Berliner Wirtschaft 10/2018
MEINUNG & MACHER 21 BERLINER WIRTSCHAFT 10/18 Angebot und Nachfrage bestimmen den Preis. Wer Mietzuwächse bremsen will, muss also bauen, bauen und bauen. JAN EDER Hauptgeschäftsführer der IHK Berlin raum. Aber er betonte auch, dass vie- le Probleme in erster Linie das Ergebnis der zwar richtigen und konsequenten, aber zweifellos nicht folgenlosen Spar- politik der letzten Jahre seien. Alleine die Sicherung des Bildungsangebotes sei ei- ne Mammutaufgabe. Und in der Tat müs- se Berlinmehr bauen – unter anderem40 neue Schulen – und dazuwerde die Stadt Flächen erwerben. So bekräftigte er, dem Bund alles abkaufen zuwollen, „was nicht niet- und nagelfest ist“. Aber, davon zeigte er sich überzeugt, man müsse eben auch regulierend in Mieten und die Erhaltung sozial ausgewogener Milieus eingreifen. Mit Nachdruck verwies Müller darauf, Berlins Zukunft aktiv zu gestalten: Ber- linwolle er zur führendenWissenschafts- und Forschungsstadt Europas machen, in der Gesundheitswirtschaft zu einem glo- balen Leuchtturm. Die Verwaltung wer- de digitalisiert, und 2030, so die Vision, sei Berlin eine soziale Stadt „in Frieden und Freiheit“. Konsens bei grundsätzlichen Fragen In der anschließenden Diskussion un- ter Moderation von Jan Eder wurden die wichtigsten Themen der Hauptstadt oh- ne viel Umschweife angegangen. Flächen, Infrastruktur, Verwaltung, Bildung – dass in diesen für die Metropole der Zukunft so wichtigen Politikfeldern nachhaltige Lösungen gefordert sind, war Konsens – auf dem Podium ebenso wie im Saal, der angesichts des hochkarätigen Gastes bis in die hinteren Reihen gefüllt war. Es herrschtewie so oft bei den grund- sätzlichen Fragen kaum Dissens bei der Problemerkennung. So pflichtete Müller dem Appell Eders, endlich auch die Bra- che des Tempelhofer Feldes wieder bei der Flächennutzung Berlins mitzuden- ken, offen bei. Ergänzte dann aber mit Blick auf den vier Jahre alten Volksent- scheid, dass dieses Thema frühestens in der kommenden Legislatur ernsthaft dis- kutiert werden könne. Ein ausgeprägter Unwille, in absehbarer Zeit die Fläche des ehemaligen Flughafens in die Baukon- zepte der Stadt einzubeziehen, ließ sich daraus nicht ableiten. Überhaupt kamder konstruktive, wirtschafts- und zukunfts- orientierte Tenor Müllers beimPublikum gut an. Der Landeschef war sichtlich en- gagiert, seine Politik nicht nur zu verkün- den, sondern aktiv zu vermitteln. Einzel- nen Gästen, die ihre Probleme schilder- ten, bot er persönlich Hilfe an. Keine einfache Diskussion Dabei machten es ihmweder die gelade- nen Unternehmer noch Jan Eder in der Diskussion allzu einfach. Der IHK-Chef zeigte sich alarmiert angesichts einer wachsenden Zahl von Fällen, in denen die Stadt durch die Nutzung ihres Vor- kaufsrechtes Unternehmen verdrängt hat oder zu verdrängen droht. Eder leg- te dem Regierenden außerdem ans Herz, über die Begrenzung des Erbbaurechts bei Landesflächen auf 30 Jahre nachzu- denken – damit sich eine Investition in dieser kurzen Zeit amortisiere, so Eder, müsse „man schon eine Bank“ sein. Mül- ler blieb hinsichtlich des Vorkaufsrechts auf demStandpunkt, dass es sich umEin- zelfälle handele. Beim Thema Erbbau- recht hingegen bot er der Wirtschaft das offene Gespräch an. Dass es bis zur Met- ropole der Zukunft noch ein langer Weg ist, auf dem die Mühen der Ebene lauern, wurde deutlich, als die Digitalisierung zur Sprache kam. Die Schilderung aus einem Oberstufenzentrum, das mit dem Inter- netanschluss eines Vier-Personen-Haus- halts arbeiten müsse und dem aufgrund von Behördenrangeleien keine neue Lei- tung gelegt werde, sorgte für Kopfschüt- teln. Auch bei Müller, der sofort persön- liche Inaugenscheinnahme anbot. Das Gespräch endete, wie es begon- nen hatte – mit großen Themen. Müller betonte in seinen Schlussworten noch einmal, wie wichtig eine freie und offene Gesellschaft auch für den Wirtschafts- standort Berlin sei.Wichtiger als drei Pro- zentpunkte mehr oder weniger für seine Partei sei ihm das politische System der Bundesrepublik Deutschland, das seit über 70 Jahren Frieden, Freiheit und Wohlstand garantiere, zu würdigen und zu verteidigen. Michael Müller (l.) mit den Gastgebern Dr. Beatrice Kramm und Jan Eder
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