Berliner Wirtschaft 10/2018
18 TITELTHEMA Berliner Wirtschaft: Herr Guimet, „Berlin eastside“ ist das größte zusammenhängende Industrie- und Ge- werbeareal der Hauptstadt. Einer von den insgesamt 13 Gewerbeparks ist das Gewerbegebiet Herzberg- straße, in dem sich auch der Hauptsitz der Unterneh- mensgruppe BerlinerLuft befindet. Warum sind gera- de hier, im Nordosten Berlins, so viele Unternehmen registriert? Jorge Guimet: Weil Lichtenberg und Marzahn- Hellersdorf eine historische Gewerberegion sind, in der sich die ersten Unternehmen schon vor dem Ersten Weltkrieg angesiedelt haben. Unser Unternehmen zum Beispiel hat hier bereits seit fast 100 Jahren seinen Sitz. Der Anteil an Gewerbeflächen in Berlin ist rückläu- fig – die restlichen 300Hektarwerden spätestens 2030 aufgebraucht sein. Können in einerwachsenden Stadt noch weitere Gewerbeflächen ausgewiesen werden? Das ist ein sehr wichtiges Thema. Die Flächen, die das Land Berlin für Gewerbeansiedlungen zur Verfügung stellen kann, sind eher überschaubar. Wer Flächen besitzt, wird sie zum besten Preis verkaufenwollen – nicht unbedingt an Industrie- unternehmen, sondern eher an Handelsunter- nehmen, die sich das leisten können. Der Senat versucht zwar, die Berliner Industrie zu stärken, hat dabei aber Interessenskonflikte zu bewälti- gen. Sollen bestimmte Flächen für die Produk- tion genutzt werden oder für Wohnen, Bildung, Forschung und Kultur? Ich glaube nicht, dass es mehr Flächen für den industriellen Sektor geben wird – deshalb wird man ausweichen müssen, zum Beispiel nach Brandenburg oder ganz wo- andershin. Ein weiterer Standortnachteil sind offenbar die Miet- und Immobilienpreise.Wird Berlin fürmögliche Indus- trieansiedlungen unattraktiver? Ich würde nicht sagen, dass Berlin unattraktiver Jorge Guimet, stellvertretender Vorsitzender der Geschäftsleitung der BerlinerLuft. Technik GmbH, über die Standortvorteile Berlins für die Industrie – und über das, was nicht so richtig funktioniert „Überschaubare Flächen für Gewerbeansiedlungen“ wird. Fakt ist, dass die Flächen für Industriean- siedlungen heute mehr als knapp sind, und das wird nicht besser durch die hohen Preise. Das führt dazu, dass das produzierende und verar- beitende Gewerbe ins Hintertreffen gerät. Schon jetzt sehen wir, dass kleinere Produzenten, zum Beispiel Hersteller von Fahrrädern oder Taschen, peu à peu aus der Mitte der Stadt vertriebenwer- den. Die müssen sich dann etwas suchen, was nicht zu weit weg ist von ihren Kunden, sonst sind sie aus dem Markt. Was macht den Standortvorteil Berlins für das verar- beitende und produzierende Gewerbe aus? Ichwill hier nicht auf den Lehr- und Forschungs- standort mit seinen fast 40 Universitäten und Hochschulen sowie zahlreichen weiteren Ins- tituten eingehen, von dem die Industrie durch- aus profitiert, sondern einen anderen Punkt an- sprechen. Es kommt immer darauf an, was für ein Produkt Sie haben. Wenn Sie ein Produkt herstellen und vertreiben, das nicht abhängig ist von Entfernung – Medikamente zum Beispiel –, dann ist es egal, wo Sie sitzen, um den großen und attraktiven Markt Berlin bedienen zu kön- nen. Wenn Sie riesige Luftkanäle wie wir produ- zieren und abhängig vomTransport sind, müssen Sie allerdings in der Nähe der Baustellen sein, die beliefert werden. Wie profitiert Ihr Unternehmen davon? Unsere Produkte sind extrem transportempfind- lich, weshalbwir einen Radius von 150 bis 200 Ki- lometern haben. Was darüber hinaus geht, würde ein Projekt an die Grenze der Rentabilität bringen. Deshalb profitieren wir von der Nähe der vielen Baustellen, die Berlin hatte, hat und haben wird. Laut aktuellem Konjunkturbericht der IHK sind die Exporterwartungen der Berliner Industriebetriebe ge- sunken. Ist davon auch Ihr Unternehmen betroffen? » FOTO: BERLINERLUFT. Jorge Guimet Der Jurist und gebürtige Peruaner ist kaufmännischer Geschäftsführer und stellvertretender Vorsitzender der Geschäftsleitung der BerlinerLuft. Technik GmbH, die Lüftungs- und Klimatechnik produziert. Guimet engagiert sich darüber hinaus im IHK- Branchenausschuss Industrie. Viele Unterneh- men in Berliner Gewerbe- gebieten haben noch immer keinen ordent- lichen Internet- zugang. HINWEIS: DIE FOLGENDEN ZWÖLF SEITEN SIND EIN BEIHEFTER DER FIRMA LEXWARE
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