmbelastung sinkt gegenüber Dieselautos. Was kann die Gasag für Erdgasfahrzeuge tun? Wir betreiben bereits elf Gas-Tankstellen. Ich glaube aber, dass wir auf der Absatzseite noch mehr leisten können, indemwir Kunden lukrati- ve Koppelprodukte anbieten.Wir bleiben zwar im Kern Gasversorger, aber wir können rund um Strom und Gas noch viel mehr Produkte gestal- ten – perspektivisch auch Telekommunikations- produkte, im Sinne einer umfassenden Dienst- leistung für den Kunden. D ie Fortschreibung des Masterplans Industrie 2018-2021 ist ein wichtiges Zeichen für die Entwicklung der Stadt Berlin. Wel- che Auswirkungen er für die Berliner Wirtschaft haben wird, kann allerdings erst in den kommenden Jahren bewertet werden und hängt von Steuerungskraft und Umsetzungswillen der Politik ab. Hier haben wir in Berlin nicht die besten Erfahrungen gemacht. Fakt ist, dass die Fortschreibung des Masterplans Industrie Impulse setzt und wichtige Aspekte eines modernen Industriestandortes auf- greift. Da wäre an erster Stelle die Förderung der MINT-Kompetenzen zu nennen. Damit geht eine gezielte Berufsorientierung in den Sekun- darschulen einher, die in Kooperation mit der Wirtschaft noch inten- sivere Einblicke in Berufsbilder der Industrie gewährt und die duale Schulausbildung stärkt. Hier hat Berlin nicht erst seit heute Nach- holbedarf, denn ohne fundierte schulische Aus- bildung, darin sind auch die geistes- und sozial- wissenschaftlichen Fächer eingeschlossen, kann der Senat noch so viele Masterpläne veröffentli- chen. Der Trend zur Wissensgesellschaft ist un- umkehrbar und Bildung ihrwichtigster Rohstoff. Der Mittelstand kann ein Lied davon singen. Er ist mit Auszubildenden konfrontiert, die Nachhil- fe in den Grundrechenarten benötigen und teil- weise auf Basis veralteter Berufsbilder unterrich- tet werden. Hier muss auch über denMasterplan dringend nachgesteuert werden. Berlin ist traditionell eine Stadt, in der For- schung und Innovation beheimatet sind, die die Wettbewerbskraft zahlreicher Unternehmen prägen. Daher ist die Stär- kung der Innovations- und Technologiefelder, die in der gemeinsamen Strategie Berlin-Brandenburg gebündelt sind, der richtigeWeg. Da tech- nologischer Fortschritt und Erfolge in der Anwendung der Digitalisie- rung nicht vom Himmel fallen, muss der Boden bereitet werden. Der flächendeckende Zugang zum glasfaserbasierten Breitband zählt dabei zu den Basics. Und aufgemerkt:Wenn das Land Berlin Innovationen be- fördern will, tut es gut daran, selbst voranzugehen, zum Beispiel mit- tels einer modernen, digitalen Verwaltung, die sich als Servicepartner der Wirtschaft versteht. Der Senat braucht einen Gesamtansatz, um für den Industriestand- ort den richtigen Rahmen zu setzen. Die kleinen undmittelständischen Unternehmen nehmen ihren aktiven Part innerhalb des Rahmens ein. Das KompetenzteamMittelstand versteht sich dabei als Ideengeber und Treiber der Entwicklung. www.ihk-berlin.de/kompetenzteam Die Fortschreibung des Masterplans Industrie setzt wichtige Impulse – jetzt muss die Umsetzung erfolgen Zeit für den praktischen Teil MITTELSTANDSKOLUMNE PHILIPP ZETTEL ist Mitglied des Kompetenzteams Mittelstand der IHK Berlin und Prokurist der Neue Werte GmbH FOTO: NEUE WERTE GMBH
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