Berliner Wirtschaft 9/2019

Karriere im Mittelstand entwickelt sich Berliner Hochschulen und Unternehmen müssen aber weiter hart dafür arbeiten, dass die Absolventen in der Stadt bleiben – das Deutschlandstipendium ist dabei ein Schritt in die richtige Richtung A ls ich vor 20 Jahren mein Studium an der Berliner Technischen Universität begon- nen habe, war ich ein Exot: Unterneh- mer, Angestellte, eigenes Auto und vor oder nach Terminen im Anzug in der Uni unter- wegs. Dies wurde noch deutlicher, als der Profes- sor für Rechnungswesen einfache Buchungssätze erklärte. Er kommentierte mit „das brauchen sie allerdings später nicht, das brauchen nur Unter- nehmer, und die hätten ja hier nichts zu suchen“. Er wollte auf die Ausrichtung einer Universität auf Forschung und Lehre hinweisen. Meine Kommilitonen hatten nicht alle vor, in die Forschung zu gehen. Die meisten waren auf eine Karriere in einem großen Konzern aus. Damit waren sie für Berlin verloren, denn hier lebt die Wirtschaftsstruktur zu 95 Prozent von Unternehmen, die unter 100 Mitarbeiter beschäftigen. Auch diese Situation motivierte mich später zur Initiative „Karri- ere im Mittelstand“ des Kompe- tenzteams. Mein Mitstreiter, Tho- mas Herrmann, und ich haben dieses Thema vor einigen Jahren durch die Präsidentenbüros der Berliner Hochschulen getragen. Auf offene Ohren stießen wir vor allem in den Fachhochschulen, was aber nicht sofort zu Taten führte. Die Career Center ver- mitteln eben nicht zuletzt ange- sichts ihrer überschaubaren Res- sourcen schneller in einem Rutsch 100 Pflichtpraktika an IBM, Sie- mens & Co. als aufwendig und kleinteilig an 100 kleine Unternehmen. Für Berlin und den Berliner Mittelstand ist das bitter: Die Absolventen sind weg, wenn es in die Wertschöpfungsphase geht. Andere Regionen sagen danke. Da kam damals das noch zarte Pflänzchen Deutschlandstipen- dium gerade recht. Es ermöglicht auch KMU, die eisernen Hochschultüren zu den Studierenden zu überwinden und vorausschauende Fachkräftesi- cherung zu betreiben. Unlängst war ich eingeladen, als Unterneh- mer anlässlich der Jahreseröffnungsveranstaltung des Deutschlandstipendiums an der HTW Ber- lin zu sprechen. Ich hatte erfreulicherweise den Eindruck, dass das Deutschlandstipendium aus den Kinderschuhen raus ist und sich als Instru- ment bewährt, das die Interessen von Studie- renden, Hochschulen und Betrieben in Einklang bringt. Kleine und mittlere Unternehmen nut- zen das Angebot und engagieren sich als Stipen- diengeber. Studierende lernen den Mittelstand als potenziellen Arbeitgeber kennen. Die Hoch- schulen erschließen sich schrittweise die Berliner Unternehmerschaft als Zielgruppe. Es kann nicht von einem grundlegenden Umschwenken der Hochschulen auf den Mittel- stand die Rede sein, aber die Entwicklung zeigt in die richtige Richtung. Deshalb heißt es jetzt dranbleiben. Dazu zählt, dass die zuständigen Hochschulbereiche nachhaltig personell ausge- stattet werden. Die Vermittlung top ausgebilde- ter Absolventen in den Mittelstand darf nicht an der Ressourcenfrage der Hochschulen scheitern und den Konzernen in anderen Bundesländern damit in die Hände spielen. ■ Kompetenzteam Wenn Sie sich für unsere Arbeit interes­ sieren, nehmen Sie gern Kontakt zu uns auf unter: ihk-berlin.de/ kompetenzteam Sebastian Stietzel ist Vorsitzender des IHK-Kompetenz­ teams Mittelstand und Mitglied der Geschäftsleitung der Lumaland AG IHK-Service Ansprechpartnerin zum Deutschland­ stipendium: Stefanie Dümmig Tel.: 030 / 315 10-328 stefanie.duemmig@ berlin.ihk.de FOTO: MARIA VAORIN/LUMALAND AG AGENDA | Mittelstandskolumne

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