Berliner Wirtschaft 10/2018
MEINUNG & MACHER 23 BERLINER WIRTSCHAFT 10/18 V or ein paar Jahren hat kaum noch jemand Wachstumsperspektiven im klassischen Kerngeschäft eines Gasversorgers gesehen. Der neue Gasag-Chef Dr. Gerhard Holtmeier will nun aber rund um Gasnetzbetrieb und Energiedienstleis- tungen eine neue Wachstumsstory schreiben. BerlinerWirtschaft: Waswaren Ihre ersten Eindrü- cke als Gasag-Chef? Dr. Gerhard Holtmeier: Meine positiven Erwar- tungen wurden bestätigt. Ich muss aber dazu sa- gen, dass ich die Entwicklung der Gasag schon aus meinen früheren Jobs heraus intensivverfolgt habe. Ich habe zum Beispiel schon 1994 im Hin- tergrund mitgearbeitet, als die Ruhrgas im Rah- men der ersten Teilprivatisierung Anteile an der Gasag übernommen hat. Auch als Vorstand der VNG in Leipzig hatte ich engen Kontakt zur Ga- sag. Wir haben zum Beispiel gemeinsam die Ber- liner Eisbären gesponsert. Und die Thüga, meine letzte Station vor der Gasag, war einige Zeit selbst Anteilseigner der Gasag. Dann wussten Sie also sehr schnell, wo Sie den Hebel ansetzen müssen? Ich wusste, dass die Gasag eine gute Marktposi- tion in Berlin und Brandenburg hat und dass der Markenname über eine hohe Akzeptanz in der Bevölkerung verfügt. Ich glaube aber, dass wir noch mehr daraus machen können. Was denn? Wir haben mit dem Markennamen das Potenzi- al, noch stärker eine Wachstumsgeschichte mit Energiedienstleistungen rund um die dezentrale Energieversorgung zu schreiben. Und wir kön- nen auch noch mehr für die Energiewende leis- ten. Beispiel: Wir haben begonnen, im Bezirk Steglitz-Zehlendorf die Umstellung von Öl- auf Gasheizungen zu fördern. Wirwollenwissen, wie viel Geld man in die Hand nehmen muss, um er- folgreich Anreize zur Umstellung von Ölheizun- gen auf Gas zu setzen. Nach drei Monatenwerden wir die Erfahrungen auswerten. Dann könnenwir auch dem Land Berlin berichten, mit welchen Maßnahmen deutliche Effekte zu erzielen sind. Ein solches Instrument würde gut in das Maßnah- menset des Senates passen, denn in Berlin gibt es immer noch 70.000 teils sehr alte Ölheizungen. Kann die Gasag als Gasversorger wirklich eine Wachstumsgeschichte schreiben? Aufgrund der im- mer effizienteren Wärmeversorgung wird doch im- mer weniger Gas verbraucht. Berlin wächst, es wird gebaut. Deshalb sinkt der Gasabsatz nicht etwa, sondern ist seit 2011 Jahr für Jahr signifikant angestiegen, übrigens bis heute. Ich sehe also weitere erhebliche Wachstumspo- tenziale, denn wir sind in einer Stadt tätig, in die pro Jahr 30.000 bis 40.000 neue Einwohner zie- hen. Natürlich steigt auch die Effizienz, parallel wirkt aber auch die Dynamik beim Zuzug und der daraus folgenden Bautätigkeit. UnserWachs- tum sehe ich deshalb nicht im Widerspruch zur Energieeinsparung. Sie haben bereits ein Zukunftsprogramm aufgesetzt: Gasag 2025. Was sind die Eckpunkte? Wir wollen die Wettbewerbsfähigkeit der Gasag steigern – und zwar in drei Kerngeschäftsfeldern: demNetzgeschäft, demEnergievertrieb und dem Energiecontracting.Wirwerden uns auch die Fra- ge der wirtschaftlichen Exzellenz stellen und die Kostenstrukturen hinterfragen. Sie haben auch das Energiekonzept für den Eu- ref-Campus in Schöneberg entwickelt, wo ja vie- le innovative Unternehmen aus der Energiebranche ansässig sind. Waren die Ansprüche dort besonders hoch? Ja, wir haben dort mit der heutigen Technik die Energieversorgung auf den Stand von 2050 ge- bracht, unter anderemmit einemBlockheizkraft- werk und einemWärme-Kälte-Speicher. Das sind sehr komplexe Lösungen. Das Know-how dafür bündeln wir in der Gasag Solution Plus, die jetzt schon zu denTop-15-Anbietern der Branche zählt. Wir halten Energiedienstleistungen und -cont- racting für ein sehr interessantesWachstumsfeld. Was genau machen Sie da? Dr. Gerhard Holtmeier ist seit April Vorstandsvorsitzender der Gasag. Er ist davon überzeugt, dass sein Unternehmen als Gasversorger dauerhaft eine wichtige Säule der Energiewende sein kann » Von Michael Gneuss „Gas-Infrastruktur hat in Zukunft große Chancen“ FOTO: CHRISTIAN KIELMANN Gerhard Holtmeier will mit der Gasag einen Beitrag zur Energiewende leisten Unser Wachstum sehe ich nicht im Widerspruch zur Energie- einsparung. INTERVIEW DES MONATS
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