Berliner Wirtschaft 9/2019
Der Industriekulturabend, ausgerichtet vom BBWA im Ludwig Erhard Haus, widmete sich vielen Facetten der Berliner Modegeschichte von Ina Kaifi Stoff zum Nachdenken M ode erzählt von den Launen der Zeit und im Berliner Fall auch vom Aufstieg und Untergang eines florierenden Geschäfts- zweigs. Der „Abend zur Industriekultur in Berlin-Brandenburg“ des Berlin-Brandenbur- gischen Wirtschaftsarchivs (BBWA) beleuchtete dieses spannende und auch zum Nachdenken anregende Thema. „Berliner Mode“ war einst nicht nur Inbegriff für elegante Designs, sondern auch ein reelles Standbein der Berliner Wirtschaft. Dies betrifft besonders die Jahrzehnte vor dem Ausbruch der Naziherrschaft, der die Branche jäh zum Erlie- gen brachte. Denn die Kaufleute, die sich seit den 1830er-Jahren am und um den Hausvogtei- platz einen Namen gemacht hatten, waren größ- tenteils jüdisch. Zu dieser Epoche sprach eindrücklich der Journalist Uwe Westphal, der sich seit 30 Jah- ren leidenschaftlich mit dem Thema auseinan- dersetzt. Das Brandneue an der „Berliner Mode“: die Erfindung der standardisierten Größen. „Was heute ganz selbstverständlich ist, war damals eine Innovation: Mode von der Stange“, so West- phal. 1880 hingen die Konfektionen bereits in den Warenhäusern und begeisterten das Publikum. Das brachte Schwung ins Geschäft: 1906 arbeiteten etwa 123.000 Näherinnen, Schneider und Mode- gestalter für exportstarke Firmen. Den Sprung in die Gegenwart machte Prof. Dr. Antonella Giannone von der Weißensee Kunsthochschule Berlin. Die heutige Modeszene sei gekennzeichnet von hoher Diversität – und Abkehr vom Glamour: „Recycling, Upcycling, soziales Enagement – das sind u.a. die Trends“, sagte Giannone. Das Label „Bless“ etwa veranstal- tet unprätentiös Vernissagen imHinterhof-Atelier und das Modeunternehmen „Rita in Palma“ enga- giert Frauen mit Migrationshintergrund. In der anschließenden Diskussion ging es darum, wie man an das alte Berlin als Modeme- tropole anknüpfen könnte. Eine intensivere Aus- einandersetzungmit der Geschichte der jüdischen Modeindustrie könnte dazu beitragen. ■ Lissy Edler (später Alice Newman) designte bis 1936 Modeserien für das Konfektionshaus Löb & Levy Uwe Westphal: „Modemetropole Berlin 1836-1939“, Seemann Henschel Verlag FOTO: ARCHIV UWE WESTPHAL BRANCHEN | Mode 40 BERLINER WIRTSCHAFT 09 | 2019
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